Nocte Obducta – Interview

Nocte Obducta
Nocte Obducta

Nach acht Alben dessen Spektrum nicht vielfältiger hätte sein können, erscheint 2008 mit „Sequenzen einer Wanderung“ das leider letzte Album von Nocte Obducta.

Schwarze-News.de hat es sich nicht nehmen lassen zu diesem Anlass einige Fragen über Noctes Zukunft, dessen Anfänge und die zahlreichen Projekte neben und nach Nocte Obducta an Marcel Breuer zu stellen.


Schwarze-News: Worin lag damals die Intention, eine Band wie Nocte Obducta zu gründen, die sich doch angenehm vom eher typischen Black Metal abhebt?

Marcel Breuer: Gegründet wurde das ganze ja eigentlich unter dem Namen Desîhra im August 1993 bzw. wir hatten zu Beginn nicht einmal einen Bandnamen, der kam erst Dezember. Wir waren ein chaotischer Haufen Teenager, die einfach Musik machen wollten. Natürlich wollten wir auch etwas erzählen, aber in diesem Alter ist das ganze sicherlich vordergründig als Hobby und Träumerei zu bezeichnen.
Nachdem das ganze im Sommer 1995 mehr oder minder auseinander gebrochen war und nur noch zwei Mitglieder übrig waren, erfolgte die Umbenennung in Nocte Obducta, hinsichtlich des Songmaterials gab es aber eine gewisse Kontinuität.

Was prägte euch musikalisch und was führte gerade zum (Avantgarde) Black Metal?

Vorweg: Der Begriff Avantgarde Black Metal stammt nicht von uns, sondern vom Label, wir haben uns immer einfach als extreme Metal Band gesehen. Anfangs haben wir uns auch immer klar als Black/Death Metal oder einfach nur extreme Metal Band bezeichnet, denn wir sind ganz eindeutig nie eine reine BM-Band gewesen, sieht man mal von der „Schwarzmetall“ ab. Aber man hört halt schnell auf, gängigen Kategorisierungen zu widersprechen, man kann sich sowieso nicht wehren. Und da es uns im Endeffekt immer scheißegal war, wie wer was wo nennt, drauf geschissen.
Aber warum es etwas wurde, dass sehr stark im BM verwurzelt war … es mag sich trivial und für den geneigten Fan ernüchternd anhören, aber zu dem Zeitpunkt, als Desîhra Mitte der 90er zu Nocte Obducta wurde, war der düstere Metal einer meiner intensivsten Einflüsse, wenn auch bei weitem nicht der einzige. Ich habe das aber nicht zwingend als eine klare Ausrichtung als BM-Band gesehen.
Was gemeinhin zu dem Zusatz „Avantgarde“ geführt hat, war wohl schlicht der Umstand, dass man Einflüsse aus anderen Musikrichtungen eindeutig hören konnte, und auch der Hang zu Longtracks und die Fülle an unterschiedlichen Parts dürften das begünstigt haben.

Bist du zufrieden mit dem, was ihr in den letzten Jahren geschaffen habt?

Gute Frage … Wenn man bedenkt, wie viel Material nie umgesetzt wurde, ist das manchmal schon ein wenig frustrierend, aber so ist das, wenn man schlichtweg nicht die Zeit zur Verfügung hat, die man benötigt. Ich denke auch, dass es an wirklich jedem Album genug auszusetzen gibt, dem ich sofort zustimmen würde. Aber letztlich haben wir acht solide Alben gemacht, für die wir größtenteils fantastisches Feedback erhalten haben, wenn auch die Verkäufe immer so minimal waren, dass Nocte Obducta immer wesentlich mehr Zeit und Geld gekostet hat als man sich vielleicht vorstellen kann. Aber so ist das, im nächsten Leben sollte man sich vielleicht ein billigeres Hobby suchen. Natürlich gab’s auch immer ganz massive Negativ-Reaktionen auf unsere Musik, aber auch das ist eine Bestätigung, dass wir es letztlich richtig gemacht haben. Es gibt Fans, die man nicht braucht und charaktervolle Musik sollte zumindest im Regelfall nicht jeden ansprechen.

Wie kam es zur Trennung der Band Nocte Obducta?

Sofern man überhaupt von einer Trennung sprechen kann, so gab es viele Gründe. Ich bevorzuge aber die Sichtweise, dass wir uns schlichtweg umbenannt und eine kleine Pause eingelegt haben, um einfach mal eine Weile wirklich wegzukommen von allem. Schließlich haben wir mit Dinner Auf Uranos praktisch die gleiche Besetzung wie vorher. Der einzige, der wirklich ersetzt wurde, war Patrick am Bass, diesen Posten besetzt jetzt ein langjähriger Freund, Heidig heißt der Mensch. Und Umbesetzungen gab es ja insbesondere am Bass in unserer Bandgeschichte circa 46383648. Dass Torsten und später dann auch Flange ausstiegen, ist halt der Lauf der Dinge, das hätte unter altem Namen auch eines Tages passieren können.
Der Entschluss zur Pause, zur Umbenennung und zur stärkeren stilistischen Konzentration auf das, was der Großteil der Band ohnehin schon lange machen wollte, wurde dann forciert durch sowohl äußere als auch innere Umstände.
Wir waren zunehmend frustriert, weil die Zusammenarbeit mit diversen Dritten absolut miserabel verlief. Wenn man so unglaublich viel Zeit und Energie in Ärger stecken muss, dann vergeht einem irgendwann alles. Wir merkten außerdem, dass das Metal-Publikum in großen Teilen immer weniger mit unserer musikalischen Entwicklung anfangen konnte und wir immer weniger mit einer so konservativen Szene. Das soll sich hier nicht gegen den Metal an sich richten, wir hören ja selber unter anderem Metal. Während sich dieser musikalische Wandel im Hinblick auf die extremen Ausprägungen wie blast Beats und Screams immer stärker abzeichnete, entwickelte sich aber auch Agrypnie immer konkreter, so dass Torsten von Gigs einmal abgesehen viel mehr Zeit in sein Soloprojekt steckte als in Nocte Obducta, schließlich musste er das ganze ja auch noch mit Privatleben und vor allem der Arbeit unter einen Hut bringen. Es ist allerdings nicht so, dass er sich schon im Winter 2005/ 2006 klar für Agrypnie entschieden hat (zumindest ist mir nichts dergleichen bekannt). Eben sowenig haben wir ihn raus geworfen, die ganzen Umständen führten lediglich dazu, dass die Sache immer mehr auseinander lief.

Wie kommt es dazu, dass nach der Trennung von Nocte Obducta nun noch ein Album erscheint und was erwartet den Hörer dabei? Wird es sich stilistisch wie Nektar oder Stille einordnen oder kommt doch etwas völlig Unerwartetes?

Dass dieses Album erst demnächst, mindestens zweieinhalb Jahre nach dem Ende von Nocte Obducta erscheint, ist natürlich ärgerlich, aber das lag leider nicht in unserer Hand. Ich hoffe, dass das Teil noch diesen Winter das Licht der Welt erblickt, und dann ist der ganze Ärger hoffentlich endlich Geschichte. Wir haben zu viel Kraft und Nerven verloren in dem ganzen Kampf. Was genau dazu führte, gehört sicherlich nicht hierhin.
Unerwartet ist es nur dann, wenn man etwas bestimmtes erwartet, und von Nocte Obducta sollte man nie etwas konkretes erwarten.
Das Album wird für manche vielleicht wie eine logische Fortsetzung der letzten Hälfte von „Nektar 2“ klingen, manche haben auch gesagt, es sei letztlich die Steilvorlage für Dinner Auf Uranos, wenn nicht gar eigentlich sogar das Dinner-Debüt. Tatsächlich bewegt es sich insbesondere auf der ersten Hälfte weiter weg von irgendwelchen Metal-Einflüssen als es bei uns je der Fall war. Dieser Umstand und die Tatsache, dass kaum Vocals auf dem Album zu vernehmen sind, wird sicherlich manchem Fan übel aufstoßen. Das Album ist zwar nach der Meinung einiger Leute in unserem Umfeld unser vielleicht bislang bestes, aber wir rechnen mit genügend Verrissen insbesondere in der Metal-Landschaft.
Das ganze ist auch musikalisch als Wanderung konzipiert, eine Wanderung die immer dunkler harscher wird, man wird dieses Album also tatsächlich von vorne bis hinten durchhören müssen ohne zu spulen oder die Reihenfolge zu verändern, wobei letzteres ohnehin schwierig würde, da „Sequenzen“ in nur zwei Tracks aufgeteilt ist.

Ist schon bekannt wann man mit dem Erscheinen des neuen Albums zu rechnen hat? Eine Pre-Listening dazu gab es ja bereits bei einem Weinfest.

Ich glaube, das war kein Weinfest, sondern ein Labelabend mit Wein, ist aber auch egal.(Anm. der Redaktion: Es wurde zu einem Weinfest mit Pre-Listening eingeladen 😉 ) Angepeilte VÖ ist wohl Anfang Dezember, ich kann dazu aber letztlich nichts sagen, wir haben auf diese Geschichte keinen Einfluss.

Darf man hoffen, dass nach nach dem neuen Album doch noch etwas erscheint oder ist es der endgültige Schlussstrich?

Sowohl als auch. Hoffen darf man tatsächlich, denn wir reden derzeit über die Möglichkeit, dem Album „Schwarzmetall“ einen Nachfolger zu geben, und zwar mit rund zehn Mitgliedern, die über die Jahre bei Nocte Obducta aktiv waren. Das ganze wird wohl langsamer, ein wenig offener für Experimente, dafür aber wohl deutlich depressiver ausfallen als das Album von 2000/2001. Und natürlich wird es roh und ungeschliffen klingen.
Das ganze ist aber als Projekt zu betrachten, es gibt keine Pläne, regelmäßig miteinander zu proben oder Gigs zu spielen. Wir werden einfach sehen, was aus dieser Sache wird und hoffen, dass sie zustande kommt.

Bekommt man noch die Möglichkeit euch einmal Live erleben zu dürfen?

Wohl kaum.

Wie schaut es mit euren Soloprojekten (Exikutionsromanze, Dinner auf Uranos, Agrypnie) aus? Sind neue Alben bzw erste Alben geplant?

Auch hier wieder eine Bemerkung vorweg: Dinner Auf Uranos ist kein Neben- oder Soloprojekt, sondern vielmehr die logische Fortführung von Nocte Obducta, so wie Nocte Obducta die logische Fortführung von Desîhra war. Wir bedienen uns in großen Teilen sogar aus der reichlich gefüllten Nocte-Truhe.
Wir haben es 2006 sehr ruhig angehen lassen mit Dinner Auf Uranos, hatten aber trotzdem schnell genügend Material für zwei Alben einstudiert. Die Labelsuche gestaltete sich dann leider sehr schwierig, aber wir arbeiten derzeit an zwei Alben, von denen eines schon sehr konkrete Formen angenommen hat, will heißen, die Aufnahmen für diese Scheibe sind schon sehr weit fortgeschritten. Da der Plattenvertrag allerdings erst zu 95% unter Dach und Fach ist, müssen wir mit Namen und Daten noch warten.
Exekutionsromanze gibt es nicht mehr, das Material ist Teilweise in der Dinner-Schublade gelandet, teils in der Schublade für mein Soloprojekt Cüün, das aber sehr gemächlich und langsam voranschreitet. Vieles ist auch in dem Pott für Thâlsperre gelandet, ein Ding, das ich mit Flange mache. Von sehr viel neuem Material mal abgesehen ist diese Band, die stilistisch ein riesiges Spektrum abdeckt, ein Stück weit der Zusammenschluss von Flanges und meinen diversen Projekten und Bands der Vergangenheit. Material für ein mögliches Album ist in groben Zügen fertig, teilweise arbeiten wir auch schon intensiv an den Details.
Nunja, und über Agrypnie muss man ja keine Worte mehr verlieren, Torsten ist da ja durchgestartet und auch auf der Bühne aktiv. Er war ja mit dem Debüt bereits im Studio, während wir uns mit Nocte Obducta auf „Sequenzen“ vorbereiteten, derzeit wird er wohl das Album Nummer drei schreiben.
Auf welchem Stand die übrigen Projekte sind, weiß ich nicht. Ich weiß ja nicht einmal genau, wer jetzt was genau macht.

Was treibt ihr neben der Musik noch so?
Arbeiten, jobben, promovieren, magistrieren, Schweinkram.

Eine Frage, die mir schon seit längerem unter den Nägeln brennt, ist die nach der Ananas auf euren ersten Promo-Bildern. Hat es etwas damit auf sich oder ist es eher ein Zufall?

Das ist eine etwas längere Geschichte, die mit Matze, mir und zwei Mitgliedern von (The) covenant zusammenhängt … Sverd, den man wohl vor allem als Keyboarder von Arcturus und Session-Musiker auf Emperors „In the Nightside Eclipse“ kennt und ein Kerl, dessen Namen mir entfallen ist. In der Zeit, in der ich als Keyboarder bei Agathodaimon aushalf, spielten wir ein paar Gigs im Rahmen der Benedictio-Tour und sprangen für Covenant ein, die drei Tage ausfielen, weil Nagash (hieß doch so, oder?)(Anm. der Redaktion: Richtig!) mit Dimmu Borgir in Polen ein paar Promo-Gigs spielen musste oder so. Jedenfalls gab es irgendwann einen kleinen Kampf mit den beiden Norwegern auf der einen und Matze und mir auf der anderen Seite. Die Waffen waren Obst und Gemüse, und beim Kampf Mann gegen Mann hatten wir die deutlich bessern Karten, da eine Ananas einer Salatgurke bei weitem überlegen ist, von der bleibt dann nämlich nicht allzu viel übrig. Wir sind ohnehin große Freunde von bisweilen arg skurriler Symbolik gewesen und suchten für das „Lethe“-Bandpic noch ein paar untypische Accessoires. Und so wurde die Ananas kurzerhand den diversen Gegenständen beigefügt. So, das Geheimnis, das wir so lange gehütet haben, ist gelüftet … wieder ein Mysterium weniger, die Welt wieder ein wenig langweiliger …

Kommen wir zum Abschluss. Möchtest du den Schwarze-News Lesern noch eine letzte Weisheit mit auf den Weg geben?

Mache ich fast nie, lasse ich auch diesmal.


Wir danken für das ausführliche Interview.

Johannes „Kettenhund“ Buß (Interviewer)

Dennis „Bieberpelz“ Knoll (Kontakt, Promotion)

About Kettenhund

Mir wurde hier erlaubt meine bescheidene Meinung über Musik zu äussern, dieses geniesse ich auch freudestrahlend und ich vollsten Zügen. Ich bin 22 Jahre jung und lebe im schönen Emsland in einem abgeschiedenen und weltfremden Dorf das ich hier nicht näher beschreiben muss.

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