Edgar Allan Poe – Der Meister des Grauens: Teil 4: Der schwarze Kater

„Kaum war der Nachklang der Schläge in der Stille verhallt, als eine Stimme aus dem Innern des Grabes antwortete. Es war ein Geschrei, anfangs gebrochen und halb erstickt, wie das Schluchzen eines Kindes, ein Geschrei, das dann zu einem langen, anhaltenden Laut anschwoll, der übernatürlich und unmenschlich klang – einem Geheul, einem kreischenden Wehklagen, in dem sich Schreck und Frohlocken zu mischen schienen, wie es sich nur den Kehlen der Verdammten in ihren Qualen und der Brust triumphierender Teufel entringen kann.“
Der Erzähler in Der schwarze Kater begrüßt den Leser indem er versichert, für die Geschichte, die er nun in seiner „Verbrecherzelle“ aufschreiben und berichten möchte, keinen Glauben und kein Verständnis zu erwarten. Auch er misstraut seiner eigenen Wahrnehmung, obwohl er betont nicht verrückt zu sein und nicht geträumt zu haben. Doch er möchte in einem zusammenhängenden und kommentarlosen Bericht den „Sachverhalt der Zerstörung seiner Seele“ schildern, um sein Gewissen zu erleichtern. Denn am kommenden Tag muss er sterben.

Der Erzähler ist gleichzeitig der Protagonist der Geschichte. Er berichtet, dass er in seinen Jahren als Kind ein freundlicher und gelehriger Mensch gewesen ist. Besonders gerne hatte er Tiere.

Als er erwachsener Mann war, heiratete eine Frau, die ebenfalls wie er die Liebe zu Tieren teilte. Sie holte mehrere der unterschiedlichsten Arten in das gemeinsame Haus. Sie besaßen Vögel, Goldfische, einen Hund, mehrere Kaninchen, ein kleines Äffchen und einen schwarzen Kater namens Pluto.

Der Kater war sein Lieblingstier und Spielgefährte. Er beschreibt ihn als ein großes und schönes Tier und als besonders aufgeweckt und intelligent. Er allein fütterte ihn und auch der Kater war ihm besonders zugetan, weswegen er ihm auch überall hin folgte. Seine Frau, die nicht abergläubisch war, verwies jedoch des öfteren auf den alten Volksglauben, dass die schwärzesten Katzen verkleidete Hexen seien.

Mehrere Jahre vergingen und ihre Freundschaft überdauerte diese Zeit. Doch in dieser Zeit erfuhren der Charakter und das Wesen des Erzählers eine Wandlung zum Schlimmen, den er auf den Einfluss des „Alten Feindes Unmäßigkeit“ zurückführt. Er würde reizbarer, zorniger und rücksichtsloser gegenüber anderen Menschen und ihren Belangen. Er beschimpfte seine Frau und wurde nach einiger Zeit gewalttätig gegen sie. Auch seine Tiere wurden Zeuge dieses Sinneswandels. Nur für Pluto hatte er noch soviel Sympathie übrig, dass er ihn nicht so wie die anderen Tiere misshandelte. Doch die schlimmen Mächte des Alkohols überwältigen ihn und liessen nun auch den bereits alten Kater die Boshaftigkeit des Erzählers spüren.

Eines Nachts, in der der Erzähler betrunken aus einer Kneipe zurückkehrte, griff er nach dem Kater. Der Kater biss ihm in seine Hand und aus Zorn darüber verlor er jegliche Fassung. Er ergriff den Kater erneut und schnitt ihm ohne Zögern mit seinem Taschenmesser eines seiner Augen heraus. Der Erzähler berichtet dies mit großem Scham und tiefer Reue.

Zu dieser Zeit lies ihn das Schicksal des Katers größtenteils unberührt. Der Kater selbst erholte sich von dieser Verletzung und behielt eine schrecklich aussehende leere Augenhöhle zurück. Er floh sobald er seinem Peiniger begegnete. Er empfand ein geringes Maß an Betrübtheit über die Abneigung eines Tieres, das früher an ihm gehangen hatte. Doch diese Gefühl ging schnell in Gereiztheit über.

Schließlich ergriff der „Geist des Perversen“ von dem Wesen des Protagonisten Besitz. Er trieb ihn dazu, das Leid, dass er dem Kater zugefügt hatte, weiter auszureizen. Eines morgens legte er eine Schlinge um den Hals des Tieres und hing es an dem Ast eines Baumes auf. Er tat dies gerne und weinte trotzdem bitterliche Tränen dabei, weil er wusste, dass ihm dieses Tier nichts getan, sondern ihn geliebt hatte.

Einen Tag nach der furchtbaren Tat brannte das Haus des Ehepaares gänzlich ab. Der Erzähler versank in Verzweiflung. Er merkt für den Leser an, dass er nicht glaube, dass ein Zusammenhang zwischen dem Brand und der Tötung des Tieres besteht. Doch ereignete sich einen Tag nach dem Brand ein rätselhaftes Ereignis. Anwohner entdeckten an den restlichen Mauern ein Abbild einer Katze, die ein Schlinge um den Hals trug. Der Erzähler versuchte, mit furchtbaren Entsetzen, sich die Entstehung dieses Bildes logisch zu erklären. Doch das Bild hinterließ einen tiefen Eindruck bei ihm. In den Spelunken und der Umgebung versuchte er eine Katze zu finden, die der getöteten ähnelte, um sie zu ersetzen.

Eines Nachts sah er in einer Kneipe auf einem Fass sitzend einen großen schwarzen Kater, der Pluto bis auf eine Ausnahme glich: ein weißer Fleck, der beinahe die ganze Brust bedeckte.

Das Tier begleitete ihn freiwillig nach Hause. Während seine Frau das Tier von Beginn an liebte, fühlte der Erzähler sehr bald eine Abneigung dem Tier gegenüber. Die Liebe des Tieres ärgerte ihn und schlug bald in bitteren Hass um. Intensiviert wurde das Unbehagen dem Tier gegenüber durch die Entdeckung, dass der Kater ebenfalls wie Pluto nur ein Auge besaß. Je mehr der Protagonist den Kater ablehnte und missachtete, desto mehr brachte der Kater seine Liebe zum Ausdruck. Bald schon fürchtete sich der Erzähler vor dem Kater, der Pluto glich und ihn überall hin verfolgte. Besonders wegen dem weißen Fleck ohne feste Konturen, der nun jedoch eine erschreckend deutliche Form angenommen hatte: die Form eines Galgens. Ein „Sinnbild der Todesangst des Verbrechers“.

In den schlaflosen Nächten, die auf diese Erkenntnis folgten, wich der letzte „Rest des Guten“ aus  dem Erzähler. Dafür überkam ihn tiefer Hass, der sich gegen alles lebendige richtete.

Eines Tages, als er und seine Frau auf dem Weg in den Kellerraum, den sie seit dem Verlust ihres Heims bewohnten, waren, sprang ihnen der Kater hinterher und brachte ihn fast zu Fall. Vor Wut griff er nach einer Axt und schlug damit nach dem Kater. Seine Frau griff jedoch nach seinem Arm und lenkte den Schlag von dem Kater ab. Rasend vor Zorn holte er erneut aus und schlug die Axt in den Schädel seiner Frau, die sofort tot auf den Boden fiel.

Er entschied sich den toten Körper im Keller hinter einer Wand einzumauern. Als er dies vollbracht hatte, hielt er nach dem Kater Ausschau, um auch ihn zu töten. Doch der Kater war nicht aufzufinden.

Tage später war von dem Kater immer noch nichts zu sehen. Der Protagonist fühlte sich nun endlich wieder befreit und glücklich. Auch der Mord an seiner Frau belastete ihn nicht.

Vier Tage nach dem Mord kam eine Polizeiabordnung und nahm eine genaue Hausdurchsuchung vor, wie sie bereits Tage zuvor vorgenommen wurde. Doch auch diesmal fanden sie nichts. Aus Freude vor den bereits gehenden Polizisten schlug der Protagonist mit einem Stock gegen die Mauer, hinter der sich der Leichnam befand. In diesem Moment scholl ein erst leichter, erstickter, dann ein immer lauter werdender Schrei aus dem steinernen Grab.

Die Männer der Polizei traten zur Mauer und entfernten die Mauersteine. In der Öffnung befand sich der bereits verwesende Leichnam der Frau. Auf ihrem Kopf saß der schwarze Kater, der aus voller Brust schrie und somit das Versteck der Toten verriet. Der Erzähler hatte ihn in das Grab mit eingemauert.

Zum zweiten Teil: Die Interpretationen

Bilderquelle: Edgar Allan Poe – Unheimliche und fantastische Geschichten

Illustrationen: Gris Grimly

About Poes Rabe

Was schreibt denn da als Redakteurin für Dark News über Literatur, elektronische Musik und Konzerte? Es handelt sich dabei um Poes Rabe, der, anders als erwartet, weiblich, hellhäutig und mit rotem Hauptgefieder gekrönt ist. Namentlich ist dieses Exemplar als Saskia Schäfer bekannt. Das 1990 geborene Rabentier ist Studentin an der Philipps-Universität in Marburg und besucht ebenfalls die Deutsche POP Akademie in Frankfurt am Main.

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