Apokalypse wann anders?

Interview mit Stephan Tüchter zum Album „Unbelehrbar“

Apokalypse wann anders?

Auf schwarze-news wurde kürzlich das Album „Unbelehrbar“ von Tüchters Letztes Gefecht rezensiert. Der Künstler selbst äußerte sich ausführlich zu den Fragen, die nach dem Review aufgekommen waren. Viel Spaß mit dem Interview!

Hallo Stephan, vielen Dank für das Interview. Ich möchte dir einige Fragen zum aktuellen Album „Unbelehrbar“ deines Projekts Tüchters Letztes Gefecht und allgemein stellen.

Wie schaffst du es, so viele Projekte (Moonlight Glimmer, Gathered For Hell, Faustregel, Apydia, TLG) aus dem Boden zu stampfen und charakteristischen Sound zu verleihen? Besteht da nicht die Gefahr, dass man sich irgendwann ins Schema F verrennt?


Naja, ich war 14 und war beeindruckt vom Death Metal der 90er Jahre, wie z.B. Entombed „Left Hand Path“, aber auch die melodischen Varianten wie At The Gates oder Dissection. Dadurch entstand „Moonlight Glimmer“, das ich im Alleingang aufgenommen habe. Irgendwie kamen dann immer mehr Leute zu mir wegen Aufnahmen bzw. Masterings ihrer Aufnahmen. Bei der Produktion des Demos von
„Absence of Mind“ lernte ich Steffen Kretschmar kennen und „Gathered for Hell“ waren geboren. Dann langweilte ich mich ehrlich gesagt und man sollte es als Künstler absolut vermeiden, Musik zu releasen, wenn man selber einfach
keine Motivation mehr hat.
Apydia war einfach der Beginn eines neuen Sounds für mich.
Da mir aber die Zeit fehlte, fand ich jemanden, der Lust hatte für „Apydia“ Texte zu schreiben.
Ihm gefiel der Bandname nicht und so war „Faustregel“ geboren.
Aber um’s auf den Punkt zu bringen:
Verschiedene Einflüsse ergeben verschiedene Projekte, dazu kommt die Arbeit in meinem Studio neben einem Fulltime-Job.
Oberste Priorität besitzen im Moment „Tuechters Letztes Gefecht“ und „Faustregel“, für den Rest habe ich im Moment keine Zeit.
Diese beiden Bands unterscheiden sich schon von einander, vor Allem da ich jetzt wahrscheinlich einen neuen Sänger für „Tuechters Letztes Gefecht“ gefunden habe, um auch live auftreten zu können.
Also haben beide Bands in Zukunft unterschiedliche Sänger und da verrennt man sich nicht wirklich. Man kann es ja gut vergleichen, da der Track „Die neue Macht“ auch auf „Faustregel“ zu finden ist.
Und die unterscheidet sich schon vom Stil her von „TLG“.

Bedienst du bei deiner Musik eher digitaler oder analoger Lösungen? Was macht für dich gerade die gewählte Methode aus?

Was „Mastering“ in meinem Studio angeht, verlasse ich nur noch selten die digitale Ebene. Tools wie die UAD 2 oder SSL Duende sind dermaßen leistungsstark geworden. Das Einzige, was bei mir noch analog ist, sind die Gitarrenaufnahmen. Die gehen über ein Focusrite Preamp über ein Shure SM57 in meine Wandler, plus ein Rode NT2A für den räumlichen Effektanteil.
Gitarren Plug – Ins kommen bei mir in einer Produktion nur bei cleanen Parts in Frage, aber auch da sind echt abmikrofonierte Amps um Längen besser.
Bei Synths benutze ich nichts analoges, da ich mit Plug – Ins gut zufrieden bin.
Bei „TLG“ bzw. „Unbelehrbar“ wurde alles mit dem Rechner erledigt und ich bin mit dem Sound ganz zufrieden.

Zum Album: Inwiefern steht das Cover-Artwork im Zusammenhang mit der Thematik des Albums?

Tüchters Letztes Gefecht - Unbelehrbar

Das Artwork sollte einen Kontrast bilden zwischen der gewünschten schönen Welt und der oft bitteren Realität.
Darum wirkt es von aussen eher erotisch angehaucht und von innen eher düster.
Es soll einen Überraschungseffekt erzielen
und vor Allem nicht nur schwarz sein, davon gibt’s genug.
Und ich finde es passt ganz gut zur Thematik:
Wenn es nach manchen Jugendlichen geht,
wäre das deren perfekte Vision von der Welt.
Eine hübsche erotische Roboterfrau, die nicht denkt und jeden Mist mit sich machen lässt. Wo Man(n) sich keine Mühe mehr in der Beziehung geben muss und man am besten einen Knopf drückt und die Frau macht was man will.
Währenddessen geht die Welt draussen vor die Hunde, durch Kriege und Gewaltverbrechen.

Die Texte von „Unbelehrbar“ sind sehr aktuell und kritisch. Woher nimmst du deine Inspiration dafür, bzw. informierst du dich nur über die Nachrichten, oder tauchst du auch schon tiefer in die jeweilige Materie ein?

In erster Linie ging es mir darum Texte zu verfassen, die zum einen auch mal zum Nachdenken anregen. Ich bin mit Sicherheit nicht der Typ, der mit erhobenen Zeigefinger durch die Welt läuft. Aber in Russland läuft derzeit „Gott hasst euch alle“ ziemlich gut in den Clubs, dank Nikita Solowjov, der seit 1997 mit mir in Kontakt steht, dort für meine Projekte Promotion macht und ein Forum betreibt.
Er war ziemlich überrascht, als er erfuhr worum es in dem Track geht. Daher versuche ich mich intensiv mit der Materie auseinanderzusetzen, um zu erfahren, wie Jugendliche überhaupt so werden können.
Die Gewaltbereitschaft, die Jugendliche mittlerweile auch hier in meiner
Heimatstadt Meppen an den Tag legen, verschlägt einem die Sprache.
Es werden Leute auf offener Strasse überfallen usw.
Das Einzige was dann der Stadt einfällt ist ein Alkoholverbot.
Ich meine, daran merkt man doch ganz deutlich das was nicht stimmt.
Als „Inspiration“ reicht eigentlich der Blick in die Tagezseitung, die ich in jeder Mittagspause bei der Arbeit lese.

Für den Fall Brunner und Dominik selbst verwendest du sehr starke Metaphern. Wie viel liegt dir persönlich an dem Fall und seiner Symbolträchtigkeit für die Menschen heute?

Es ist ja nicht so, dass es Gewalt von Jugendlichen oder allgemein nicht schon vorher gab. Und mir ist natürlich auch klar, dass dank der Gier der Medien nach immer spektakuläreren Stories, sowas sicherlich sehr aufgebauscht wird. Es ist einfach traurig, dass Menschen gaffen wenn etwas passiert, aber wenn solche Leute wie Dominik Brunner mit dem Leben bezahlen und dann immer noch gegafft wird, dann ist die Gesellschaft schon arg am Ende.
Aber man weiß durch solche Ereignisse umso mehr zu schätzen, wenn jemand einem hilft, ohne dass man ihn bitten muss.
Ich habe einen tollen Freundeskreis,eine tolle Frau, nette Arbeitskollegen, aber gerade deshalb beschäftigt mich das Thema.

Dein Pseudonym XxColDBlooDxX lässt auf Aktivitäten im E-Sport Bereich schließen. War dies der ausschlaggebende Grund für den Clantrack auf dem Album? Eigentlich passt er sich ja nicht wirklich in die Thematik, die zunehmende Gewalt in ALLEN Medien mal außen vor gelassen.

Tja eigentlich komme ich ja aus der Metalecke und hatte mit EBM oder ähnlichem nichts am Hut. Ein befreundeter Musiker drängte mich immer dazu, doch mal in seinem Clan mitzuzocken, und auch mein Kumpel ist Clanmitglied, also gesagt – getan.
Der Bursche hatte einen Clantrack produziert, der im Hip Hop Style war.
Da hab ich mir gedacht: Das kann ich auch! Der kam beim Clan gut an, mein Frau war begeistert und das Teil brauchte einen Namen, da es ja nicht wirklich zu dem passte was ich vorher gemacht habe. So war „Tüchters Letztes Gefecht“ geboren.
Und es gibt einige Leute, die diesen Track mögen und mit der Zocker-Szene nichts am Hut haben.
Man muss auch in der Lage sein, das Publikum zu überraschen, andernfalls wird es schnell mal langweilig. Abgesehen davon darf auch der Spaß an der Sache nicht zu kurz kommen. Das im nächsten Jahr erscheinende neue „Faustregel“
Album enthält eine Coverversion von Star Wash „Disco Fans“ und ist im Original eine Techno/Rave Klassiker aus dem Jahr 1994. Der Track erschien nach ein paar Wochen in den Top Ten der deutschen Charts und erhielt die Goldene Schallplatte. Er war auf der Technoveranstaltung Mayday im gleichen Jahr mehrmals zu hören.

Das wars auch schon, vielen Dank nochmal!

Ich danke dir auch und wer Lust hat und wem das Projekt gefällt, der kann auf der Homepage des Orkus für uns voten.
Auf der Compilation CD der aktuellen Ausgabe findet ihr auch den Track „300“.

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