Es gab eben eine Zeit, in der die alternative Gitarrenmusik gepusht von MTV (und hierzulande später VIVA und VIVA2) so derart viele unterschiedliche und frische Genres und Bands aus der Ecke hervorbrachte, es bedürfte Jahre um sie alle zu bewerten.
Zwei davon waren Industrial-Rock und Alternative-Rock, letzteres oft mit Grunge in einen Topf gesteckt. Beide Stile sind für dieses Review von Bedeutung:
Nach Cobain´s Opiatbetäubtem Kopfschuss-Volltreffer dümpelten die übrigen Originale schon zwei Jahre später in der selbst heraufbeschworenen „Post-Generation-X“-Identitätskrise. Die aus dem Boden spriessenden Kopien überboten sich beim Wettlauf um den letzten Platz eigentlich nur mit musikalischen Peinlichkeiten – von Puddle of Mud bis zu den unsäglichen Creed und Nickleback. Was aus Industrial-Rock a Marilyn Manson oder Filter wurde, sieht man ja auf den Covern der Musikmagazine: Nix. Ausser vielleicht der einfallslosen Transformation zu „Gitarren mit Dancefloor und Techno“ im letzten Jahrzehnt.
Wozu der lange Vorlauf?
Nun, weil diese originalen Musikstile, die unüberhörbaren Haupteinflüsse von Under[Base] auf dem vorliegenden Album sind und es delikater nicht zugehen könnte, wenn sich gerade eine neue, deutsche Band an diese Stile wagt.
Normalerweise, aber nicht in diesem Fall!
Die Kieler Band Under[Base] veröffentlichte 2011 ihr Album A Lifetime For One Moment über Coast Rock Records. Mir fällt es nach etlichen Hördurchgängen schwer, mich für einzelne Lieblingssongs zu entscheiden, daher gehe ich hier mal mehr auf die gesamte Musik der Band ein:
Die Reichweite der dreizehn Songs reicht von straighten, nach vorne rockenden Songs wie Alive oder Twelve über sanftere, ruhige wie Duster oder A Lifetime For One Moment, bis hin zu richtigen Brettern wie Lost In Space. Vom ersten Augenblick wird das an US-Produktionen angelehnte Songwriting und Stilrichtung spürbar.
Das solide Hauptfundament von Under[Base] basiert auf Groove und absolut fetten Riffs ähnlich dem New-Rock von Deftones oder Soil. Der Bass groovt nicht nur stilsicher, sondern „klickt“ und „klackt“ im Sound, ohne dass es penetrant nach einem schlechten Soundklau von Korn klingt. Die Rhythmussektion zwischen Drummer Andy und Bassist TLEE hat ihre Hausaufgaben gemacht und darf sich ebenfalls die Sonnebrille aufziehen. Sie beide machen die Riffs von Gitarrist Jona SirPryce noch fetter. Der hat sich seine Sonnenbrille schon zu Zeiten verdient, als es noch rifftechnisch „Break“ und nicht „Breakdown“ hiess, ihr Tunnelgepiercten Kiddies!
Sänger Dominic schafft es Gott sei dank den besagten „grungigen“ 90er Jahre-Gesangsstil in den Strophen einzusetzen, ohne wie eine Kopie von hunderten schlechten Kopien, wie zum Beispiel Scott (S)Crapp von Creed, zu klingen.
Absolut stilsicher wechselt Dominic in vielen härteren Parts in druckvolle, oft langgezogene Shouts. Ich höre ebenfalls kein „denglisch“ oder keinen Akzent wie bei so ziemlich jeder dritten deutschen Rockband, die auf Englisch singt. Ami-Rock-Coolness also auch hier kredibil zum Ausdruck gebracht. Die obligatorische Sonnenbrille beim Frontmann sitzt.
Bei so viel Anteilen von New-Rock und Alternative geht dennoch nie das künstliche, elektronische Element des Industrial-Rock unter und bleibt ein prägendes, eigenes Instrument: Dominic baut Drum-Loops, Keyboardmelodien, mal eine leiernde Platte, Störgeräusche oder kurze Samples ein. Alles dabei und vor allem: immer gut hörbar.
Ich habe bis heute Probleme, Samples und Keyboards selbst bei Slipknot´s hochprofessionell produzierten Alben herauszuhören, obwohl dort gleich zwei Musiker für diese verantwortlich sein sollen. Mir bis heute ein Rätsel, wo ausserhalb der Intros oder Breaks bei Slipknot irgendwelche elektronischen Instrumente sein sollen….
Auf A Lifetime For One Moment ist das viel besser gelöst und bringt der Musik die nötigen Akzente und Stimmungen.
Fazit:
Ich vergebe hiermit coole 8 von 10 Sonnenbrillen, da ich glaube und hoffe, die Jungs aus dem Norden kriegen nach ihrer Pause ein neues, stabiles Line-Up auf die Beine und hauen ein noch geileres Nachfolgealbum auf den Markt, mit dem sie richtig durchstarten. Wer auf Filter, Stone Temple Pilots, Gravity Kills oder Soil steht, ist hier einfach goldrichtig.
Was Under[Base] auf diesem Album auf unsere Ohren lassen ist von allerfeinster Klasse. Vom Sound, der Produktion, den Riffs, dem Stil und vielen einzelnen Highlights in Punkto Songwriting. Also: Sonnenbrille aufgesetzt, die Skaterschuhe locker geschnürt, das Lieblingsshirt angezogen, ein Bier dazu und ab ins „feel-good“-Land mit der Platte aus den Lautsprechern.
Den Stream vom Album gibt es hier:
http://www.reverbnation.com/underbasemusic/album/48394-a-lifetime-for-one-moment
und hier ist die Band auf Facebook aktiv:
https://www.facebook.com/underbasemusic
Punkte: 8 von 10
Genre: Industrial-Rock, New-Rock, Alternative
VÖ: 2011
Label: Coast Rock Records
Tracklist:
01. Out There
02. Stay Closer
03. Alive
04. Twelve
05. Duster
06. Faint
07. Empty Box 13
08. Lost In Space
09. Downer
10. Seize The Day
11. Lost Boys
12. A Lifetime For One Moment
13. Faint (Ambient Mix)
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