Cover von Der tolle Mensch

Remember Twilight – Der Tolle Mensch (Review und Kritik)

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Remember Twilight - Der Tolle Mensch

Remember Twilight wurden 2001 in Stuttgart gegründet und veröffentlichten seither zwei CDs, Zerrissen (2005) und Der tolle Mensch (2007). Das gibt irgendwie zu denken, denn entweder handelt es sich um eine Band, die absolut perfektionistisch ist … oder die Leute haben Probleme damit, eine CD zu produzieren.

Neugierig machte mich persönlich jedoch die Bezeichnung des Musikstils: Kammermusik Core. Da ich bereits Coppelius mit ihrer Kammercore Musik (man achte auf den feinen Unterschied!) kenne, irritierte mich die Bezeichnung nicht gar so sehr wie manchen, der diesen Begriff noch nie gehört hat. Zu verstehen ist darunter einfach eine Mischung aus Metal und Kammermusik. ( Bei Remember Twilight werden zum typischen Metal-Repertoire noch zwei Violinen, eine Oboe und ein English Horn hinzugenommen.) Was auf den ersten Blick so gar nicht zu passen scheint, kann sich jedoch, wie gerade Coppelius hervorragend zeigen, wunderbar zusammenfügen.

Obwohl die beiden Bands ihren Musikstil ganz ähnlich bezeichnen und Remember Twilight tatsächlich schon mehrfach als Vorband von Coppelius aufgetreten ist, könnten sie allerdings unterschiedlicher kaum sein. Das kann man schon am Auftreten leicht erkennen. Während bei Coppelius jeder Handgriff inszeniert scheint, jeder Auftritt zu einem Salonstück wird (inklusive Kleidung, die dem 19. Jahrhundert nachempfunden ist), kommen die sieben Musiker von Remember Twilight (Timo – Vocals, Felix – Gitarre, Natalie – Geige, Anne – Geige, Florian – Oboe, Jörg Orendi – Bass, Ole – Drums) eher salopp und gegenwärtig rüber. Das passt natürlich zu ihrer Aussage, dass sie ihren eigenen „freien Willen“ haben, sich nicht dem Spießertum beugen, überhaupt in keine Schublade passen … Aber intellektuell und philosophisch, das wollen sie, laut Aussage auf ihrer eigenen Homepage sein. Eine hohe Messlatte also für Der tolle Mensch.

Die EP besteht aus fünf Stücken, sowie einem Remix des ersten Stücks von der finnischen Band Waltari und dem Videoclip Crushing the Silence.

Mit I.I.I. beginnt es schnell und rhythmisch, zum Headbanging bestens geeignet. Die immer wieder in den Vordergrund tretende Oboe bildet dabei einen schönen Kontrast zu der ansonsten sehr metalligen Musik. Möglicherweise ist mir ja etwas entgangen, aber eine Erklärung für den rätselhaften Titel habe ich nicht gefunden. Zentrale Aussage ist jedenfalls Nietzsches: „Gott ist tot!“. Daraus wird gefolgert: „Tue, was du willst, lebe was du willst, liebe, was du willst! Denn Gott bleibt tot.“ War hier nicht irgendwo von Philosophie die Rede gewesen??? Diese Aussage jedenfalls klingt, zumindest in meinen Ohren, recht pubertär.

Weiter geht es mit Ein Rendezvous – die Begegnung zwischen Vernunft und Verstand morgens um halb acht. Sicher keine ideale Uhrzeit. So werden sie auch „von Geisterhand“ zusammengeführt. Mit verfremdeter Stimme und blechernem Klang konstatiert „die Vernunft“, dass sie sich für die Wirklichkeit hält, während „der Verstand“ schmunzelnd röhrt: „Deine Fehlbarkeit ist mir bekannt. Vernünftig wär’s, zu lesen. Kant ist auch schon hier gewesen, Darwin …“ und die Vernunft lässt sich kurz noch einmal über den freien Willen aus. Schade, dass der auch musikalisch anspruchsvolle Ansatz, der eigentlich mehr erwarten ließ, durch den danach endlos wiederholten Refrain regelrecht erschlagen wird.

Martialisch wird es in K.O., das allerdings auch mit fetzigen Streichern und einem kurzen, aber schönen, Oboensolo aufwarten kann.  „Mein Herz ist tot, meine Seele ist tot, mein Lächeln ist tot …“ … und ich fühl mich auch schon ganz schlecht. Aber es gibt ja noch zwei Tracks …

An meinem Tod Part 1 ist allerdings mit 0:41 Minuten Spieldauer nicht mehr als ein (eher klassisches) Intro zu An meinem Tod Part 2 (4:13 Minuten). Dabei zeigt die Band, dass sie technisch durchaus in der Lage ist, auch dieses Element ihrer Musik reizvoll zu bedienen.

Im Part 2, einem ausnahmsweise ruhigen und balladenhaften Stück, scheint es um Freundschaft und Liebe zu gehen. (Die Texte, die ja angeblich so wichtig sind, gehen leider streckenweise in lautem Gegröle und harten Riffs völlig verloren.)  Das gipfelt in der mehrfach wiederholten Aussage: „Und trotzdem war es sehr schön, euch wieder mal zu sehn, an meinem Tod.“, die zumindest von der Melodie her eindeutigen Ohrwurmcharakter hat. Grammatikalisch allerdings sträuben sich mir die Nackenhaare: „An meinem Tod“? Richtig wäre „bei“ gewesen. Aber das nur am Rande.  Letztendlich kann auch dieser Song die EP für mich leider nicht mehr retten.

Ganz zu schweigen von dem I.I.I.-Remix, der nun wirklich fast nur noch auf die Aussage: „Gott ist tot!“ (dumpf gegrölt) reduziert ist. Und dem Video- Bonustrack, der durch „Low Budget“ wohl noch am sensibelsten umschrieben wird.

Fazit: Mich stört vor allem, dass die Band ihre vollmundigen Ankündigungen, was den Inhalt der Songs angeht, nicht einhält. Auch musikalisch sehe ich zwar schöne Passagen, die aber leider nur Passagen bleiben, statt zu einem harmonischen Ganzen zusammen zu wachsen. Doch man sollte nie vergessen: Auch Rezensenten äußern hier letztendlich nur ihre persönliche Meinung. Denn: Objektivität ist eine Illusion. Wie schon die alten Philosophen wussten. Von daher: Wer sich für innovative Bands mit Hard-Core-Metal-Hintergrund interessiert und Interesse an Musik außerhalb der gängigen Raster hat, ist mit Remember Twilight möglicherweise gut bedient.

Remember Twilight Ende September 08
Remember Twilight Ende September 08 beim Coppelius-Konzert in Kaiserslautern. Foto: Tom Plum

Tracklist:

  1. I.I.I.
  2. Ein Rendezvous
  3. K.O.
  4. An meinem Tod Part 1
  5. An meinem Tod Part 2
  6. I.I.I. Remix
  7. Bonustrack (Video): Crushing the Silence

Remember Twilight im Internet:

www.remember-twilight.de

www.myspace.com/kammermusikcore


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