Nun sind einige Wochen ins Land gegangen und ihr musstet lange auf eine Fortsetzung der Edgar Allan Poe – Reihe warten. Aber nun soll dies ein Ende haben.
Wie ich bereits erwähnt habe, prägte Poe durch seiner Werke die literarischen Genres der Kriminalliteratur, der Science Fiction und der Horrors. In den kommenden Wochen werden immer zwei zusammengehörende Artikel erscheinen, in denen ich euch unterschiedliche Geschichten von dem Meister des Grotesken vorstellen und auch einige Interpretationsansätze nahelegen möchte.
Dumpfe Schläge, die von weit her hallen und immer lauter werden. Doch niemand hört das Donnern. Nur der Protagonist der Geschichte. Ganz allein. Inmitten von Polizisten. Das dröhnende Klopfen? Es ist das Herz des alten Mannes, den der Protagonist getötet hat.
Wir als Leser werden durch die Hauptfigur, die auch der Erzähler ist, in die Geschichte „Das verräterische Herz“ eingeführt. Er vergewissert uns, dass, auch wenn sich die Geschichte seltsam anhören mag, er nicht verrückt sei.
Und so berichtet er uns von seiner schrecklichen Tat: dem Mord an dem alten Mann, in dessen Haus er lebt. Gegen den Mann, so sagt er, habe er nichts Böses empfunden. Nur sein Auge, das durch ein darüber liegendes feines blaues Häutchen wie ein „Geierauge“ aussieht, habe ihn ständig beobachtet und tyrannisiert. Also beschließt er, den alten Mann im Schlaf zu töten.
Sieben Nächte lang, immer um Mitternacht, öffnet er die Schlafzimmertür des alten Mannes und leuchtet mit einer Laterne, die von allen Seiten abgeklebt ist und durch die nur ein schmaler Lichtstrahl fällt, auf das „Geierauge“.
Durch ein Kichern unseres Erzählers schreckt der Alte aus dem Schlaf hoch, ohne zu wissen was geschehen ist. Er empfindet Todesangst. Sein Herzschlag lässt den Erzähler nervös werden und stachelt ihn weiter an. Plötzlich springt er auf den alten Mann, angeheizt von dem Schlagen des Herzens, und erstickt ihn unter der schweren Federdecke. Das Herz schlägt nicht mehr. Glücklich über seine vollbrachte Tat versteckt er den Leichnam unter den Dielen des Schlafzimmers.
Doch aufgrund des Schreis des alten Mannes vermuteten die Bewohner der Nachbarschaft, dass ein Verbrechen geschehen sein muss und alarmieren die Polizeiwächter.
Sicher, keine Spuren hinterlassen zu haben, führt der Erzähler die Polizisten durch alle Räumlichkeiten, bis er sie schließlich in das Zimmer des alten Mannes bringt. Er bietet ihnen sogar Stühle an, die er zufrieden auf den Dielen platziert, unter denen sich der Tote befindet. Er erklärt den Männern, der alte Mann sei nicht da, da er aufs Land gefahren sei.
Nachdem sich die Polizisten sicher sind, dass alles in Ordnung ist, setzen sie sich auf die bereitgestellten Stühle, beginnen sich angeregt zu unterhalten und sogar zu lachen.
Doch plötzlich hört unser Erzähler ein Klopfen. Erst leise, doch es wird immer lauter. In ihm wächst die Angst, dass die Polizeimänner das immer lauter werdende Klopfen ebenfalls hören könnten. Es wird zu einem Donnern. Er geht hektisch durch das Zimmer und hofft, die Polizeimänner würden doch endlich gehen. Seine Gedanken überschlagen sich, bis er unter diesem Druck sein schreckliches Geheimnis lüftet:
„,Ich konnte ihr heuchlerisches Lächeln nicht länger ertragen. Ich fühlte, daß ich schreien müsse -oder sterben! – Und nun – horch – wieder – lauter! lauter!! lauter!!! lauter!!!! –
Schurken!‘ schrie ich heraus. ,Verstellt euch nicht länger! Ich gestehe die Tat! Reißt die Dielen auf! Hier! Hier! Es ist das grauenhafte Klopfen seines Herzens!‘“
Bild: Harry Clarke, ca. 1919
veröffentlicht in: Edgar Allan Poe’s Tales of Mystery and Imagination, 1919.