Selten war das erste (und im Falle Helrunars einzige) Demo einer deutschen Black Metal Band gesuchter als es „Grátr“ jemals war. Die wohl mit 500 Einheiten viel zu niedrig angesetzte Anzahl der Kopien haben es jedenfalls geschafft bei bekannten Auktionshäusern Höchstpreise zu erzielen und so einen gewissen Legendenstatus um Helrunar zu ranken, der noch bis heute anhält. Einerseits darf man es sicher schätzen zu dem kleinen elitären Kreis der Besitzer des Original Albums zu gehören, andererseits sind die astronomischen Preise, die „Grátr“ erzielte ein Stich in das Herz jedes ehrlichen Fans, der von raffgierigen „Verkäufern“ ausgenommen wurde. Ein Rerelease des Albums war also wohl unverzichtbar, wenigstens, um dem Treiben auf Ebay und Konsorten ein Ende zu setzen.
Was aber bei aller Diskussion um den Wert eines Demos oftmals vergessen wird ist, dass „Grátr“ wirklich ein verdammt starkes Stück Black Metal ist und den herausragenden Ruf, den es besitzt, mehr als gerecht wird. Helrunar erschufen mit ihrem Debut Werk neun Stücke mit wesentlich stärkerer Atmosphäre und abwechslungsreicheren Ideen, als es so manch skandinavische Vertreter des Genres hinbekommen, und einem Konzept, welches den 08/15 Paganisten von Heute zeigt, dass eine tiefgehende, nahezu esoterische Beschäftigung mit den Symbolen, Riten und Geschichten der Ahnen nicht romantisiert und fast schon lächerlich sein muss, sondern auf dem Fundament eines tiefen Naturglaubens basieren kann. Hier wird nicht in blinder Odinverehrung Geschichte verklärt, sondern die Liebe zu nordischen Traditionen und zur unbändigen Schönheit der Natur gelebt, was man in jeder einzelnen Sekunde, welche „Grátr“ aus den Boxen schallt im Herzen fühlt.
„Der Fährtensucher“ bringt mit akustischen Gitarren und der markanten Erzählstimme Skald Draugirs den Hörer in die passende Stimmung, um mit „Raune mit der Tiefe“ die Marschrichtung der nächsten gut vierzig Minuten einzuläuten. Kein fröhliches Gedudel, sondern schneller, klirrend kalter Black Metal mit stellenweise rockigen Abschnitten lässt das Blut in den Adern gefrieren. Tiefe Männerchöre und cleane Gesangspassagen erzeugen eine sinistre, geheimnsivolle Atmosphäre. Die Gitarrenriffs sind dezent melodisch und erschaffen in Stücken wie „Ich bin die Leere“ oder „Seelenwinter“ dieses unheimlich erhabene Gefühl, wie es nur selten zum Vorschein tritt. Besonderen Wert wurde auf Abwechslung gelegt, perfekt gesetzte Breaks und immer wieder auftauchende stimmungsvolle Einschübe (Hornung) lockern „Grátr“ auf. Herrliche Leadgitarren-Linien wie beim Titelstück bereiten schiere Freude und lassen das Haupt kreisen.
Man kann kaum glauben, dass „Grátr“ das erste Lebenszeichen einer Band sein kann, denn ein absoluter Kracher wie „Das heilige Feuer“ klingt ungemein frisch und vor allem so kompakt, dass man annimmt, Helrunar würden schon seit ewigen Zeiten zusammenspielen. Der nicht allzu polierte Sound, welcher die ganze Kälte perfekt inszeniert, ist über allen Zweifeln erhaben, wenn man bedenkt, dass „Grátr“ zunächst als Demo gedacht war. Den letzten Feinschliff ergeben die anspruchsvollen teils deutschen, teils norwegischen Texte, welche das mythologische Konzept von „Grátr“ hervorragend untermauern.
Lupus Lounge lässt sich nicht lumpen und legt den ebenfalls schwer zu bekommenden Song „Hauch wird Sturm“ von der Split-EP mit Nachtmahr, die im Jahre 2005 erschien, auf einer zusätzlichen CD den ersten 3000 Einheiten des Rereleases bei und somit erhält „Grátr“ nach sechs Jahren seine mehr als würdige offizielle Label-Veröffentlichung.
Für ein absolutes Black Metal Meisterwerk wie „Grátr“ kann es nur eine Wertung geben. Das Album darf durchaus als eines der wichtigsten des deutschen Black Metals bezeichnet werden und steht auf einer Stufe mit Ausnahmebands wie Nagelfar, Lunar Aurora oder Nocte Obducta. Dass herrlicher und anspruchsvoller nordischer Black Metal nicht aus Norwegen kommen muss, beweisen Helrunar mit „Grátr“ eindrucksvoll.
Trackliste:
- Der Fährtensucher
- Raune mit der Tiefe
- Ich bin die Leere
- Seelenwinter
- Grátr
- Morket under Verden
- Hornung
- Das heilige Feuer
- Kvasirs Blut
Anspieltipps:
Raune mit der Tiefe, Das heilige Feuer, Seelenwinter
Erscheinungstermin:
02. Mai 2009
Lupus Lounge / Prophecy Productions