Mona Mur / En Esch - 120 Tage.

Mona Mur / En Esch – 120 Tage -The Fine Art of Beauty and Destruction (Review und Kritik)

Mona Mur / En Esch - 120 Tage.
Mona Mur / En Esch - 120 Tage

Achtung, Achtung. Dies ist eine Kollaboration zweier Szenepromis. Nun, zumindest mir sagten die Namen En Esch und Mona Mur nicht viel. Nur KMFDM, Eschs ehemalige Band, war mir bekannt, aber auch nur oberflächlich. Wirklich neugierig auf dieses Album machten mich nur die Brecht/Weill-Neuinterpretationen von „Mon Amour“, „Die Ballade vom ertrunkenen Mädchen“ und „Surabaya Johnny“. Dementsprechend lang flog das Album bei mir auf dem Schreibtisch herum, bis ich es endlich in den Player schob. Denn Kollaborationen zweier Szenepromis haben nicht unbedingt den besten Ruf. Allerdings werden hier nicht nur neue Songs aufgenommen – Davon gibt es nur 3 – Sondern  Mona Mur-Songs in neuem Gewand interpretiert.

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Mur / Esch.

Es fiel mir schwer, eine passende Bezeichnung für diese Musik zu finden, denn das, was hier serviert wird, ist zum Glück kein KMFDM mit weiblichem Gesang. Viel mehr würde ich das gebotene als Industrial-Cabaret-Chanson bezeichnen. Die harten Gitarren und elektronischen Beats, die KMFDM prägten, sind mal mehr, mal weniger auffällig, aber immer präsent. Man hört hie und da einige sehr ungewöhnliche Melodien und Klänge, industriellen Lärm amerikanischer Prägung (Und ja, verdammt, es gibt einen großen Unterschied zwischen europäischem und amerikanischem Industrial). Der tiefe, düstere und verdammt eindringliche Gesang von Mona Mur ist ungewöhnlich präsent und schwebt über dem Ganzen. Eine Angelegenheit, die einem nicht alle Tage unterkommt und in ihrer Unhörbarkeit schon fast an die erste Dresden Dolls-Großtat heranreicht, auch wenn die Bands stilistisch kaum vergleichbar sind.

Überraschend war, dass sich auf dem Album keine schlechten Songs, schlimmstenfalls durchschnittliche, finden. Der Opener „Candy Cane“ ist ein guter, treibender Industrial-Song, der von den charismatischen Stimmen Mona Murs und En Eschs lebt. „Die Ballade vom ertrunkenen Mädchen“, eine Brecht-Vertonung und ein Tribut an die in Berlin von SA-Leuten ermordete Rosa Luxemburg, wird vor allem durch ihrem Requiem-Charakter mehr als gerecht und punktet durch die gelungene Kombination von Brecht/Weill-typischen Instrumente (also Orgel, Cello, Blasinstrumente usw.). Das fies kriechende „The Thin Red Line“ trägt klar Eschs Handschrift – Generell würde ich die balladesken und mit Brecht-Ästhetik spielenden Songs eher Mur zuschreiben, den „Lärm“ Esch, der mit KMFDM bereits Erfahrungen damit sammelte. Meine persönlichen Highlights sind „Mon Amour“, das ein wunderbar Weilleskes Gitarrenriff hat und in dem eine inbrünstigst singende Mona Mur den geneigten Hörer nicht mehr loslässt. Der „Subaraya Johnny“, eine textliche Meisterleistung, zu der in dieser Form nur Bertolt Brecht, der meiner Meinung nach genialste Autor des letzten Jahrhunderts, fähig ist – Überraschung, der Text stammt von ihm – ist von allen Songs am nächsten dran an der Dreigroschenästhetik. Epic!

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Fazit: Ein schönes, aber auch schwieriges Stück Musik. Es trifft meinen Geschmack voll, auch wenn ich mit KMFDM bisher nicht wirklich warm wurde – Esch ist hier hauptsächlich Assistent der großartigen Sängerin Mona Mur, die mir wie kaum eine andere mit ihrer an Siouxsie Sioux erinnernden Stimme wohlige Gänsehaut über den Rücken jagte. Ihre Liebe zum großen Dichter Brecht macht sie natürlich noch sympathischer, und ihre Interpretationen der in Zusammenarbeit von ihm und Kurt Weill entstandenen Songs sind mit die besten, die ein Brechtnerd wie ich je gehört hat. Prädikat außergewöhnlich. Und gut. Und noch einen Hördurchgang wert – Besonders der „Subaraya Johnny“. Nur nicht ganz einfach, darum wird reinhören wärmstens empfohlen.

Tracklist:

  1. Candy Cane
  2. Die Ballade vom ertrunkenen Mädchen
  3. 120 Tage
  4. The Thin Red Line
  5. Visions & Lies
  6. Eintagsfliegen
  7. Snake
  8. Mon Amour
  9. Surabaya Johnny
  10. Der Song von Mandeley
  11. The Wound

8/10
8/10

Highlights:

– Mon Amour
– Die Ballade vom ertrunkenen Mädchen
– Surabaya Johnny
– Der Song von Mandeley

Veröffentlichung: Bereits erschienen


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