Dornenreich - Nachtreisen

Dornenreich – Nachtreisen (Review und Kritik)

Dornenreich - Nachtreisen

Den weitaus meisten Musikgruppen stellen sich zwei verschiedene musikalische Herausforderungen, die sich gegenseitig bedingen und die beide gleichermaßen gut gemeistert werden wollen. Als die scheinbar wichtigere ist hier zunächst einmal das Aufnehmen und Produzieren von stimmiger Musik in einem Tonstudio zu nennen. Dieser Aufgabe kommt eine große Bedeutung zu, denn letztlich ist es doch die auf den Studioalben zu hörende Musik, mit der das größte Publikum erreicht und die größte Popularität errungen wird. Nicht minder wichtig jedoch ist die Fähigkeit, diese Musik auch live angemessen und mitreißend präsentieren zu können. Diese sollte nicht vernachlässigt werden, liegen dort doch die Ursprünge der meisten Bands. Ohne eine gewisse lokale Popularität, die nun einmal erst live erspielt werden will, lohnt es sich schließlich nur für die wenigsten Künstler, die Kosten für ein Tonstudio auf sich zu nehmen.

Die Österreicher Dornenreich nun haben auf mittlerweile fünf Studioalben wohl zur Genüge bewiesen, dass sie im Studio mehr als ausreichend in der Lage sind, eindrucksvolle Musik zu produzieren. Haben sie aber auch die nötigen Fähigkeiten, diese Musik auf der Bühne ebenso eindrucksvoll zu reproduzieren? Als Antwort auf diese Frage hat die Gruppe um Sänger Evíga in diesem Jahr ihr Augenmerk eher weg vom Tonstudio auf ihre Live-Tätigkeiten gerichtet – einerseits durch das Bestreiten der Nachtreisen-Tour zusammen mit Fjoergyn und Ahab im Herbst, andererseits aber auch mit der Veröffentlichung eines gleichnamigen Live-Albums, welches sowohl als CD-Version als auch in Form einer DVD erhältlich ist. Die CD-Version dieses Werkes nun werden wir in der Folge einmal genauer unter die Lupe nehmen.


Die Wurzeln von Dornenreich liegen im Black Metal, im Verlauf ihrer Entwicklung hat sich die Band jedoch immer weiter akustischen Klängen zugewendet. Um diese beiden musikalischen Seiten angemessen wiedergeben zu können, besteht das Nachtreisen-Album aus zwei CDs, die zwei grundverschiedene Konzerte abbilden: Eines in Metal-Besetzung und ein akustisches.

Auf Disc 1 findet der Hörer daher zuerst die Aufnahme eines Metal-Konzertes, welches 2007 im Rahmen des Summer Breeze-Festivals stattfand. Unterstützt wurden Dornenreich hierbei von dem Tenor Thomas Helm und von Markus Stock am Bass, beides Musiker, die sich dank ihrer Band „Empyrium“ ebenfalls einer gewissen Bekanntheit erfreuen.

Evíga auf dem Summer Breeze 2007

Nach einem ruhigen Intro wird dieses Konzert durch das vom Album „Her von welken Nächten“ bekannte Stück „Trauerbrandung“ gleich sehr stürmisch begonnen. Sehr interessant war für mich, der ich Dornenreich live bisher noch nicht erleben durfte, hierbei die Frage, ob Sänger Evíga wohl auch live in der Lage ist, den markanten schrillen Gesang, der für dieses Album typisch ist, zumindest ansatzweise zu reproduzieren. Die Antwort darauf lautet leider: Nein, er ist es nicht. Genau genommen versucht er es auch gar nicht, sodass man hier ausschließlich ganz normalen Klar- und Schreigesang vorfindet. Im Laufe des Konzertes ist Evíga die Anstrengung, die so etwas nun einmal mit sich bringt, an der Stimme auch deutlich anzumerken. Auch wenn die gesangliche Leistung also nicht so souverän ausfällt wie erhofft, kann man nach einer gewissen Eingewöhnung aber dennoch daran Gefallen finden, denn es gelingt Evíga durchaus, die Emotionen der einzelnen Stücke in seinem Gesang ausreichend vermitteln.


Teilweise ebenfalls ein wenig gewöhnungsbedürftig ist der Gastsänger Thomas Helm, der die Gesangsparts des ehemaligen Sängers Valnes, der zum Zeitpunkt des Konzertes die Band bereits verlassen hatte, übernimmt. Während Valnes durch seinen dunklen, melancholischen Gesang seinen Parts oft eine gewisse beruhigende Note verliehen hatte, wirkt der opernhafte Tenorgesang Helms hin und wieder ein wenig zu überzogen.
Sehr positiv zu erwähnen hingegen ist das Spiel von Inve, dem Mann an der Violine. Diese ergänzt die einzelnen Lieder sehr gut durch angenehme Melodien, kommt aber teilweise vielleicht ein wenig zu dominant gegenüber der Gitarre daher.
Nach dem Opener jedenfalls folgen ausschließlich weitere Lieder aus dem Album „Her von welken Nächten“, bevor das Konzert durch eine zweite Darbietung von „Trauerbrandung“ sein Ende findet. Vielleicht hätte diesem Konzert das eine oder andere Lied aus dem Vorgängeralbum „Bitter ist’s dem Tod zu dienen“ ganz gut zu Gesicht gestanden – es hätte ja nicht unbedingt das zwischen den einzelnen Liedern vom Publikum immer wieder lautstark geforderte, aber überlange „Reime faucht der Märchensarg“ sein müssen.


Inve bei der Prophecy Concert Night 2006

Auf der zweiten Disc dann befindet sich der Mitschnitt eines akustischen Konzertes, welches 2007 im Leipziger Völkerschlachtdenkmal während des Wave Gotik Treffs abgehalten wurde. Die Trackliste gestaltet sich hier deutlich abwechslungsreicher; zwar sind hauptsächlich Songs vom – zum Zeitpunkt des Konzertes noch unveröffentlichten – Akustikalbum „In Luft geritzt“ zu vernehmen, aber auch „Hexenwind“ und „Her von welken Nächten“ sind mit je zwei Stücken vertreten. Die Lieder von „In Luft geritzt“ können sich hören lassen und stehen den Studioversionen in nichts nach – allerdings wird hier gänzlich auf Gesang verzichtet. Über den Grund hierfür kann man nur mutmaßen, da das Akustikalbum aber noch nicht veröffentlicht war, waren die Texte der Lieder eventuell einfach noch nicht komplett fertig.
Auch das akustische Lied „Mein Publikum – der Augenblick“ von „Her von welken Nächten“ weiß live voll zu überzeugen, „Innerwille ist mein Docht“ schafft es gar, die Studioversion zu übertreffen. Dies kann man von den beiden „Hexenwind“-Stücken „Der Hexe nächtlich’ Ritt“ und „Der Hexe flammend’ Blick“ jedoch leider nicht behaupten. Ohne die in den Studioversionen vorhandenen E-Gitarrenlinien im Hintergrund verlieren diese beiden Lieder ihre eigentlich sehr beruhigende Wirkung praktisch zur Gänze. Bei letzterem Lied jedoch verdienen die im Refrain ausgestoßenen markerschütternden Schreie Evígas eine sehr positive Erwähnung. Nur in der CD-Version des Albums ist am Schluss dieses Konzertes zudem ein bisher unveröffentlichter, ziemlich dramatisch wirkender Bonustrack zu hören.


Fazit:
In jedem Fall ist „Nachtreisen“ eine sehr authentische Darstellung der Live-Fähigkeiten Dornenreichs. Das heißt einerseits, dass eine gewisse Live-Stimmung definitiv vermittelt wird, andererseits aber auch, dass man insbesondere beim Metal-Konzert einige Schwächen, speziell was den Gesang angeht, in Kauf nehmen muss. Man merkt jedenfalls, dass das aufgenommene Material im Nachhinein nicht mehr großartig bearbeitet wurde. Es gelingt Dornenreich live zwar nicht immer, ihren Liedern zur Gänze gerecht zu werden, besonders der akustische Auftritt kann aber dennoch überzeugen. Liebhaber von Dornenreich werden einen Kauf daher wohl nicht bereuen.

Trackliste:
Disc 1:

  1. Intro
  2. Trauerbrandung
  3. Eigenwach
  4. Ich bin aus mir
  5. Wer hat Angst vor Einsamkeit?
  6. Grell und dunkel strömt das Leben
  7. Schwarz schaut tiefsten Lichterglanz
  8. Trauerbrandung (encore)

Disc 2:

  1. Intro
  2. Flügel in Fels
  3. Der Hexe nächtlich Ritt
  4. Aufbruch
  5. Innerwille ist mein Docht
  6. Meer
  7. Mein Publikum – der Augenblick
  8. Drang
  9. Der Hexe flammend‘ Blick
  10. Untitled Bonustrack


(7/10)

Anspieltipps:
-Trauerbrandung
-Schwarz schaut tiefsten Lichterglanz
-Innerwille ist mein Docht
-Mein Publikum – der Augenblick


Erscheinungsdatum: 25.9.2009

Dornenreich – Homepage
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