Kickstern: Magnet (Rezension)

Da habe ich mich tatsächlich einmal mit dem was man heutzutage Radioprogramm schimpft (zwangsweise)  auseinander setzen müssen, bei dem ich mir die Frage stelle, wie viel deutschsprachiges Mittelmaß kann man heute in eine Stunde Radioprogramm stopfen?

Sieht man von den üblichen Horrornachrichten ab, scheint das was da von Silberheld oder Revolvermond oder wie auch immer die Vetreter dieser Spezies sich nennen aus den Lautsprechern suppt nicht mehr viel mit der hässlichen Realität gemein. Gibt es nicht irgendeinen Weg beides zusammen zu bringen? Es gibt ihn. Kickstern. Vier Mannen aus den dunklen Ecken des Ruhrgebietes haben sich zur Aufgabe gemacht haben auf der einen Seite groovende Musik mit heftigem Grunge-Einschlag zu machen und auf der anderen Seite dabei die Finger nicht aus den unangenehmen Dingen der Human Condition zu nehmen, haben am 2. Dezember ihr neues Album mit dem Titel „Magnet“ veröffentlicht. Und bei diesem Silberling darf man sich durchaus überraschen lassen.

 

 

Tracklist „Magnet“:

  1. Niemand
  2. Adrenalin
  3. Körper
  4. Lass mich raus
  5. Nachbar
  6. Patriotische Idioten
  7. Im Regen
  8. Ich knall‘ euch ab
  9. Lass‘ dich nicht führen
  10. Borderline
  11. Darwins Alptraum
  12. Vorstadtrockstar
  13. Nutze deine Chance

 

Gesamtspielzeit 57:21

 

Seit 2003 sind Kickstern Tatkräftig unterwegs und haben bereits  Diverse EPs, 2009 ein Full-length-Album mit dem Titel „Verloren“  und 2015 mit „Anders“ haben die Herren Sascha Klein (Schlagzeug), Marco Onofrio (Bass), Lars Lang (Gitarre und Zweitstimme) und Jörg Böhm (Leadgesang und Gitarre) ein Livealbum einer Unplugged Show veröffentlicht. Grund genug sich das aktuelle Machwerk einmal genau unter die Ohren zu nehmen.

Track-By-Track

Niemand:

Mit Luftigen Cleanen Gitarrenklängen beginnt das Stück, ehe eine drückende Zerrgitarre einen sauberen Rocksong einläutet und wieder in einer Cleanen Strophe mündet und daraufhin wieder einen Zahn Zerre zulegt. Mit einem Refrain der im Ohr bleibt und recht punkigem Gesang und einem Temporeduzierten Zwischenpart und einem wohl dosierten Solopart endet der Opener.

Adrenalin

Sehr straight Punkrockig beginnt dieser Song, ehe er zu den Strophen ordentlich auf die Bremse drückt, einen eher gelösten Refrain vorschiebt und dann wieder richtig metallisch ausbricht und auf den höchsten Ton endet.

Körper

Mit einem straighten Schlagzeugbeat und einer dynamischen Bassline, vielseitigen Gitarren,  ist dieser Song nicht nur ziemlich originell sondern auch verdammt tanzbar. Hört ihn euch an, lohnt sich sehr!

 

Lass mich raus

Wuchtig und mit „Flimmergitarre“ beginnt ein insgesamt sehr grungiger Song. Ein bisschen weniger überraschend als „Adrenalin“ und „Körper“ aber auch nicht schlecht.

 

Nachbar

Im Vergleich zu den anderen Songs eine echte Ruhepause, jedoch mit einem sehr abgründigen, schwarzhumorigen Text und einem insgesamt sehr heiteren Eindruck.

 

Patriotische Idioten

Der Song beginnt mit einem Drumintro über das eine Collage von Medienschnipseln zu Rechter Gewalt gegen Flüchtlinge geschnitten worden sind. Der eigentliche Song ist im Mitdtempo gehalten und – ich kann nicht mit dem Finger darauf zeigen warum – zündet trotz deutlicher Aussagen musikalisch irgendwie bei mir nicht.

 

Im Regen

Dieser Song beginnt ruhig und Balladesk und stellt einen Ruhepol zu den übrigen Songs da, ist aber auch keine der obligatorischen Herz-Schmerz-Nummern.

Ich knall‘ euch Ab

Mit einem etwas nach Plastik klingenden Keyboard beginnt der Song ganz ruhig ehe sich eine leicht angecrunchte Gitarre dazu gesellt. Und dann geht die Post ab: Der Bass simuliert eine Alarmsirene, während eine Zerrgitarre mit Wah-Wah sich langsam in die Präsenz „schraubt“ und in ein Wuchtiges, groovendes Riff verwandelt. Mit kühlem, unberührt wirkendem Gesang, prügelndem Schlagzeug und einem brachialen Endpart liefert dieser Song genau das was draufsteht! Anspieltipp.

Lass‘ dich nicht führen

Punkig und im Midtempo angesiedelt legt der Song einen guten Text und einen höheren Gesang vor.

 

Borderline

Langsam und mit Keyboard- und Gitarreneffekten angereichert mit einem starken Psychodelischen Vibe, einem Tonnenschwer wirkenden Riffing in den Refrains lebt dieser Song eher leise als Laut für die Hälfte der Zeit. Nach dem zweiten Refrain steigert sich die Lautstärke in einen – noch moderaten – Ausbruch, nur um daraus wieder auf ein Zwischenspiel zwischen einer vibrierenden Gitarre und dem Bass zurück zu sinken. Ein Feedback leutet einen doppelt so schnellen Ausbruch ein, der den Song schließlich beendet. Geil! Anspieltipp.

 

Darwins Alptraum

Ein Satter Anklang von Singer-Songwriter-Musik mit weniger Punk in der Musik und mehr im Text. Ein Ohrwurmiger Refrain mit zweistimmigem Gesang.

 

Vorstadtrockstar

Langsam, Minimalistisch gehalten, anfangs leise gehalten und sehr auf Sprechgesang fokussiert kommt dieser Song daher und fällt im Gesamtkontext ein Bisschen heraus. Mit einem kurzen Aufblitzen von einem harten Part Endet der Song.

 

Nutze deine Chance

Mit stehenden verzerrten Akkorden und Voodoodrum gemahnender Trommelarbeit beginnt der Closer der Platte, mausert sich in fast schon doomige Gefilde. Definitiv ein Banger dieses Stück. Der Text ist Persönlich gehalten und mitten im zweiten Refrain bricht das Stück ab um einem Indischen angehauchten Drone-Klang und einem Saxophonsolo Platz zu machen. Das ist echter Punk! Anspieltipp!

 

Da sieh mal einer an, die vier Herren aus dem Pott haben eine ganz schöne Bandbreite zu zeigen, mal Straight und wuchtig (Niemand, Ich knall‘ euch ab, Adrenalin, Lass mich raus), mal mit mehr Fokus auf den Text (Nachbar, Darwins Alptraum, Lass‘ dich nicht führen) und mal mit psychodelischen Anleihen (Körper, Borderline, Nutze deine Chance, Vorstadtrockstar). Die Herren verstehen ihr Musikalisches Handwerk, das Songwriting wirkt ausgereift, wenn auch bei manchen Titeln etwas einförmig, aber das machen Titel wie „Körper“, zu dem mir beim besten Willen keine Band einfallen will, die etwas stilistisch ähnliches produziert mehr als wieder gut.  Die Gesangsspuren sind  fürs erste Hören in ihrer Betonung etwas gewöhnungsbedürftig, je mehr ich davon gehört habe, desto mehr sind sie für mich ein angenehmes Alleinstellungsmerkmal geworden. Was die dazugehörigen Texte angeht: die Thematiken, die sich Kickstern hier gesucht haben, sind ganz abgesehen von der Herangehensweise durch die Bank ziemlich heiße Eisen und im Idealfall unangenehm für den Ottonormalverbraucher und genau hier glänzen die vier Herren in ihrer Herangehensweise mal bierernste und mal humoristisch auf sehr Lockere Weise damit um zu gehen und dabei nicht nur einen Nerv zu treffen, sondern auch gute Mitsingrefrains zu produzieren. Was mir ebenfalls nach mehreren Hördurchläufen auf fällt ist, dass man sich hier übermäßige Solopassagen gespart hat und nur passiert, was den Song nach vorne bringt.  Ich könnte beim besten Willen keine deutschsprachige Band nennen die dem ganzen Werk ähnlich klingen würde. Die Produktion ist knackig und der Klang ausgewogen und transparent gehalten. Zum Schluss sei gesagt: wer nach unkonventioneller Musik mit Ecken, Kanten und unerwarteten Extras sucht die guten Druck macht und dabei tanzbar ist, der wird hier definitiv fündig werden.

About >puregatory<

Ich bin ein Mensch für den Musik eine wichtige Rolle im Leben spielt.... wie heisst es so schön ... da wo Worte nicht mehr weiter wissen, setzt die Musik ein .. da ist was wahres dran. Ich schreibe gerne , lese, fotographiere. Schreibe selber Gedichte und Songtexte für diverse Künstler. Sich weiter zu entwickeln finde ich sehr wichtig , denn ich bin der Meinung still zu stehen macht einen auf Dauer krank. Wer irgendwelche Fragen an mich hat, kann mich gerne kontaktieren.

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