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Kolumne: Anleitung zum Gothsein

Gothic zu sein ist eine Lebenseinstellung, die einen nicht nur für wenige Wochen, sondern das ganze Leben begleitet und prägt. Doch was muss man eigentlich alles machen, um sich als „richtiger“ Gothic in der Szene zu etablieren? Wir haben euch die wichtigsten Fakten rund um das Gothsein zusammengestellt, um euch ggf. sogar einen Einstieg in die Schwarze Szene zu ermöglichen.

Die meisten Menschen, die sich für die Schwarze Szene interessieren kommen über die Musik in den Genuss, sich der Gothic-Kultur verbunden zu fühlen (Hauptinterpret scheint hier beispielsweise Blutengel zu sein). Kaum hängt das Poster von Chris Pohl oder wahlweise Alexander Kaschte (Samsas Traum) oder Ville Valo (HIM)  über dem Bett im Jugendzimmer kann der Szene-Spaß auch schon losgehen, denn nichts ist schöner, als das ganze Zimmer in schwarzen Farben zu kleiden, sich Räucherstäbchen mit Patchouli-Duft anzumachen, und im Kerzenschein bei Mitternacht – und besser noch bei Vollmond – die Songs der weltbesten Darkwave Bands zu genießen. Wer besseres zu tun hat, als allnächtlich den Mond anzuheulen, zu hoffen sich irgendwann in einen Werwolf oder einen Vampir zu verwandeln, und immer noch in der Lage ist sich dem Tageslicht auszusetzen, der beschäftigt sich mit einer Neuausstattung seines Kleiderschranks – das impliziert etwa das Ausmisten sämtlicher farbiger Kleidungsstücke und den Austausch durch die reine textile Schwärze – und dem Ablegen seiner Selbstironie.

FriedhofHGW1_Friedi von MurrKleidung, ein Thema für sich. Frauen statten sich am besten mit edlen Brokatkorsetts und Gewändern aus Samt aus, wohingegen der männliche Part auf stachelige Nietengürtel und schwere Ketten zurückgreifen kann. Wer dazu noch fein duften will, kann sich zudem mit reinem Patchouli-Extrakt bestäuben – Euer Benefit: dieser exquisite Duft hält euch zudem noch eure verhassten Nachbarn vom Leib. Der Style wird durch kräftiges weißes Puder und blutrote Lippen vollendet,was besonders euren Eltern und Großeltern gefallen wird. Das Basis-Schuhwerk besteht meist aus einem klassischen Springerstiefel, erhältlich von 3- bis 30-Lochschnürung von den Marken Boots & Braces, Doc. Martens oder Undercover. Doc. Martens bietet zudem auch Stiefel für den veganen Schuhträger an, bestehend aus echtem Kunstleder. Fertig in Schale geschmissen, wird es Zeit die Wohnung zu verlassen und sich dem Nachtleben hinzugeben. Habt ihr die neue Discothek eures Vertrauens gefunden, kann die Party direkt starten. Die meisten Themenabende in denen Szenemusik gespielt wird, finden 1-2 mal im Monat statt, wobei hier jedes Mal neue geniale Songs gespielt werden, die der DJ gerade neu entdeckt hat – es kommt selten vor, dass auf zwei aufeinanderfolgenden Parties die gleiche Musik gespielt wird.

Wem die einschlägigen Goth-Parties zu laut sind, kann in der Stille der Nacht den städtischen Friedhof aufsuchen. Mit etwas Glück findet er hier auch weitere Szenegänger, die gerade in einem okkulten Gebetskreis den Teufel anbeten und ihre Katze opfern. Als besonderes Schmankerl werden hier zudem häufig frisch gefangene Fledermäuse lebendig verspeist, wie es auch einst Ozzy Osbourne tat (nur Weicheier bringen das Tier vorher auf humane Weise um, und braten es anschließend auf einem mitgebrachten Gaskocher). Eine weitere Delikatesse ist außerdem das Schwarze Risotto á la Blixa Bargeld (Achtung, nicht vegetarisch):

Doch ab von den kulinarischen Genüssen und zurück zum Friedhofskult. Habt ihr euren Hexenzirkel auf dem Friedhof gefunden, der offensichtlich auch satanisch anmutende Tendenzen vorweist, habt ihr nun die offizielle Erlaubnis euer eigenes Blut dem Opferritual darzubieten, oder sich dem Sex auf einem 200 Jahre alten Grabstein hinzugeben. Die Friedhofsbesuche ermöglichen euch zudem den Vorteil, dass ihr euch an eine natürliche Nachtaktivität gewöhnt, und die Menschen in eurer Umgebung (Familie, und die alten Freunde) glauben lasst, dass ihr glaubt ein Vampir zu sein. Gleichzeitig wird sich dementsprechend auch euer Filmgeschmack schnell ändern – weg von kitschigen Liebeskomödien hin zu schnulzigen Vampirromanzen wie Twighlight und Konsorten!

Macht es einfach so, wie die Gruftis in den späten 1980er Jahren, die für diesen Fernsehbericht zur Verfügung standen 😉 :

About Friedi von Murr

Friedi von Murr berichtet jeden 2. Sonntag Abend in ihrer Kolumne über das alltägliche Dasein des Gruftitums. Ansonsten studiert sie im Master Deutsche Literatur an der Philipps-Universität in Marburg.

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