„Man kann nie genug Pseudonyme haben“ – So oder so ähnlich steigt die äußerst junge Autorin – unter Verwendung ihres Decknamen Natascha – in die finsteren Tiefen ihrer eigenen Lebensgeschichte ein: Zwischen zerrüttetem Elternhaus, sexualisierter Gewalt ausgehend vom Stiefvater, Autoaggression und den ersten Drogen im zarten Alter von zwölf Jahren, über das Beschaffungsdilemma in Form des Babystrichs, fehlgeschlagenen Schwangerhaften, hin zu einem cleanen und bürgerlichen Lebensstil lotet der autobiographisch Roman jeden dunklen Winkel im Leben der Natascha aus.
Und vorab sei gesagt, der Roman ist gnadenlos hart – Und zwar bis an die absolute Schmerzgrenze. Nicht einfühlsam, nicht leise, nicht sensibel wird dieses vermeintliche Tabuthema angepackt – Vielmehr wird der literarische Holzhammer ausgepackt, und unerbittlich auf das Ordnungs- und Sicherheitsbewusstsein des bürgerlichen Lesers eingedroschen. Permanent – 128 Seiten lang.
Da werden unverhohlen und unverblümt Details genannt, in einer Sprache, welche in ihrer Direktheit in roher, fast schon provokativer Weise die Dinge klar beim Namen nennt.
Die Autorin führt im Dunstkreis von Drogen, Sex und Gewalt jede Einzelheit ihres bedauernswerten Lebens auf. Ob es nun die Drogensucht selbst ist, um die Schmerzen zu betäuben, das Verlangen zur Selbstgeißelung, um sich wenigstens hin und wieder selbst zu spüren, oder aber die zutiefst grausamen und widerwärtigen Praktiken der Freier zwischen sadistischen Feuerspielchen und erniedrigenden Vergewaltigungsszenarien.
Das alles wird ungeschönt auf dem Servierteller präsentiert – Konträr dazu stehen aber auch die wenigen hoffnungsvollen Momente, wenn die Autorin beispielsweise von ihren Schulbesuchen erzählt, ihren Sehnsüchten nach einem vernünftigen Schulabschluss und einem geregelten Job – Ihren Sehnsüchten, diesem Alptraum zu entfliehen. Merkwürdigerweise werden gerade diese lichten Augenblicke im Roman immer wieder gebrochen, um dann nahtlos wieder an die alte Finsternis anzuknüpfen.
Fazit: Das war er nun also, der – soweit möglich – objektive Teil dieser Rezension – Denn ich bin ehrlich, das Buch gefällt mir nicht. Ich will dem Ding seine Authentizität nicht absprechen, ich will auch gar nicht sagen, das ist alles Fake – So in diesem Fall nie passiert. Ein entworfenes Szenario von irgendeinem Ghostwriter. Nein, das kann und will ich nicht. Das wäre respektlos gegenüber der Autorin und den vielen anderen Nataschas da draußen. Kinderprostitution ist ein real existierendes Problem, und zudem ein Markt, der offenbar auch genügend Zulauf findet. Ein Problem, dass nicht auf blinde Augen und taube Ohren stoßen sollte. Insofern halte ich dem Buch natürlich zugute, dass es das Thema überhaupt anspricht, das große Problem habe ich aber mit dem „Wie?“ – Mir gefällt das Machwerk stilistisch überhaupt nicht, der inflationäre Gebrauch des F-Wortes mag vielleicht die angemessene Brachialität aufweisen, welche dem Thema gebührt. Nach 50 Seiten des dauerhaften „gefickt“-werdens, erfährt man aber irgendwann eine gewisse Resistenz gegenüber diesem Schockelement. Und das halte ich für gefährlich, mit der Distanz die man gegenüber der Romanfigur plötzlich wahrt, fällt auch der nötige Funken Authentizität, welchen das Werk für sich beanspruchen will. Nicht zuletzt sind die reißerische Aufmachung, die Covergestaltung, und die scheinbar gewollte Untermauerung des Tagebuch-Charakters durch grafisch adaptierte, handschriftlich anmutende Betonung von Schreien und einzelnen Gedankengängen recht bedenklich. Das ist plump, nervtötend und alles andere als authentisch. Zynisch und auch irgendwie bizarr finde ich außerdem die Einordnung dieses Werkes in die Erotik-Schubladen von Buchhandlungen und bekannten Onlineversandhäusern. Zwar hat sich der UBooks-Verlag bereits dagegen ausgesprochen, ein schaler Beigeschmack bleibt trotzdem.
Medium: Taschenbuch
Umfang: 128 Seiten
Verlag: UBooks
Erscheinungsdatum: September 2007
Webpräsenz: www.seelenficker.net