Für das Album „Meine Fesseln“ von Waldgeflüster braucht man Zeit, ein Glas Rotwein und eine gewisse melancholische Grundstimmung. Legt man sich dann aufs Sofa und lauscht den Klängen des 2005 gegründeten Soloprojekts, findet sich vom ersten Lied an diese sonderbare Stimmung zwischen Melancholie und Hoffnung ein.
„Meine Fesseln“ ist eine außergewöhnliche Mischung aus Blackmetal und sanften Instrumentalklängen, gepaart mit Doom-Metal-Elementen. Vom Stil her könnte man dasAlbum mit der Band Dornenreich vergleichen, doch ist die Band Waldgeflüster eine Spur härter.
Die stärksten Lieder das Album sind tatsächlich die längsten. Die 10:26 Minuten des ersten Liedes Nebel vergehen wie im Flug. Die gelungene Abwechslung zwischen Black-Metal-Elementen und Instrumentalparts wiegen den Hörer wie im Meer mit leichtem Wellengang hin und her. Auch Wie eine Weide im Wind (11:24) und Mit welchen Fesseln (11:54) sind trotz ihrer Länge nie langweilig, da stets für Abwechslung gesorgt wird. Hört man diese Lieder mit geschlossenen Augen, fällt man in sie hinein und vergisst die Zeit.
Beim Stil von Waldgeflüster ist eine außergewöhnlich lange Songlänge tatsächlich positiv, da sich die schon fast epische Breite der Songs sich erst über die Zeit entwickeln kann. Wären es jeweils Songs von drei Minuten, würde das Gefühl beim Hören viel hektischer werden und man könnte sich gar nicht in die Musik hineinfallen lassen.
Weniger überzeugt das etwas kürzere Lied Karhunkierros (trotzdem noch 8:41). Es wirkt vor allem im Gegenzug zu Nebel, dem es auf der Songlist auch folgt, sehr einseitig und die immerwährende Double-Base streut etwas zu viel Nervosität in das Lied. Auch Wenn die Morgensonn hört sich ein klein wenig zu konventionell von der Melodielinie an. Das ist sicherlich Geschmackssache, da die Melodie sehr eingängig ist und bestimmt auch viele Herzen trifft. Mir ist die Melodielänge jedoch etwas zu glatt und zu sehr auf Ohrwurmpotential getrimmt.
Zum Weinen schön beginnt jedoch der Song Trauerweide Teil 1, der zum letzten Lied Trauerweide Teil 2 gehört. Sie sind durch zwei andere Lieder voneinander getrennt. Die zwei Trauerweidenteile sind die ruhigsten und auch die kürzesten Lieder des Albums. Teil 1 geht tief unter die Haut und löst ein gewisses Gefühl der Verzweiflung aus. Teil 2, als reines Akustiklied, beruhigt die Sinne und die Emotionen, die durch das Album doch ganz schön durchgeschüttelt wurden. Hier zeigt der Sänger, der den Künstlernamen Winterherz trägt, dass er nicht nur talentiert screamen, sondern auch melodisch ruhig singen kann. Sollte man das Album wirklich Abends von Anfang bis Ende mit einem Glas Wein gehört haben, kommt man mit dem letzten Song zur Ruhe und wird sanft in die Entspannung gewiegt. Danach bleibt man noch ein bisschen liegen, lässt die Gedanken schweifen und legt sich schließlich schlafen.
„Meine Fesseln“ ist ein äußert gelungenes Album, welches ich all jenen Menschen ans Herz legen möchte, die sich Zeit für Musik nehmen und sich gerne der süßen Melancholie hingeben. Es ist auf jeden Fall kein leichtes Album, da die Grundstimmung sehr schwer anlautet und bestimmt auch den ein oder anderen persönlichen Schmerz trifft. Man muss sich also wirklich darauf einlassen und zum nebenbei hören ist dieses Album auf keinen Fall geeignet.
Bis auf ein, zwei etwas schwächere Lieder ist es eine fantastische, emotionale Reise und für Fans von Dornenreich & Co eine Berreicherung!
Trackliste:
01. Der Nebel
02. Karhunkierros
03. Wie eine Weide im Wind
04. Trauerweide Teil I
05. Wenn die Morgensonn…
06. Mit welchen Fesseln
07. Trauerweide Teil II
Die Bilder wurden von Waldgeflüster freundlich zur Verfügung gestellt.