Cover: Kalt Wie Dein Herz

Grimm – Kalt Wie Dein Herz (Review und Kritik)

Cover: Kalt Wie Dein Herz
Cover: Kalt Wie Dein Herz

Vier Jahre nachdem Jan Sörensen und Andreas Hellmanzik die Combo „Grimm“ ins Leben gerufen haben, ist endlich das Debütalbum als Download und als Pressung von Danse Macabre erhältlich. Nach der „Konsumier Mich EP“, die lediglich als Download erhältlich war, können Freunde und Fans der beiden Hamburger Musiker mit „Kalt Wie Dein Herz“ die Sammlung aufstocken.

Entgegen der leider weit verbreiteten Meinung, „Grimm“ wäre nur ein weiterer Rammstein-Abklatsch, zeigt sich das Debütalbum von einer vielfältigen und trotz gewisser Ähnlichkeiten individuellen Seite. Ich kenne weder eine Nummer von Rammstein, in denen sich die Musiker um Till Lindemann eines EBM-Beats bedienen, noch einen Song von Eisbrecher, der über ein solch breites Band der Instrumentierung verfügt. Eingestehen muss man allerdings, dass die Vocals von Jan in mehreren Titel an Lindemann erinnern. Daraus eine Absicht zu erkennen ist wohl eher an den Haaren hergezogen.
Hält man sich an die Fakten, die auf der in edlem  schwarz belabelten Platte zu finden sind, so kommt man auch in Zweifel über den Bezug zur „Neuen Deutschen Härte“. Zweifelsohne bestimmen die Gitarren maßgeblich den Gesamteindruck, doch bleibt die Musik der Hamburger Musiker in den Welten elektronischer Musik beheimatet.

Um dann nun doch das Album zu rezensieren, möchte ich zunächst einen Blick auf die Playlist werfen, auf der uns neben bekannten Tracks wie „Schön“, „Tanzen“, „Tiefer“ und natürlich „Konsumier mich“ auch viel Neues neugierig macht. Hilfreich zum Verstehen der Texte ist das Booklet des Albums, in dem alle 11 Songtexte abgedruckt sind. Eine Ausnahme bildet nur der Hiddentrack.

Andreas Hellmanzik, Jan Sörensen
Andreas Hellmanzik, Jan Sörensen

Eingelegt in den Player, erschallt zunächst „Konsumier Mich„, der mitreißend-treibende Song, den man auf der Download-EP in zwei Remixen findet. Wer bei diesem Song nur Konsumkritik als Thema findet, sollte doch noch einmal genauer hinhören. Dekadenz, manipulierende Medien, Kriegsgeschehen und das tägliche Leiden, dessen man sich kaum Bewusst ist stehen hier auf dem Programm. Nicht zuletzt, da 2005 – als Jan den Songtext schrieb – George W. Bush’s Irak-Krieg noch das Fernsehprogramm dominierte.
„Parasit“ ist eine der bis dato unbekannten Nummern der Combo, in der Carina de Jesus mit ihrer angenehmen Stimme die Intension des Textes verstärkt. Thema ist hier die gespaltene Gesellschaft, bestehend aus denen, die jeden Tag auf ihre Weise um eine Zukunft kämpfen, und denjenigen, die diese Träume ausnutzen. Vereinfacht könnte man behaupten, der Song würde von denen handeln, die das Kapital erwirtschaften, und der Skrupellosigkeit derer, die es für sich beanspruchen. Musikalisch stehen die Gitarren neben Carina und Jan im Mittelpunkt.
In dem Song „Feurio!“ geht es um den Einfluss der Kirche, der hier Täuschung und Fehlleitung vorgeworfen wird. Auf elektronischem Grund kommen wiederum intensive Gitarrenriffs zum Einsatz.
„Tanzen“ steht häufig als Synonym für „mit jmd. oder etw. spielen“, so auch in dem gleichnamigen Song von Grimm. Auffallend ist hier das Klavier, dass immer wieder durch Akkorde auffällt.
Die nächste Nummer auf der Schiebe heißt „Schön“. Es geht um zwischenmenschliches Verlangen, das hier auf fast literarische Weise umschrieben wird. Musikalische Extravaganz demonstrieren Grimm hier durch den gezielten Einsatz von Streichern.

„Ameisen“ klingt – lapidar ausgedrückt – wie ein präzises Uhrwerk, nur besser. Inhaltlich diskutiert Jan hier den Wert und die Bedeutung der Arbeit, der man tagtäglich nachgeht. Letzten Endes wird die Ausbeutung des einfachen Arbeiters angeprangert.
In der eher elektronischen Nummer namens „Prophet“ wird noch einmal das Thema Kirche, Glauben und der damit in Zusammenhang stehende Fanatismus aufgenommen. Mit einem Fünkchen Ironie wird der Glaube an Vergebung behandelt.

Andreas Hellmanzig, Jan Sörensen
Andreas Hellmanzig, Jan Sörensen

Entspannend ruhig, aber elektronisch ist der Song „Energie“, der schon fast etwas verträumt aus der Anlage purzelt. Das Ende beschreibend, dem alles (irdische?) entgegen geht, ist diese Stimmung auch mehr als angemessen. Carina De Jesus, die hier den kompletten Refrain singt unterstreicht auf herrliche Weise diese Stimmung, welche beim folgenden Song fortgesetzt wird. „Tiefer“ kennen wir als Teaser Edit schon von der „Konsumier Mich EP“, hier kommt nun die unveränderte Fassung.
Für einige wird „Zuckerkuss“ zu offensiv mit gewissen Tabuthemen umgehen, wen ndie Zeile „Wer Begattung will // Muss freundlich sein“ als deutlichster Hinweis auf die Thematik nur einmal vorkommt.
Etwas stilvoller geht es in „Liederjan“ zu, einem Song, in dem die Macht der Weiblichkeit auf uns Kerle eindrucksvoll verbildlicht wird. Hier arbeitet Andreas unter anderem Mit einem Orgel-Solo, was allein diesen Titel schon hörenswert macht. Der Song Liederjan ist als Download nicht einzeln erhältlich. Grund dafür ist die Überlänge, die durch den Hiddentrack „Gute Reise“ entstanden ist.

BassTierchen
BassTierchen

Fazit: Bevor’s jetzt wieder böse Stimmen gibt: Was singt Till Lindemann in „Liebe ist für alle da“? Richtig – das böse F-Wort… In einer Zeit, in der erotische Szenen ab 18 Uhr im Free-TV zu sehen ist dürfen wir uns darüber auch nicht mehr aufregen.
Darüber hinaus schaffen Grimm es, mit ihrer intensiven Komposition und den wohl durchdaten Texten ein Niveau zu vermitteln, das wahrscheinlich oberhalb des Gesellschaftsdurchschnitts liegt. Qualitativ kann man hier von einer gelungenen Produktion sprechen, die offensichtlich keinem Kommerzzweck huldigt. Für den Disco-Abend ist das Album nicht gemacht und als Hintergrundmusik völlig ungeeignet. Man sollte dem Werk  einen angemessen Tribut zollen, und es intensiv und konzentriert genießen.

Trackliste:

  1. Konsumier Mich
  2. Parasit
  3. Feurio!
  4. Tanzen
  5. Schön
  6. Ameisen
  7. Prophet
  8. Energie
  9. Tiefer
  10. Zuckerkuss
  11. Liederjan
  12. Gute Reise (Hiddentrack)

9/10
9/10

Anspieltips:

  • Parasit
  • Prophet
  • Energie
  • Liederjan

Erscheinungstermin: 02.11.2009 (Download), 06.11.2009 (Album)

grimmtunes.com

myspace.com/grimmtunes

About BassTierchen

Check Also

Rezension: Funker Vogt – Element 115

Was Wäre Wenn – Wenn die Menschheit einem Irrglauben erlegen ist und die Götter der …