So außergewöhnlich der an die Band Ebonylake angelehnte Name „An Autumn for crippled Children“ auch klingen mag, so undurchsichtig und kurz angebunden gab sich das holländische Trio mit den simplen Pseudonymen auf ihrem, im letzten Jahr erschienenen, Debüt-Album „Lost.“ Der Nachfolger „Everything“ war trotz fleißigem Touren schnell eingespielt ohne dabei irgendwas vom verstörend düsteren Charme des Erstlings einzubüßen. Lest also im Folgenden vom zweiten musikalischen Kapitel der Niederländer irgendwo zwischen Black/ Doom Metal, Post-Rock und purer Melancholie.
Dabei weiß die Band laut eigener Interview-Aussage nicht einmal was „Post-Rock“ überhaupt bedeuten soll. Ihr einziges Anliegen sei es „gute Musik“ zu machen, die spürbar im Black Metal verwurzelt ist. Betrachtet man „Everything“ aus diesem Blickwinkel dürfte man eher weniger glücklich mit der vorliegenden Scheibe werden, denn der Einfluss des ihnen unbekannten Genres ist eigentlich allgegenwärtig. Soweit nichts neues – schon „Lost“ war meiner Ansicht nach eher ein Album das Freunden depressiver Rockmusik zusagen dürfte. Jedoch haben rauschender Gitarrenmatsch und eine stark verzerrte Stimme damals schon ihre Zugehörigkeit zur
DSBM-Welt markiert. Dieses mal ist vieles anders, obwohl sich hinter TXT, CXC und MXM gewiss keine ungeübten Musiker verbergen scheint man in der kurzen Zeit deutlich gewachsen zu sein. So legt „Everything“ wesentlich mehr Wert auf klare Melodien und Abwechslung in den Stücken. Bei „Lost“ wäre mein einziger Makel gewesen, dass das Album zu fließend unbemerkt ineinander übergeht und an der Hörmotivation zerrt – dieses Problem wurde ausgemergelt. Alle Stücke sind spürbar Keyboard-lastiger als man es gewohnt war, wodurch verwaschene Gitarren in den Hintergrund geraten und deutlichere Hamonien hervorgehoben werden. Der Gesang ist nach wie vor bis zur Unkenntlichkeit verzerrt und lässt nur selten Textzeilen erahnen. Aber – dieses mal fesselt man den Hörer mit kurzen Sprechpassagen und sogar mit sehr weichem und bemerkenswert guten Klargesang („I am the Veil“ & „Rain“).
Die restlichen Instrumente gehen ebenfalls nicht unter, was für depressiven Black Metal ja nicht unbedingt alltäglich ist. So finden sich neben den schon erwähnten Neuerungen auch wieder klare Bassläufe in Songs wie „We all Fall“ und auch das ein oder andere schöne Post-Rock Riff das die Distanz zum frühen Black Metal, den die Band eigentlich anzustreben scheint noch vergrößert. Das ganze oft schleppend doomig mit nur wenigen ausbrüchen in schnellere Gefilde. Wie so oft bei dieser Musik (und wie auch schon bei „Lost“) braucht auch „Everything“ mehr als einen Anlauf um das ganze Ausmaß an Facettenreichtum wahrnehmen zu können, den uns die Holländer hier bieten. Hat man sich dann aber erst einmal reinehört macht man als Anhänger von Bands wie etwa „Woods of Desolation“ und auch Shoegazehybriden nicht all zu viel verkehrt.
Fazit: „Everything“ ist nicht unbedingt der logische Nachfolger seines Vorgängers. Man hört schon eine deutliche Entwicklung im Songwriting der Holländer heraus, und das bei gerade mal einem Jahr das ins Land gegangen ist. Viele neue Ideen haben einzug gefunden und hiefen An Autumn for crippled Children damit aus dem gehobenen Mittelmaß. Ihr neuestes Werk ist für mich noch eine ganze Ecke besser, melodischer und ausgereifter als der Erstling und ich denke mal selbst Leute die „Lost“ in den Himmel hoch gefeiert haben werden mit diesem Album keine Ernüchterung erfahren.
Titelliste von „Everything“
- Forever Never Fails
- Formlessness
- Absence of Contrast
- We all Fall
- Nothing/ Everything
- Her Dress as a Poem, Her Death as the Night
- I am the Veil
- Cold Spring
- Rain
Anspieltips:
> We all Fall
> I am the Veil
Erscheinungstermin:
01.09.2011
http://www.myspace.com/crippledchildren2009