Eisregen - Blutbahnen

Eisregen – Blutbahnen (Review und Kritik)

Eisregen - Blutbahnen
Eisregen - Blutbahnen

Man nehme einen tiefen Sinn oder eine Lebenserfahrung und versteckt den Hintergrund hinter einem seichten Schleier von Gewalt und Kannibalismus. Und Voilá! Man erhält einen Eisregen-Song. Die umstrittene Band aus Thüringen hat schon so manchen kontroversen Song herausgebracht, der sie immer wieder in das Kreuzfeuer der Kritik und zum Herausgeben von Statements brachte. 2007 erschien das 6. offizielle Studioalbum: Blutbahnen. Können sie den Qualitätsstandart beibehalten? Geht es wiedermal recht direkt zur Sache? Dem ist doch wohl so… oder nicht?

Eisregen haben schon einige geniale Alben veröffentlicht. Wer erinnert sich nicht an die herausragenden, wenn auch jetzt indizierten oder verbotenen, Werke wie „Krebskolonie“ oder „Farbenfinsternis“? Damit haben die thüringer Jungs Bandgeschichte geschrieben und so manchen Hörer in den Eisregen-Bann gezogen. Als ich also das Cover bzw. das Album „Blutbahnen“ zum ersten Mal in Händen hielt, war ich vom Artwork etwas verwirrt. Tatsächlich stand ich ganze 10 Minuten wie ein Idiot im Musikgeschäft und hab auf das Cover gestarrt, nur um zum Schluss zu kommen, dass das lediglich irgendein Schneidewerkzeug umgeben von Fleisch ist. Leider kein tieferer Sinn, der die Zeit entlohnen sollte.
Die Frage, ob sie diesen Genius der vorherigen Alben mit Blutbahnen beibehalten können, möchte ich direkt am Anfang beantworten: Sie schaffen es nur mangelhaft. Warum sie aus einigen Songs mit viel Potential nicht das gemacht haben, was ich als durchaus gelungen einstufen würde, bleibt mir verschlossen. Aber was sie tatsächlich gemacht haben, wird euch berichtet.

Eisregen
Eisregen

Der erste Song ist eine Art Intro namens „Eine kleine Schlachtmusik„. Dies ähnelt einem episch anmutenden Albenintro einer schwedischen Viking Metal-Band mit Keyboard und Power Metal-Einflüssen. Diese passt erstens nicht zum Titel und zweitens absolut nicht zum Mythos Eisregen. Es stimmt einfach nicht mit dem Rest überein und vermittelt direkt ein falsches Gefühl vom Gesamtwerk.
Nach diesem recht schwachen Anfang beginnt in meinen Augen eines der Highlights in den Blutbahnen. In „Eisenkreuzkrieger“ beschreibt ein deutscher Soldat die Schrecken Stalingrads. Hier wird eindrucksvoll der Einfluss der Kälte und des Wahnsinns beschrieben, sodass (wir hätten es uns glatt denken können) es letztenendes im Fressen seines letztübrigen Kameraden ausartet und das lyrische Ich erschossen wird.

Nachfolgend tut sich ein Weiterer der Höhepunkte der Tracklist auf: Im Dornenwall. Hier besingt Vokalist Roth die willkürliche Rolle des Glücks und auch letztenendes die Unnötigkeit und das Einfache im Leben, wenn es doch im Grab endet. Allen Ernstes regt dieser Song den Hörer zum tiefen Nachdenken an.
So gelungen und verhältnismäßig gut die ersten 2 Songs auch waren, so überspringen wir den nächsten Track und kommen zu „17 Kerzen am Dom„. Aus dem Titel mag zuerst nicht der Sinn heraustreten, aber es geht um den Amoklauf in Erfurt, der von Robert Steinhäuser durchgeführt wurde. Die 17 Kerzen symbolisieren die 17 Personen, die ihr Leben an diesem Tag ließen. Das Thema hätte sicher viel Material und Potenzial für einen tiefsinnigen Song geboten, der die Ereignisse gedankenvoll schildert. So sehr ich mir so einen Verlauf auch gewünscht hätte, der Song klingt so, als hätte sich die Band den Polizeibericht vor die Nase gelegt und abgesungen. Weder textlich noch musikalisch wirklich gut, da hätte mehr gemacht werden können.

Wer noch das wohl beste Eisregen-Album „Krebskolonie“ kennt, dem wird „Zurück in die Kolonie“ am Meisten gefallen. In diesem ganz besonderen Werk erscheint die Seele des Kolonie-Insassen

Sänger M. Roth
Sänger M. Roth

(dieser hat sich am Ende von „Krebskolonie“ selbst gerichtet), dem scheinbar der Tod verwehrt ist, und sucht sich einen Wirt, mit dem er die letzten „Negative“ (So werden hier die gesunden Menschen bezeichnet) auszulöschen plant. Das Lyrische und der Klang weiß im Vergleich der anderen Songs zu überzeugen und stellt so manchen der restlichen Albensongs in den Schatten.
Und zu guter Letzt gibt es noch „Schneuz den Kasper„. Nun, was soll man sagen… Ich denke kaum, dass irgendjemand einen Song, in dem um es Masturbation zur Bekämpfung von Sorgen und Selbstmord als Resultat der Unfähigkeit zu masturbieren geht als vollwertigen Song einstufen kann. So ging es auch mir, als vollwertiger Song wirkt es unnötig; als Bonustrack wäre es weitaus sinnvoller gewesen um das Album nicht ins Lächerliche zu ziehen.

Skaal
Skaal

Fazit:
Leider haben Eisregen mit diesem Album den Tiefpunkt ihrer Albengeschichte besiegelt. Nur wenige Songs sind wirklich hörenswert, der Rest ist „nur“ Durchschnitt. Besonders „17 Kerzen am Dom“ hat mich enttäuscht, da hätte weitaus mehr rausgeholt werden können. Allerdings hat der Rückkehr in die Kolonie alte Krebskolonie-Zeiten wieder aufleben lassen und ist neben „Im Dornenwall“ und „Eisenkreuzkrieger“ sicher einer der wenigen Pluspunkte.
Erhöht wurde der Anteil des Klargesangs. Besonders Eisregen sollten da vorsichtig sein: In die wenigsten ihrer Stücke passt der klare Gesang wirklich hinein. Dies ist eher die Ausnahme denn die Regel. Das Album ist aber wirklich nur etwas für Hörer, die Eisregen bereits mögen und sich gerne mal zu Gemüte führen. Als Einstiegsalbum jedoch vermittelt es einen falschen Eindruck der Band und des normalerweise recht hohen Qualitätsstandarts und sollte deshalb nicht das erste Album eines angehenden Eisregen-Fans sein.

Tobias "Zigeunerjunge" Geers
Tobias "Zigeunerjunge" Geers

Zweite Meinung: Blutbahnen ist definitiv das softeste Album der Thüringer, da der Scheibe durchaus an zu merken ist, dass es eher auf Keyboardklänge als auf harten Gitarrensound ausgelegt ist. Dabei sind aber trotzdem Songs mit Klassikerpotential wie „Eisenkreuzkrieger“, „Alphawolf“ und „Zurück in die Kolonie“ gegeben, die dem Vorgänger Wundwasser an sich in nichts nach stehen. Man war ja schon damals einen (musikalisch) weniger harten Weg gegangen und so ist Blutbahnen eigentlich nichts als die zu erwartende Fortführung der indizierten Scheibe. „Schlechtestes Album“ würde ich daher eher nicht sagen und es lieber „Einsteigerfreundlich“ nennen. Denn auch wenn es nicht grade repräsentativ für das Schaffen Eisregens ist, wird ein Mensch für den die Band musikalisches Neuland ist sicher nicht direkt mit der Zerfall einsteigen. Abschließend sei zu sagen: Menschen die ewig auf eine zweite Kolonie hoffen werden wieder enttäuscht, wer aber Wundwasser und Farbenfinsternis mochte sollte auch gefallen an den Blutbahnen finden können.

Trackliste (Laufzeit 55 Minuten):

  1. Eine kleine Schlachtmusik
  2. Eisenkreuzkrieger
  3. Im Dornenwall
  4. Ein Hauch von Räude
  5. 17 Kerzen am Dom
  6. Blutbahnen
  7. Alphawolf
  8. Frischtot
  9. Schlachthaus-Blues
  10. Zurück in die Kolonie
  11. Schneuz den Kasper!
( 7,5 / 10 )
( 7,5 / 10 )

Anspieltipps:
Eisenkreuzkrieger, Im Dornenwall, Zurück in die Kolonie

Erscheinungstermin:
27. April 2007

Eisregen Homepage
Eisregen auf MySpace

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