Diejenigen, die uns bei unserem Werdegang in der schwarzen Szene wahrscheinlich am kritischsten beäugelt haben, waren mit Sicherheit unsere Eltern. Die einen reagierten voller Skepsis und titulierten uns als Satanisten, Nazis oder Freaks, die anderen fühlten sich in ihre eigene Vergangenheit in der Punker- und Gruftiszene zurückversetzt und begrüßten diesen Lebenswandel mit Freude und Nostalgie. Ein Resumée über die eigenen Erfahrungen mit den Eltern folgen in der dieswöchigen Kolumne.
Menschen machen Fehler. Spreche ich heute mit meiner Mutter über meinen damaligen Einstieg in die schwarze Szene, glaubt sie zu wissen, dass dies die schlechteste Entscheidung meines Lebens war, mit der ich mir nicht nur meine guten Schulnoten versaut habe, sondern auch ziemlich viele „heruntergekommene“ Menschen kennengelernt habe. Ich sehe das anders – ich hätte damals nichts sinnvolleres machen können, ich habe meine Erfüllung in einer Szene wie dieser gefunden. Der Einstieg in einer Subkultur, wie etwa die Schwarze Szene, wird häufig von Jugendlichen wahrgenommen, die ein Gefühl der Identifikation und der Akzeptanz erfahren wollen. Es wird ausprobiert, vielleicht auch zwischen den Szenen gewechselt, das ist alles vollkommen normal und wird häufig mit dem Gedanken abgetan, dass diese Phasen irgendwann vorbei gehen. Viele bleiben ihrer neuen Lebenseinstellung jedoch über Jahre treu, sie haben einen Platz in dieser Gesellschaft gefunden.
Als ich mit 16/17 Jahren begann mich für dunkle Musik, Horrorfilme und Morbiditäten zu begeistern kam das in meinem Elternhaus überhaupt nicht gut an. Der Kauf des ersten Paares Springerstiefel brachte mir den Kommentar „jetzt denken die Leute du bist rechtsradikal. Wir schämen uns für dich“ ein, Bekannte meiner Eltern ließen meine Eltern hinzu denken, ich wäre nun ein „total abgeranzter Punker“, der auf der Straße endet. Was sollte das? Der Vorwurf meiner Eltern ließ mich an meinem eigenen Tun zweifeln, mich aber gleichzeitig auch weiterkämpfen und mich über Jahre daran wachsen (heute wäre es vollkommen egal). Dennoch ging es damals so weit, dass ich mich vorbeugend in der Nähe meines Elternhauses nicht mehr provokativ kleidete, bzw. begann mich bei Freunden umzuziehen.
Andere Szenegänger hatten da deutlich mehr Glück, so etwa meine beste Freundin, deren Mutter sich ebenfalls für mittelalterliche Musik und Schauerromane des 19. Jahrhunderts interessiert. In ihr hatten wir nicht nur eine Person gefunden, der uns auch mit älterer,weitaus besserer, Musik versorgt hat, sondern auch jemand der mit auf Parties, Konzerte oder sogar Festivals, wie etwa das M’era Luna, kam und sich zwischen uns jungen Menschen pudelwohl fühlte (auch, wenn sie sich eigentlich viel zu oft vor Veranstaltungen drückte, da sie glaubte zu alt zu sein). Hinzu kam, dass sie besagter Freundin Konzertkarten, CDs und einschlägige Zeitschriften (ganz uneigennützig ;)) finanzierte.
Rückwirkend frage ich mich immer wieder ob meine Eltern, im Gegensatz zu anderen, keine Phase durchgemacht haben, in der sie sich ausprobiert haben. Hätten sie meinem Leben dann mehr Verständnis entgegenbringen können, oder sich sogar erneut mit mir in diesen Welten bewegt? Und dann die Frage aller Fragen: Würde ich das Handeln meiner eigenen Kinder ebenso tolerieren, wie ich es von meinen Eltern erwartet hätte? Man weiß es nicht. Fest steht jedoch, dass jeder seine eigenen Möglichkeiten in einer Subkultur ausprobieren sollte, um seinen Platz in der Gesellschaft zu finden und sich nicht von seinen Erziehungsberechtigten verbiegen lassen sollte. Das Bewegen in einer Szene ist Teil des Erwachsenwerdens und somit auch Teil der Selbstfindung – da sollte jedem von uns bewusst sein, auch unseren Eltern.
Wie war es bei euch? Seid ihr seit den Anfängen der Schwarzen Szene mit dabei und habt dementsprechend komische Blicke von euren Eltern geerntet? Habt ihr Vorurteile ertragen müssen? Oder habt ihr Eltern, die selbst in der Szene waren/sind und dem ganzen mit Verständnis und Befürwortung entgegentreten? Ich würde mich sehr über einen Kommentar oder eure Geschichte per eMail freuen. Schickt eure Erlebnisse einfach an redaktion@dark-news.de, wenn Ihr möchtet werden wir die dann hier anonym veröffentlichen.
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