Seit circa zwei Jahren findet in dem Szeneladen „Shadow“ in Leverkusen das „Branle – Tanzen wie im Mittelalter“ statt, ein Tanzkurs, der die bäuerlichen Reigentänze des frühen Mittelalters beizubringen sucht.
„Branle“, das sind einfache, bäuerliche Reigentänze, von denen die höfischen Tänze viel übernommen haben. Sie stammen aus einer Zeit, in denen musikalisch hauptsächlich Tonlagen möglich waren, von Noten war man noch weit entfernt. Im Kurs werden verschiedene Tänze getanzt, unter anderem der Branle des Sabots, die Shiarazula, der allseits bekannte Tourdion, Chapelle Louise, und ein Playford, der Hole in the Wall, ein höfischer und somit ruhigerer Tanz. Hinzu kommt der HeyHaHo, eine Eigenkreation, der als Einstimmung zu der anschließenden Mittelalterparty im Shadow dient und bei dem alle im Reigen tanzen und bei den hereingerufenen Befehlen „Hey“, „Ha“ und „Ho“ die Tanzrichtung ändern, sich im Kreis drehen und andere Bewegungen einbinden, die mit jedem Becher Met schwieriger werden und der nicht selten in dezentem Chaos endet..
Das alles entstand also vor gut zwei Jahren als Schnapsidee in eben jenem Laden, als Dagmar und Normann, die zusammen das Duo Branle Noir bilden, sich darüber unterhielten, dass es hierzulande viel zu wenig Tanzangebote für diesen speziellen Bereich gibt. Und bei den bestehenden Angeboten handelt es sich meistens um eingefleischte LARP-Gruppen, die die Tänze nicht nur bereits zu großen Teilen beherrschen, sondern auch im perfekten Outfit erscheinen. Das schreckt natürlich ab, wenn man das Ganze nur einmal ausprobieren möchte, so einfach aus Spaß, ohne das Gefühl von Unangepasstheit oder Verpflichtung. Deswegen findet der Kurs auch immer kostenlos statt, jeden Monat ohne Anmeldung, offen für alle, die Lust und Interesse haben. Das ist natürlich nur möglich, weil das Shadow die Räumlichkeiten ebenfalls kostenlos zur Verfügung stellt, neue Ideen und Plattformen, die ins Konzept passen, unterstützt und verbreitet. Die Idee dazu haben die beiden aus Holland bekommen.
Tanzen in der Gruppe schafft Raum zum Fehlermachen, das ist den beiden sehr wichtig. Deswegen bezeichnen sich Dagmar und Normann auch nicht selbst als die Tanzmeister, sondern sehen sich viel eher als fahrende Tanzleute, wobei immerhin Dagmar berufliche Tänzerin ist.
Gerade weil man im Alltag immer mehr auf Perfektion und Hochleistung getrimmt wird und wir in stetig wachsendem Konkurrenzdenken großwerden, will der Kurs dem allen entgegenwirken. Das ständige Vergleichen, sei es im Schulsport, oder bei den Castinghows im Fernsehen, zerstört den Tanz in seiner ursprünglichsten Form. Damit sind wir auch bei der Philosophie des Kurses angelangt: „Tanzen gehört jedem.“ Es soll Spaß machen, man möchte ein Gefühl von Gemeinschaft vermitteln, Freude und natürlich auch ein Stück Kultur. Tanzen fördert die Sinne, die Orientierung im Raum, das Gehör, Erinnerungsvermögen und vermittelt ein Gefühl für Nähe und Distanz zum Partner oder der Gruppe, dienlich dem sozialen Miteinander und der Kommunikation.
Fotos von Normann Thielen