Iiiih, Pop der eingängigsten Sorte! Tanzbar und kommerziell auch noch, wie können sie nur, das ist Verrat an der Szene! Wer beim Namen Blutengel an sowas denkt, der braucht gar nicht mehr weiterzulesen, denn das jetzt folgende Review ist zu Pro-Pohl, als dass es noch szenekonform ist, ich Kommerzschwuchtel und Verräter. Denn die generelle Kritik an Blutengel, dass es viel zu glatt ist, habe ich nie verstanden. Eine Szene, die The Cure oder Depeche Mode, die mit eingängigem, tanzbaren Zeug und ohrwürmeligen Melodien verdammt erfolgreich sind, zu ihren Ikonen gewählt hat, sollte sich über Blutengel nicht beschweren. Auch wenn dieser Vergleich etwas abstrus erscheint, er passt: Denn gegen guten, düsteren Pop ist für einen Menschen, der nicht auf Genres oder gar „Trueness“ fixiert ist, nix einzuwenden.
Denn genau das bieten Blutengel: Einfach gutes Zeug, dem man wunderbar zuhören kann. Eingängig, tanzbar und von 3 markanten Stimmen vorgetragen, denn Constanze Rudert, Ulrike Goldmann und eben Chris Pohl sind absolute Könner ihres Faches, dem Singen. Und eben auch im Schreiben eingängiger, wirklich guter Melodien mit niedrigem Nervfaktor und dem Programmieren tanzbarer Beats. Eigentlich auch überflüssig zu erwähnen, dass die Band immer noch 100 % nach sich selbst klingt, allerdings scheint es so, als würde die Band sich stilistisch wieder ein wenig in Richtung des noch recht industriallastigen Erstling „Child of Glass“ zurückentwickeln. Andererseits wurde der Kurs des Vorgängers „Labyrinth“ ein wenig weiter fortgeführt. Am ehesten ließe sich das Album als eine Mischung der beiden Alben beschreiben.
Das Resultat dieses Stilsprungs ist ein im Vergleich zum Vorgänger sehr reduziertes Album, bei dem auf viele Effekte und Streicherpassagen verzichtet wurde; Ebenfalls fällt auf, dass Chris nun etwas mehr singt als Constanze (die im allgemeinen kaum zum Zuge kommt) und Ulli, die allerdings eine starke Leistung abliefert. Weg vom Bombast, eher hin zu reduzierter Tanzbarkeit. Wer sie Vorabsingle „Dancing in the Light“ gehört hat, kann sich darunter gut etwas vorstellen: Einige punktgenaue, tanzbare Beats mit einer relativ simplen, aber hocheffektiven Melodielinie. Textlich befindet man sich aber weiter auf üblichem Blutengel-Kurs, was der eine hassen, der andere aber um so mehr lieben kann. Und auf jeden Fall auch darf. Die, die damit etwas anfangen können (dass ich mit der Review so pervers spät dran bin, hat sein gutes: Platz 17 in den deutschen Charts sprechen eine deutliche Sprache), sollten besonders „Schneekönigin“ (Einfach nur schön), das sehr spartanische, aber sehr eingängige „Behind the Mirror“, eines der Highlights des Albums, dem erwähnten „Dancing in the Light“ und dem sehr herzzerreißenden „Broken Girl“ zusagen.
Fazit: Blutengel sind so Goth, sie bewegen sich mit diesem Album 3 Schritte vor und 3 zurück – und zwar gleichzeitig. Am Ehesten ließe sich das Album als eine Mischung aus dem Vorgänger „Labyrinth“, das die Poppigkeit fast bis an die Spitze trieb (die 3 Schritte vor) und dem Debüt „Child of Glass“, das noch sehr industrial- und generell Terminal Choice-lastig war (die 3 Schritte zurück), beschreiben. Songschreiberisch sind Blutengel ohnehin über jeden Zweifel erhaben, schließlich ist es eine Leistung, eingängige Melodien zu schreiben, die nicht nerven. Das gelingt Chris Pohl ganz mühelos, und natürlich hoffen wir schwulen Poserkinder, die noch nie etwas von echter Melancholie oder anständiger Musik etwas gehört haben, dass es weiterhin so bleibt. Ich freu mich auf die Konzerte. Von mir gibt es erst mal 9 1/2 verdiente Punkte.
Tracklist:
- Behind the Mirror
- Kind der Nacht
- City Lights
- My Nightmare
- Pure Life
- The Only One
- Dancing in the Light
- Schneekönigin
- My Darkest Nights
- The Dream
- Dreh dich nicht um
- Broken Girl
- Secret Places
- Schatten
- Nightfall
Highlights:
– Schneekönigin
– Dancing in the Light
– Broken Girl
– Behind the Mirror
Veröffentlichungsdatum: Bereits erschienen
www.blutengel.de / www.myspace.com/officialblutengel