Aua, Aua, Aua, was tun mir die Füße weh – Tja, das ist nunmal so, wenn man 4 Tage lang durch die ganze Stadt streift und eine Veranstaltung nach der anderen besucht. Natürlich tragen die meisten Frauen dazu Absätze mit mindestens 10 cm, wer schön sein will, muss eben leiden – aaber: es hat sich gelohnt, wie immer.
Nun war ich ja als Akkreditierte unterwegs, heißt, ich durfte in die Pressegräben. Aber ganz ehrlich, da ich nur eine kleine Digicam habe und keine professionelle Kamera mit 3m-Objektiv, ist die Qualität meiner Bilder nicht wirklich berauschend und ich kann euch nur wenige gute präsentieren, auch wenn ich Unmengen Bilder gemacht habe. (Das wird aber nächstes Jahr anders, da ich mich bereits mit Pressekollegen, die nur fotografieren, aber nicht schreiben, in Verbindung gesetzt habe und wir da sicherlich einen Deal aushandeln können.)
Dieser Bericht ist ein persönlicher Rückblick, da ich mich so viel mehr austoben kann. Ein wenig Satire sei mir auch erlaubt. Dies ist nur ein Teil unserer Berichterstattung. Teil 2 wird mein Kollege Sphere umgehend veröffentlichen. Auch wird es eine extra Fotostrecke geben an der ihr euch beteiligen könnt und euch vielleicht sogar wiederfindet.
Wetter
Glück, wir haben fast immer Glück zu Pfingsten. Außer Samstagvormittag hatten wir strahlenden Sonnenschein oder leichte Bewölkung, aber ihr wisst ja, Sonne macht albern…
Touristen / Leipziger
Es gibt doch wirklich jedes Jahr Bustouren, die Touristen extra zum WGT ankarren. Find ich klasse. Natürlich haben alle ihre Kameras dabei und die meisten WGTarier kamen nur langsam durch die Stadt, da sie immer wieder posieren mussten, bzw. durften. Ehrlich gesagt, man wünscht es sich auch. Sehen und gesehen werden. Vielen Dank auch an die Einwohner meiner Heimatstadt, wie jedes Jahr seid ihr offen, respektvoll und sehr liebevoll mit uns umgegangen und wir hoffen, dass es auch in Zukunft so bleiben wird.
Veranstaltungen
Wie jedes Jahr, müsste man sich mindestens in zehn Personen teilen, um an allen Veranstaltungen teilnehmen zu können. Das Programm war vielfältig und abwechslungsreich. Die Veranstaltungsorte liegen in der ganzen Stadt verstreut, so dass man mit Fug und Recht behaupten kann: Zu Pfingsten haben die Goths Leipzig fest im Griff. Oper, Varieté, sämtliche Arten der schwarzen Musikszene, Ausstellungen, Führungen, Museen, Diskotheken, Lesungen, Autogrammstunden, Theater, Filme u.v.m. Für jeden ist etwas dabei. Hier ein paar ausgewählte Veranstaltungen.
Heidnisches Dorf
Gelegen am Torhaus Dölitz, direkt neben der Agra, ist dieser mittelalterliche Markt ein Treffpunkt für alle, nicht nur für Mittelalterfans. Zahlreiche Musiker geben Konzerte und Handwerker bieten Ihre Kunst feil. Auch für das leibliche Wohl ist stets gesorgt. Da dieser Veranstaltungsort auch für nicht WGTarier offen ist, mischten sich hier auch Nicht-Goths unters Volk. Das Tagesticket hierfür gabs für 10 EUR, eine Preiserhöhung zu letztem Jahr um 25%. Es ist immer wieder schön, dem mittelalterlichen Treiben beizuwohnen. So man das richtige Schuhwerk dabei hat. Nach dem Regenguss am Samstagvormittag, war der Markt (letztes Jahr noch mit Gras versehen, dieses Jahr größtenteils blanke Erde) bis zum Montagabend, eine Schlammschlacht, im wahrsten Sinne des Wortes. Doch das hält die Besucher natürlich nicht davon ab, das Heidnische Dorf zu besuchen. Und genau hier gibts einen großen Kritikpunkt: Es ist toll, große und bekannte Bands auf den Markt zu holen (z.B. Saltatio Mortis, Nachtgeschrei, Coppelius, Die Letzte Instanz) doch sollte es nicht sein, dass es dann am Samstagabend einen generellen Einlassstopp gibt, auch für WGT-Besucher, da das Dorf völlig überfüllt ist. Hier muss dringend eine Lösung gefunden werden.
Eigentlich ein Dreiergespann, 2 Mädels und ein Mann, dieses Jahr waren die Mädels allein unterwegs. Es fehlte also das Schlagwerk. Die Band widmet sich hauptsächlich der Musik aus dem keltischen und nordischen Raum. Sie regten mit ihrer Musik zum Träumen an, doch irgendwie schienen sie, wenn sie nicht spielten, unsicher und zurückhaltend. Das haben Sie gar nicht nötig. Etwas mehr Mut und sie werden ihren Weg zu den Großen der Szene unbeirrt fortsetzen.
Ihr vorletztes Album hieß „Ardeo“ – zu deutsch: Ich brenne. Perfekt gewählt, denn die Band brannte wirklich, vor Leidenschaft und völlig in ihrer Musik aufgehend. Martin LeMar heißt der neue Sänger, nachdem Holger“Hotti“ Franz aus familiären Gründen 2012 aus der Band aussteigen musste. Es herrschte gespanntes Lauschen, denn die meisten Konzertbesucher gehen natürlich erst einmal ein wenig argwöhnisch daran, wenn sich ein neuer Frontmann präsentiert. Doch für Argwohn gabs keinen Grund. Martin LeMar begeisterte mit seiner Stimme, kraftvoll und feurig brachte er die zahlreichen Zuschauer zum Toben. Es wurden Lieder vom neuen Album “ Aus schwärzester Nacht“ (VÖ 2013) präsentiert, aber auch aus vergangenen Tagen. Dabei versuchte er nicht Hotti zu ersetzen oder nachzumachen, sondern brachte seinen ganz eigenen Stil ein. Und das funktionierte außerordentlich gut. Weiter so!
Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an..so das Zitat auf der Visitenkarte von Kasjopaja, alias Julia Lehne. Weitab von den 2 Bühnen des Heidnischen Dorfes, saß sie vor einem Verkaufsstand und sang, sich selbst auf ihrer keltischen Harfe begleitend, wunderschöne Lieder aus der Zeit der Kelten. Kasjopaja gehörte nicht zum offiziellen Programm des WGT, aber das sollte sie. Viele Marktbesucher blieben stehen, um den verträumten Klängen zu lauschen. In naher Zukunft werden wir ihr einen extra Bericht widmen, denn das hat sie definitiv verdient.
Zu diesen muss man eigentlich nicht mehr viel sagen. Gewohnt souverän, die Massen zum Toben bringend, eine tolle Stimmung verbreitend, waren sie am Montag Abend des letzte Konzert im Heidnischen Dorf. Und wie ein Abschlusskonzert so sein soll, war es der absolute Knaller. Um vor die Bühne und wieder raus zu kommen, benötigte ich jeweils 15 Minuten. Es war brechend voll und auch im Schlamm wurde getanzt, gesprungen und gesungen. Man merkte wieder einmal deutlich: Saltatio Mortis gehören zu den größten der Mittelalter-Rock-Szene.
Clara-Zetkin-Park / Parkbühne
Samstag: Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, an diesem Tag bei Sonnenschein durch den Park zu flanieren und mir schöne Konzerte anzuhören. Ein Blick auf meinen Veranstaltungsplan zeigte mir allerdings, dass nichts los war. Es gab an diesem Tag keine einzige Veranstaltung im Park. Sehr sehr schade. Ich habe mich mit Anwohnern unterhalten. Es scheint, als hätten sich einige beschwert, dass es zuviel „Krach“ wäre. Oder gibt es andere Gründe? Die Anwohner die ich getroffen und mit denen ich mich unterhalten habe, waren jedenfalls sehr sehr offen dafür und wollen nächstes Jahr auch mit dabei sein. Find ich prima.
Also wurde der Besuch der Parkbühne auf Sonntag verlegt.Eine schöne Freilichtbühne, bei der man auch draußen, auf der Wiese sitzend, alles mitbekommt und die Musik bequem genießen kann. Aber ich muss natürlich ganz vorn mit dabei sein. Eben mittendrin statt nur dabei.
Völlig unvorbereitet bin ich rein ins Konzert und ließ mich überraschen. Die englische Kappelle, bereits seit 1993 existierend, war mir zugegebenermaßen vorher nicht bekannt. Warum, das bemerkte ich dann auch gleich an den ersten Tönen. Ehemals sinfonischen Black Metal spielend, hat diese Band ihr Genre erweitert und man darf mit Recht behaupten, dass sie jetzt im klassischen Death Metal angesiedelt sind. Düster und brutal. Ich war erschüttert. Aber nicht, weil es so gar nicht mein Musikgeschmack ist, sondern weil ich Angst hatte, dass jeden Augenblick die Bühne ob der Lautstärke, zusammenbricht. Doch ich habe durchgehalten und ein paar schöne Fotos gemacht. Für Death Metal Fans ist diese Band ein absolutes Muss, denn hier kann man Headbangen und zwar ununterbrochen. Dazu muss man den Text nicht verstehen.
Nach mehrjähriger Pause melden sich die Symphonic Metaller mit der endgültig integrierten neuen Sängerin Manuela Kraller auf die Bühnen der Gothic Welt zurück. Atemberaubend, gefühl- und kraftvoll ging die Band zur Sache. In der Szene gelten sie ja immer schon ein wenig als deutsche Antwort auf Nightwish und sie haben geantwortet und wie. Diesen Vergleich brauchen sie schon längst nicht mehr scheuen. Ein großartiges Konzert mit einem begeisterten Publikum. Und natürlich wurde nach vielen lauten Rufen auch „Ravenheart“ gespielt. Xandria sind zurück!
Agra
Das Herzstück des Wave-Gotik-Treffens. Hier wird gezeltet, an Unmengen von Einkaufsständen die Klamotten fürs nächste Jahr ausgesucht und den Headlinern gelauscht. An Essen und Trinken mangelt es nicht, auch wenn die Preise zum Teil etwas barbarisch sind. Die Flaniermeile, rechts und links gesäumt von unzählig permanent klickenden Fotoapparaten darf nicht ebenfalls nicht fehlen.
Abney Park
Die Band aus Seattle hat sich im Bereich des Steampunk angesiedelt. Ein gut besuchtes Konzert mit begeistertem Publikum. Sie boten eine großartige Bühnenshow, in welcher sie ihrer fiktionale Hintergrundgeschichte als Crew des Luftschifffes HMS Ophelia nachgehen. Sie werden einmal zu den ganz Großen gehören, wenn sie so weiter machen.
Das 10. Album im 20. Bühnenjahr. Das ist doch mal eine Hausnummer. Feinste ElectronicBodyMusic brachte die Massen zum Tanzen und Springen. Der Fußboden der Halle erbebte, als die Hannoveraner Songs aus dem neuen Album „Der Maschinist“ und aus „Krieg und Frieden“ spielten. Der pure Beweis: EBM lebt.
Ab auf die DDR-Baustelle. In feinstem Orange der Bauarbeiter gekleidet und ein wenig mit der Vergangenheit spielend, gab es puren Elektro vom Feinsten. Ihre Show benötigt kein Kunstblut oder irgendwelche Knicklichter o.ä. Die Band selbst ist eine Show. Sie gehört inzwischen zum festen Bestandteil der Electro-Szene und wird dort wohl auch noch länger verweilen.
VNV Nation
Das Abschlusskonzert des diesjährigen Wave-Gotik-Treffens auf der Agra. Die Band, bestehend aus Ron Harris und Mark Jackson, lässt sich nicht wirklich in eine Schublade stecken. Am ehestens vielleicht zu Future Pop, aber irgendwie passt das auch nicht immer. Denn zwischen melodischen Balladen und elektronischen Beats haben die beiden wirklich alles drauf. Das einzige was immer gleich bleibt: Sie begeistern die Massen. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass der Kuschelfaktor in der Agra-Halle zwischen den Besuchern hoch war. Dicht an dicht gedrängt, vibrierte der Boden unter tanzenden Füßen, auch wenn dafür nach 4 Tagen die letzten Kräfte mobilisiert werden mussten. Ein fulminanter Ausklang des WGT auf der Agra und die Fans warten gespannt auf das neue Album „Transnational“ welches voraussichtlich noch in diesem Herbst erscheinen soll.
Obsession Bizarre
Endlich, dieses Jahr hab ich mir die Zeit genommen, um am Samstagabend die alljährlich stattfindende SM-Veranstaltung zu besuchen. Angekommen kurz nach 22 Uhr erwartete mich eine Warteschlange von ca. 500m. Uff. Aber ich habe in den anderthalb Stunden Wartezeit nette Leute kennengelernt. Als wir endlich durch den Kleidercheck durch sind und dann noch 20 min an der Garderobe gewartet haben, waren wir endlich drin. Die Darbietung der Gruppe „Schmerzmöbel“ war umwerfend und hatte sich den tosenden Applaus redlich verdient. Es gab einen Raum, der unterteilt war in mehrere kleine Separées. Hier konnte und sollte nach Herzenslust gespielt werden. (Für Kondome war für alle Fälle ausreichend gesorgt). Schade nur, dass einige Besucher sich eben nicht an die Vorgaben halten konnten. Nochmals zur Info: Das Schild „open“ besagt, dass zugeschaut werden darf. Bei „closed“ sollte man den Anstand wahren und den Vorhang eben nicht zur Seite schieben.
Aufgrund der völligen Überfüllung der Veranstaltung war es mehr ein Gequetsche und es hat 20 min gedauert ein Getränk zu erhaschen, aber noch länger (ca. 30 min) um den Pfand zurück zu erhalten. Fazit: Diese Veranstaltung hatte interessante Aspekte an sich, man sollte es auf jeden Fall mal gesehen haben, aber es fehlt noch das gewisse Etwas und ein schnellerer Einlassstop, um die Party perfekt zu machen.
Wie immer, eine Megastimmung. Die Leute sind entspannt, aber auch ausgelassen wenn es zu den Veranstaltungen geht. Friedlich und vor allem offen. Man kann jeden ansprechen und kommt sofort ins Gespräch. Schlange stehen hat immer etwas gutes, nämlich, dass man tolle Leute kennenlernt.
Der Trend in puncto Kleidung geht eindeutig wieder zurück zum Ursprung, zu tiefem Schwarz. Aufgefallen ist dieses Jahr ganz extrem, dass die neonfarbenen Cyper-Goth-Fraktion nur sehr sehr wenig vertreten war. Konnte man noch im letzten Jahr kaum irgendwo ohne Sonnenbrille entlang spazieren, erblickte man dieses Jahr vor allem ein augenfreundliches Schwarz. Kommt ihr wieder? Oder habt ihr zurück zur Farbe eurer Seele gefunden? Wir lassen uns nächstes Jahr überraschen. Auch die Viking- und Pagan-Metal Fraktion hat meines Erachtens nachgelassen, auch wenn ich das natürlich nur anhand der Kleidung beurteilen kann. Ein großes Lob an die Travestie, die meisten Männer in Frauenkleidung sahen umwerfend aus, mega gestylt, daran könnten sich manche Frauen ein Beispiel nehmen. Eine Bitte an einige Damen, die nicht in die gängigen Kleidergrößen passen: Ihr werdet, und das wisst ihr, genauso akzeptiert wie alle anderen auch. Aber warum quält ihr euch mit Kleidergröße M (vor allem bei Korsagen und Röcken) wenn ihr eine XXL benötigt? Zieht euch doch was bequemes an, ohne dass ihr leiden müsst. Es gibt so schöne Kleider, Korsagen, Rücke usw. in denen ihr super ausseht, ich sprech da aus Erfahrung.
Im Pressegraben
Ehrlich, wie schon oben beschrieben, ich habe nur eine Digicam mit kleinem Objektiv. Es kratzt ein wenig am Ego, wenn man nur eine kleine Kamera hat. Aber deswegen schief angeschaut zu werden, ist nicht fair. Bei manchen Fotografen hatte ich auch das Gefühl, dass sie mit der Länge ihrer Objektive etwas zu kompensieren hatten. Glücklicherweise gibt es auch Pressekollegen, die es gut finden, dass man sich in die Höhle des Löwen wagt und dazu ermutigen. Ein besonderer Dank geht hier an die wirklich netten Kollegen von Wikipedia, Jesko Mägle von dark-pictures.org, dem Fotografen Johannes Sadlers und dem Kollegen von dark-pictures Chemnitz die mich unterstützt haben. Achja, ich werde mich nächstes Jahr daran erinnern, dass ein Reifrock im Pressegraben ungeeignet ist, auch wenn er Platz verschafft.
Es wird noch eine zweite News folgen, in der ich euch meine schönsten Bilder präsentiere.
Es war wie immer ein tolles WGT und ich freu mich auf nächstes Jahr.