In unserer Reihe Dark Solitary stellen wir euch immer wieder Musiker und Menschen rund um das Musikgeschehen vor, die hinter oder vor den Kulissen der Szene tätig sind. Unter großen Vorsichtsmaßnahmen hat Nihil nun ein Interview mit dem Vampir geführt, der als Ben Blutzukker seit Jahren mit etlichen Projekten auf der Jagd nach digitalem und analogem Blut ist.
Ben, du kannst es sicher nicht mehr hören (oder lesen), doch die obligatorische Frage werden wir nicht umgehen können: Was hat es mit dem „Blutzukker“ (ausgesprochen wie Bloodsucker) in dem Nachnamen deines Pseudonyms auf sich?
Ben: Blutzukker ist der Name meines Dark Electro Projekts. Benannt wurde die Band nach einem unveröffentlichten Song der Black Metal Band Notre Dame, die sich ebenfalls mit dem Vampir-Image geschmückt hat. Und als ich damals den Songnamen mit seiner eigenständigen Schreibweise lass, fand ich ihn für mein Bandprojekt einfach perfekt. Und irgendwann, als es unschick wurde auf StudiVZ seinen echten Namen zu verwenden habe ich begonnen den Namen meiner Band mit meinem Vornamen zu meinem Künstlernamen zu verbinden. Seither heiße ich Ben Blutzukker.
Rollen wir das ganze doch mal halbwegs chronologisch auf: Soweit ich es noch richtig auf dem Schirm habe, warst du zuvor zwischen 1998 und 2004 Bassist bei den Krefelder Heavy Metal Bands TeufelSkreis und Jormundgard. 2004 hast du als Komponist und Sänger deine gleichnamige „Dark Electro“ Band gestartet. Wie sind die ehemaligen Bandmitglieder eigentlich auf deinen „abrupten“ musikalischen Kurswechsel klargekommen? Von Manowar auf Synthesizer umzusteigen gilt bei Metallern ja meist als Hochverrat…
Ben: Wobei es natürlich auch viel Metal mit Keyboards gibt! *zwinker* Aber mein Wandel ist gar nicht mehr so überraschend, wenn man weiß, dass meine ersten musikalischen Experimente bereits 1995 begonnen haben. Und zwar mit der Mutter aller Tracker-Programme, dem Fast Trackker II. Damit haben wir den damals aktuellen Musiktrend nachahmen wollen. Und das war nun mal der Techno. Daher kamen bei mir die elektronischen Gehversuche sogar vor der Metaller-Zeit. Aber meinen Umstieg vom Metal zum Dark Electro fanden damals nicht alle gut, nein.
Wie hat es sich angefühlt Musik zu machen, nachdem Verzerrer und Amp abgeschaltet wurden? Saßt du vor dem Monitor und hast auf das sprichwörtlich leere Blatt eines Sequencerprogramms geschaut? Obwohl… so schwer scheint dir der Umstieg nicht gefallen zu sein, denn schon 2004 wurde das Debüt Sucking Blood Is True Addiction veröffentlich.
Ben: Das lag mit an den vorrangegangen Experimenten mit dem FT2. Bereits während der Zeit mit Jormundgard habe ich damit Songs komponiert, die aber wegen der Soundqualität nicht veröffentlichbar waren, denn ein Equalizer war im FT2 nicht integriert. Daher handelt es sich beim Debütalbum auch um ein Remixalbum. Die Remixer haben meine Demotracks aus der FT2 Zeit in einen hörbaren Sound gebracht.
Im Gegensatz zu den gängigen Images anderer Horroraffinen Bands, wurde das Vampir-Thema bei blutzukker nicht todernst, sondern konsequent humoristisch, fast schon comicartig verwendet. Bei Auftritten hast du mit deiner Live-Band auch das dem Blut zumindest optisch ähnliche Erdbeer-Limes getrunken und beim letzten Album The Vampire Strikes Back (2012) prägte gar ein lustiger Vampirsmiley als Motiv die ganze dazugehörige Merchandiseserie. Kannst du dir Vampire in Filmen oder Serien auch ernsthaft reinziehen, oder belustigen sie dich eigentlich nur?
Ben: Also für die meisten Vampirfilme braucht man Humor, sonst kann man sich das gar nicht alles anschauen. Eine Zeit lang habe ich versucht mir wirklich alle Vampirfilme anzuschauen, die ich finden konnte. Da war auch viel Schlechtes dabei. Zuletzt habe ich mir 5 Zimmer, Küche, Sarg angeschaut. Der war erstaunlich gut. Aber der Film nimmt sich ebenfalls nicht ernst.
Mit dem Musikvideo zu Fright Club, in dem die Band als animierte Lego-Figuren
zur Geisterstunde zu sehen ist, hast du das Thema nochmal unterhaltsam auf die Schippe genommen. Wer ist eigentlich für die Stop-Motion Animation verantwortlich gewesen?
Ben: Das waren die A&M Studios aus Österreich.
In der aktiven Zeit von blutzukker haben ua. auch Sängerinnen wie PaleViolett mit dir Live auf der Bühne performt. Welcher Gig ist dir am besten in Erinnerung geblieben?
Ben: Groningen in den Niederlanden. Da war die Gesamtstimmung der Truppe und auch der Konzertgäste am besten.
Als ob du nicht schon zu genüge beschäftigt warst, hast du neben der eigenen Band und zahlreichen Remixen für ua. Blind Passenger, ASP und reADJUST in Eigenregie 2009 dein Independent-Label namens Bensch Audio aufgezogen. Wo kam der Impuls dafür her und was war die Philosophie hinter diesem Ein-Mann-Label?
Ben: Nachdem ich die ersten drei blutzukker-Releases auf Bensch Audio erneut veröffentlicht habe, folgen zwei Alben von PaPerCuts, eine EP von My Consequence im Duett mit blutzukker, ein Album von statiCViolence und zum Abschluss dann der Label-Sampler. Macht insgesamt 8 Veröffentlichungen.
Knapp zwei Jahre später wurde 2011 Bensch Audio geschlossen. Auf deiner Homepage findet sich dazu dein Kommentar „aber sowas braucht heute ja niemand mehr.“ Was machen denn all die Bands nur falsch, die seit Jahren an den (digitalen) Labelpforten um Einlass betteln?
Ben: Man kann das wohl als eine gewisse Trotzreaktion meinerseits verstehen. Ich hatte schon mehrere Angebote von Plattenfirmen, bei denen ich meine blutzukker-Releases hätte machen können. Aber das Geld für die Produktions- und Werbekosten sollte ich dann bitte auch mitbringen. Da fehlte für mich das Verständnis warum ich dann dieses Label überhaupt brauche. Das fehlt mir auch nach wie vor. Daher mache ich meine Releases auch heute noch ganz DIY. Damit deine Songs heutzutage bei iTunes und Spotify verfügbar sind brauchst du kein etabliertes Label, das geht auch über einen Digitalvertrieb für eine kleine Gebühr. Und auch Szene-Mailorder wie POPoNAUT oder InfraRot nehmen deine Platten gerne mit ins Programm, wenn man dort nett nachfragt.
In der Retrospektive: was war(en) der/die Höhepunkte deiner Labelarbeit?
Ben: Ganz klar das Label-Festival mit dem dazugehörigen Sampler.
Was ist stand jetzt deine Meinung zu den so oft kritisierten Diensten wie ITunes und Spotify?
Ben: Ich bin da kein Gegner. Der Musiker in mir ist froh und glücklich, wenn er gehört wird. Da ist es mir egal, ob ich daran viel, wenig oder gar nichts verdiene. Mir gehen eher die lamentierenden Musiker auf den Keks, die sich manchmal hinstellen und so tun, als habe man an Anrecht darauf von Kunst leben zu können, nur weil man welche macht.
Laut der Biografie auf deiner Homepage, warst du immer wieder als Statist in Horrorfilmen (bsp. Necronos Tower of Doom), Synchronsprecher (bsp. (K)night Times ), Soundtrack-Lieferant (bsp. Pax Aeterna), Fotomodell und zuletzt auch als Autor deines eigenen Ebooks namens Noir Désir aktiv. Alles „just for fun“ oder lässt du dir das gut honorieren?
Ben: Bisher ist alles nur für den persönlichen Spaß. Der steht bei meiner Auswahl für neue Projekte immer an erster Stelle. Für mich wäre es aber auch okay, wenn es irgendwann einmal lukrativ werden würde. Es ist halt nur nicht mein Antrieb die Sachen zu machen.
Wo hört für dich eigentlich Hobby auf und fängt Arbeit an? Immerhin hast du auch
immer wieder einzelne Songs oder ganze Alben in deinem Heimstudio für andere Musiker gemixt und gemastert.
Ben: Manchmal weiß ich das selbst nicht. Ich habe Phasen, da mische oder mastere ich gerne die Sachen von anderen und Phasen da habe ich dafür keinen Kopf und möchte mich nur mit meinen eigenen Sachen beschäftigen. Und auch Phasen, da kann ich mich gar nicht mit Musik befassen.
Meine übliche Schnüffelfrage an dieser Stelle: Heimstudio und Arbeitsplatz sind bei dir daheim penibel aufgeräumt und es liegt kein einziges Kabel sinnlos in der Gegend herum oder genau das Gegenteil?
Ben: Ich bin der Typ des ganz aufgeräumten Arbeitsplatzes. Und auf meinem Windows Desktop gibt es auch nur 4 Icons. Ich habe auch kein GAS (Gear Acquisition Syndrome). Ich kann Musikequipment guten Gewissens auch wieder verkaufen und bevorzuge es so wenig wie möglich an Tools zu haben.
Ich finde, Eigenlob stinkt nicht immer und daher diese Frage: Was ist eigentlich, rückblickend betrachtet, dein Lieblingsalbum oder dein Lieblingssong von blutzukker?
Ben: Ich habe gerade nachgeschaut um reinen Gewissens sagen zu können: ich weiß es nicht. Im Prinzip ist doch die letzte Platte, die man erarbeitet hat, die beste!
Weiter geht es demnächst im zweiten Teil des Interviews. Schaut solange in Ben´s Netzwerk auf Facebook und Twitter vorbei!
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