Hin und wieder da gibt es Alben, die meine totgeglaubte Liebe zum Deutschpunk überraschend wieder neu zu entfachen vermögen. Es ist dann aber kein wehmütiger Blick zurück, sondern vielmehr die Freude, dass das Genre ohne weiteres und unbemüht immer noch State-of-the-Art bleiben kann. Mit „Alles muss kaputt sein“ liefert das Pfälzer Quartett Pascow anno 2010 genauso ein Album ab.
Und ja, das Album ist gemäß dem Titel ein echter Zerstörer. Unbequem, aber eben auch unkompliziert. Kompromisslos, man kommt aber auch gänzlich ohne Klischees aus. Musikalisch treten Pascow nach wie vor ordentlich in die Eier. Man präsentiert sich schnell, laut und mit adäquatem Druck. Die schrammeligen Gitarren treiben den Hörer voran, die Drums krachen ordentlich. Hervorstechend aber ist vor allem der markante Gesang von Vokalist Alex. Heiser-kratzig schreit er sich die Wut aus dem Leib. Das klingt immer so, als würde er vor dem Zusammenklappen noch ein letztes Mal aufdrehen, um laut „Scheiße!“ zu hinauszubrüllen.
Pascow sind keine Deutschpunk-Abziehbilder und Phrasendrescher. Mit ihren Liedern schreiben sie stattdessen persönliche Geschichten, die ihre Dynamik aus der ihnen innewohnenden Melancholie und Wut schöpfen. Es sind Geschichten die von Enttäuschung über zunehmende Entfremdung in alten Freundschaften handelt („Deine Bastards“), von Sehnsucht nach Flucht („Wenn Mila wieder schläft“) oder vom Gefühl des irgendwie falsch-positioniert-worden seins („Ich bin dann mal durch“).
Eine Ausnahme mag da vielleicht „Ätophien die Bombe“ sein, welches aktuelle Klimadiskussionen aufgreift. Es skizziert dystopische Zukunftsbilder, bleibt aber idealerweise Moralkeulen-abstinent.
Die Songs können alle uneingeschränkt überzeugen, diese max. 3-Minuten Energieschauer sind vor allem durch Alex nervenaufreibenden Schreigesang geprägt. Die Texte mögen zuweilen etwas kryptisch erscheinen, aber letztlich sind die Assoziationen immer klar vorgegeben.
Fazit: Es gibt immer noch genügend Sachen, die einem missfallen könnten, um Deutschpunk zu machen. Und gerade diese Dinge werden bei Pascow trotz aller Chiffren klar benannt. Sie verleugnen ihre Wurzeln nicht und schaffen den Spagat bzw. die Einheit zwischen klassischem Punkertum und intelligenter, tiefergehender Substanz. Gerade das macht Pascow auch so attraktiv und „Alles muss kaputt sein“ zu einer der wichtigsten Punkplatten des Jahres 2010. Es zeigt, dass Punk eben nicht stagnieren und auf der Stelle treten muss – dass Deutschpunk knallhart, authentisch und dennoch aussagekräftig und mitreißend sein kann – dass eben nicht auf ausgelatschten Pfaden gewandelt werden muss.
Tracklist:
1. The strongest of the strange
2. Äthiopien die Bombe
3. Je ne sais pas wo’s lang geht
4. Ich bin dann mal durch
5. Wenn Mila schläft
6. Das ist Gimbweiler nicht L.A.
7. An die Maulwürfe
8. Fritz Feratu
9. KO Computer
10 .Herz
11. Mond über Moskau
12. Deine Bastards
13. Wir glauben an gar nichts und sind nur hier wegen der Gewalt
15. Too doof too fuck
16. 2,5 Minuten echte Gefühle
Anspieltipps: Wenn Mila wieder schläft, Deine Bastards, Too doof too fuck
Erscheinungsdatum: 22.10.2010
Label: Rookie Records
Webpräsenz: www.pascow.de