Orplid – Greifenherz (Review und Kritik)

Greifenherz
Orplid - Greifenherz

Nach rund 2 ½ Jahren veröffentlicht die Neoklassik/Folk-Formation ihr nunmehr viertes Studioalbum mit dem Titel Greifenherz, welcher zwar immer noch auf bewährte Orplid-Trademarks setzt, sich aber doch gänzlich von seinen Vorläufern abhebt.


Vorab sei gesagt, dass es sich bei dem neuen Machwerk des Zwei-Mann-Projektes um sperrige, schwer verdauliche Kost handelt, versteht das Zweigespann Uwe Nolte und Frank Machau es doch vorzüglich Klanglandschaften zu kreieren, welche sich in ihrer Komplexität und ihrer Intensität durchgängig und unerbittlich in die Gehörgänge des Hörers bohren. Angesichts dieser Tatsache, täte man der Band Unrecht, würde man sie in gängige, festgefahrene Genre-Klassifizierungen pressen. Während man die Kapelle also zu früheren Zeiten noch explizit in die Nähe des Neofolks rücken konnte, dominiert auf der neuen Ausgeburt aus dem Hause Orplid eine gelungene Verschmelzung der Genres Darkwave, Gothic und Avantgarde – Orplid klingen anno 2008 im Gegensatz zum Vorgänger Sterbender Satyr zügellos und inbrünstig.

Trotz stilistischer Änderungen wird jedoch nach wie vor viel Wert auf die mitunter sehr tiefgründigen Texte gelegt, ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass die musikalischen Ergüsse nun den lyrischen Elaboraten untergeordnet sind. Vermengt man diese beiden Zutaten, so erhält man ein Machwerk, welches von einer urwüchsigen Eindringlichkeit umweht wird. Stand bei Sterbender Satyr noch die mystische Naturbetrachtung im Zentrum des Geschehens, so steht der namensgebende Greifvogel hier als Symbol für den Krieg, welcher das gesamte Machwerk wie ein roter Faden gleichsam durchzieht.

Vorab – das erste was einem bei näherer Betrachtung der Tracklist ins Auge fällt, ist die Tatsache, dass Greifenherz von drei namenlosen Stücken in vier Kapitel unterteilt ist. So wird das erste Kapitel ganz und gar von Luzifer dominiert, dem dunklen Engel, der hier als Pate steht für das schneidig-martialische Wesen des Krieges – Dumpfe, latent aggressive Trommelschläge paaren sich ihrerseits mit ungestümen Elektronik-Parts. Diese ungebärdig-impulsive Instrumentalgewalt wird noch weiter vorangetrieben von der melodischen, vor Pathos strotzenden, Gesangesdarbietung. Dahingegen wirkt das nachfolgende Schwertgesang in seiner Ruhe und Beständigkeit fast schon einschmeichelnd und die Sinne liebkosend, wäre da nicht diese unheilvolle Aura, die zurückzuführen ist, auf die akustische Gitarre die jene Atmosphäre in ihrer Unscheinbarkeit und Dezenz geradezu hinaufzubeschwören scheint.

Totenesche basiert vornehmlich auf dem verstörenden gesanglichen Beitrag von Sandra Fink, die auch schon bei Sterbender Satyr mitgewirkt hat, und wirkt im Angesicht der gegebenen Instrumentierung , den meterhohen Gitarrenwänden im Stakkato-Gewand, dem verspielt-dramatischen Klavierlauf, schon sehr bizarr, deshalb jedoch nicht weniger faszinierend.

Fortgesetzt wird das atmosphärische Gespann mit Myrmidonenklage, wo die avantgardistische Ader des Duos offenbart wird. Ein brachial-industrielles, spitzes Tonkollektiv in einem Reigen aus schwerfälligen Xylophon-Schlägen und harmonischen Gesängen. Ein ähnlich gegensätzliches Geflecht zeigt sich auch „Des Sperbers Geheimnis“, wo durch das bewusste Brechen einiger Silben die Melancholie der Melodieführung verzerrt wird. Schlaf im Mohn beginnt entgegen aller Erwartung mit einem englischen Sample aus Nervous Tension von Lemon Jelly, nun man mag sagen was man will, aber der Song ist mit einem wirklich herrlichen Schlussrefrain ausgestattet, der den Song unbedingt erwähnenswert macht.

Traum von Blashyrkh ist das vielleicht nachhaltigste Stück des Albums und ein wichtiger Eckpfeiler des Albums – Angespielt wird hier selbstverständlich an das gleichnamige Fantasyreich, welches von Immortal erschaffen wurde. Auch hier hat Sandra Fink den Gesangspart übernommen und überzeugt mit ihrem grotsken Gesang auf ganzer Linie, zugleich hat das musikalische Grundgerüst echtes Hit-Potential. Insgesamt ist Traum von Blashyrkh der wohl eingängigste Song des Albums, trotz des surrealistischen und stets bedrohlichen Settings. Den Song empfehle ich ganz klar als Anspieltipp, zumal er exemplarisch ist, für den lebensfeindlichen Tenor, der das ganze Album durchzieht.

Mit Der Anarchist wird dann auch noch ein Gedicht aus der Feder von Frank Wedeking vertont und musikalisch ansprechend adaptiert. Gesang an den Horusfalken stammt wie bereits Luzifer ursprünglich von Rolf Schilling. Auch hier haben wir ein düster-sakrales Machwerk vorliegen, welches die Folgen des Krieges auditiv aufarbeitet und wiederspiegelt. Ganz große Klasse !

Martin "Rostig" Pilot
Martin "Rostig" Pilot

Fazit:

Greifenherz ist ganz großes High Definition-Kopfkino im 16:9 Format. Es ist respekteinflößend, inwieweit sich das Duo in Richtung Progression und Avantgarde bewegt hat und wie gelungen das Endprodukt nun ist. Auf „Greifenherz“ herrscht eine nie vorher dagewesene Kälte, die dem Themenspektrum um Krieg, Tod und Verfall entsprechend gerecht wird. Die sinistre Tiefe ist es, die klangliche Vielfalt, die der Scheibe merklich gut tut und nur ganz knapp an der Höchstnote vorbei schrammt.





Trackliste:

  1. Falken-Eid I
  2. Luzifer
  3. Schwertgesang
  4. Totenesche
  5. Myrmidonenklage
  6. Des Sperbers Geheimnis
  7. Schlaf im Mohn
  8. Traum von Blashyrkh
  9. Der Anarchist
  10. Gesang an den Horusfalken
  11. Falken-Eid II


( 9,5 / 10 )
( 9,5 / 10 )


Anspieltipps:

Luzifer

Totenesche

Schlaf im Mohn

Traum von Blashyrkh

 

Release:

21.11.2008

Label:

Prophecy Productions

Bandhomepage:

www.orplid.de/


About Rostig

Alter: 23 Beruf: Student Lieblingmusik: Querbeet Hobbys: Musik, Videospiele, Filme, Schreiberei, Kunst

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