Agalloch, waren das nicht diese Ökometallertruppe aus dem kanadischen Grenzgebiet? Zumindest könnten oberflächliche Zeitgenossen so argumentieren, schließlich singt Chefschreihals John Haughm am Liebsten über Natur und Zauber, und jedes Album erschien bis jetzt in einer limitierten Holzbox (mit Bezug auf den Bandnamen). Bei ihrem neuen Werk Marrow Of The Spirit ist aber allein die Zeichnung auf dem Cover schon ein guter Grund, sich die Scheibe mitzunehmen. Natürlich ist auch die Musik mal wieder Agalloch-typisch erstklassig. Profund Lore Records hat mit dieser Band ein echtes Aushängeschild, das der Namensgebung (engl. Tiefgründige Geschichten) wohl am Ehesten gerecht wird.
Das Album beginnt sehr sanft durch das Akustikstück „They Escaped The Weight Of Darkness“, und als ich’s das erste Mal gehört habe, dachte ich doch glatt ich hätte mich in iTunes von Apocalyptica verklickt! Ein melancholisches Cello dudelt hier in Feldaufnahme vor einem Bach mit Vogelgezwitscher, Gesang gibt’s noch keinen.
Der kommt aber schon kurz darauf, als die Adlerholzkapelle auf Anschlag beschleunigt und uns zwölf Minuten lang „Into The Painted Gray“ mit nimmt. Hier zeigt sich wieder die Spezialität der Band, hochtönige Gitarren gekonnt mit dem Frequenzkeller zu kombinieren, ohne dass der Hörer dazwischen ins Stolpern gerät.
Einen sehr schönen Übergang gibt’s hier per ausblendender Akustikgitarre, und als John im Interview mit Legacy von Feldaufnahmen sprach, konnte er nur das nächste Stück „The Watcher’s Monolith“ gemeint haben. Man fühlt sich als hätte man die Gruppe im eigenen Wohnzimmer zu Gast und kann jede Nuance der Musik wunderbar wahrnehmen. Als besonders großartig empfand ich hierbei den Klang der Snare, die mir in letzteren Produktionen doch eher zu matschig war.
Ob nun gut oder schlecht mag jeder selbst bewerten, aber bemerkenswert ist, dass selbst eine so progressive Truppe wie Agalloch sich bei diesen Songs wieder auf Wurzeln von Pale Folklore besinnt und mit einbringt.
Doch sie zeigen auch, dass sie noch längst nicht am Ende ihrer eindrucksvollen Entwicklung sind:
„Black Lake Niðstång“ bildet mit seinen 17 Minuten nicht nur das Markstück des Werkes, es zieht über diese zeit eine unheimlich abwechslungsreiche Atmosphäre auf, was sicherlich auch mit an den Feldaufnahmen liegt.
Schlagzeuger Aesop Dekker hält sich hier angenehm zurück, was dem Gesamtklang sogar zuträglich ist, denn ein paar tiefe Toms können hier weit mehr ausrichten als dauerhaftes Gedresche.
Drei Minuten vor Schluss geht’s dann nochmal richtig ab, und auch die Schießbude darf wieder mitmachen – langsam steigert sich das Epos so zum finalen Blastbeat, bis ein minmalistisches Gitarrenstück übernimmt.
Diese Stimmung nimmt „Ghosts Of The Midwinter Fires“ gekonnt auf und zeigt wieder eine neue Facette des Portlander Quartetts, es mutet fast schon rockig an, wenn im Viervierteltakt vergnügt vor sich hingeschrammelt wird und John Haughm’s Raspelstimme gut verständlich darüber liegt.
Natürlich bleibt das nicht so, und gelegentliche Technikübungen wechseln sich hier mit dem Eingangsmotiv ab, was dem Ganzen eine schöne Spannungskurve gibt, die nie wirklich abflaut.
„Das Beste zum Schluss“ trifft hier durchaus zu, denn was Agalloch im 10-minütigen „To Drown“ alles anstellen, ohne das John auch nur einmal singt oder Aesop sich großartig beteiligt, das ist eine Meisterleistung der Klangmalerei. Die Streicher haben hierbei natürlich einen wesentlichen Anteil, aber auch das rauschende Meer vermitteln eine lebhafte Vorstellung vom Ertrinken und schlagen jeden halbgaren Soundtrack um Längen.
Fazit:
Wie man’s von Agalloch gewohnt ist, dauert’s ein Weilchen bis mal wieder was Neues von ihnen im Plattenregal steht. Aber wenn es jedes Mal so eine Granate wie Marrow Of The Spirit ist, dann wartet man doch gern!
Für Freunde von atmophärischem und folkoristisch angehauchtem Metal eine quellwasserklare Empfehlung!
Tracklist:
1. They Escaped the Weight of Darkness
2. Into the Painted Grey
3. The Watcher’s Monolith
4. Black Lake Niðstång
5. Ghosts of the Midwinter Fires
6. To Drown
Erscheinungstermin:
Bereits erschienen (3. Dezember 2010)
Anspieltipps:
Das Gesamtwerk hören!
Links:
http://www.myspace.com/agalloch