Am 19.09.2015 erschien bei Les Acteurs de l’Ombre mit „Aether“ das erste Album in voller Länge von Déluge. Die französische Neuveröffentlichung bietet über 55 min an Post-apokalyptischen Klängen zwischen Blackmetal und Hardcore.
Alles beginnt mit „Avalanche“, was ins Deutsche übersetzt so viel wie Lawine heißt. Die unvermeidliche Naturgewalt wird durch gewaltig wütendes Blackmetal-Geknüppel verkörpert: Das Schlachtwerk tobt treibende Rhythmen voran, während satte Gitarren dem musikalischen Klang Tiefe verleihen und bellend-keifender Core-Gesang hastige Verse erschallen lässt. Dann folgt Stille. Wie ein erleichterndes musikalisches Seufzen im Angesicht des unausweichlichen Todes erklingen Einzeltöne, die einsam durch den Raum hallen, ehe sie von kurzen Akkorden aufgegriffen werden und unter der Dramatik andauernder Lead-Einlagen mit betonten Pausen in hassgepeitschte Blast-Passagen übergehen. Der Kontrast ist gewaltig. Absolut stimmiger Anfang.
Der zweite Track trägt den Namen „Appat“ (dt.: Köder) und beschäftigt sich inhaltlich mit dem Verfall der Menschheit. Im Hintergrund bilden rasante Drums und langgezogene, verzerrte Rhythmus-Riffs die Basis, die durch langsame, markante Leads und giftig-helle, gebellte Vocals ergänzt wird. Auch hier wird bewusst mit Pausen gearbeitet, die durch leise, harmonische Gesangsmelodien unterstützt werden. Die nachdenklich ruhige Passage wird binnen weniger Momente aufgebrochen und schwere Metal-Klänge erfüllen den musikalischen Raum. Das Lied endet nach einem kurzen Fade-out mit seicht hallenden Einzeltönen und wandelt sich dann binnen weniger Sekunden zu absoluter Stille.
Ungewohnt leise beginnt der dritte Song „Mélas | Kh?lé“. Schleppende Gitarrenriffs und betont begleitende Drums eröffnen das Spiel, zu dem der einsetzende melodische Klargesang hypnotisierend wirkt. Ein kurzes Aufbäumen zu einer aggressiven Blast-Passage, dann wieder Stille und tiefdringende, hallende Einzeltöne. Faszinierend, fesselnd, mitreißend!
Mit „Naufrage“ (dt.: Schiffbruch) geht es etwas treibender weiter. Satte Gitarrenrhythmen treffen auf hintergründige Drums und leiten damit die Irrfahrt der Seelen auf den Weiten der Existenz ein. Kurze Blastparts steigern das Tempo unter wütend-heulenden Versen aus dem Jenseits. Durch kräftige Rhythmus-Riffs steigert sich die musikalische Spannung langsam, nur um dann in kompletter Stille zu enden, die nur durch wenige, gezielt gesetzte hallende Einzeltöne durchbrochen wird. Man könnte den Aufbau der Lieder als bewusst entschleunigend beschreiben. Während man von kraftvoller, energetischer Musik gewohnt ist, dass sich Rhythmus, Tempo und Klangvielfalt zum dramatischen Höhepunkt hin steigern, setzten die Kompositionen von Déluge auf einen plötzlichen Abfall von Schnelligkeit, Vielstimmigkeit und Brachialität und schaffen damit eine unvergleichlich intensive Atmosphäre voll von wunderschöner nachdenklicher Stille. Einfach fesselnd.
Der fünfte Track heißt „Houle“ (dt. Seegang) und nimmt die Abklänge des vorherigen Songs nahtlos in sein Konzept mit über und bricht dann mit wütend gekeiften Vocals, treibenden Gitarrenriffs und heftigen Drumparts in Blackmetal aus. Ein paar ruhigere Stellen nehmen die Schnelligkeit aus der Musik und gehen dann wenig später gekonnt in kurze Blast-Phasen über. Das Ende besteht aus der Wiederholung betonter Riffs – passend zur Erkenntnis im Songtext. Ohne die Lyrics zu betrachten könnten grade die letzten Töne etwas zu oft wiederholt worden sein. Regen/Gewitter-Sampler führen nahtlos in den nächsten Song über.
„Klarträumer“ beginnt mit düsteren Keyboards, die für eine dringliche Hintergrundatmosphäre sorgen. Tiefe Pianotöne mischen sich langsam dazu und bilden mit hallenden Gitarren-Einzeltönen eine fesselnde Stimmung voller Gedankenschwere und Einkehr. Die ruhige Passage wird durch das Anspielen und Ausklingen von satten Gitarrenriffs durchbrochen. Wenige gezielte Schlagzeug-Töne ergänzen die Rhythmik, ehe satte Double-Bass-Drums und rasante Riffs den musikalischen Raum mit Blackmetal füllen. Rhythmus, Tempo und Intensität steigern sich und bieten Stellen voll von brachialer musikalischer Gewalt, dann kehrt wieder Stille ein und sanfte Piano-Töne vollenden den Song unter stetigem Regen.
Mit „Vide“ (dt.: Leere) geht es weiter. Neben Wellenrauschen und einsamen Gitarren-Einzeltönen ist das kaum verständliche Wispern einer Stimme zu hören. Die Atmosphäre klingt verloren, hoffnungslos, aufgegeben und gibt damit auch das lyrische Thema auf geeignete Weise wieder. Immer wieder entlädt sich die vorhandene Spannung in verzerrten Gitarrenriffs, rasenden Drums und bellenden Vocals. Vereinzelt bringen Dynamische Wechsel und Bridges etwas mehr Facettenreichtum ins Spiel. Auch hier wird durch den Regen-Sampler eine Überleitung zum nächsten Song geschaffen.
Der achte Track heißt „Hypoxie“ und beginnt mit seichten Regenklängen und vereinzelt hallenden Gitarrentönen. Dann übernehmen verzerrte Gitarren, hastige Drums und heulend-bellende Vocals. Obwohl die einzelnen Elemente wunderbar aufeinander abgestimmt sind bleibt das Konzept der Wechsel zwischen Highspeed-Blackmetal und ruhig hallenden Einzeltönen seit Anfang des Albums stets präsent, was dazu führt, dass der Funke hier nicht so recht überspringen will.
Der letzte Song trägt den Namen „Bruine“ (dt.: Nieselregen) und bleibt in Bezug auf Aufbau und Klang dem bisherigen Stil des Albums treu, endet aber unerwartet plötzlich.
Fazit
Déluge haben mit „Aether“ ein Album geschaffen, was besonders durch die unerwarteten Wechsel im Liedaufbau besticht. Es scheint so, als würden die enthaltenden Songs ihre hypnotische Wirkung immer dann erzielen, wenn man meint den weiteren Verlauf vorauszuahnen. Die stilistische Mischung von Blackmetal und Post-Hardcore überzeugt durch ihre Klangfarben. Hierbei sei allerdings angemerkt, dass die gebellten Core-Parts meiner Meinung nach nicht immer passend sind. Geschmackssache. „Aether“ eignet sich hervorragend als musikalische Untermauerung einsamer, nachdenklicher Momente. Wer allerdings große Vielfalt und Facettenreichtum erwartet, könnte nach dem 4-5 Song vielleicht gelangweilt sein. Lohnt sich – aber nicht zu jedem Anlass. Für die fesselnd-geniale Idee hinter „Aether“ braucht es in jedem Fall Ruhe und Zeit.
Tracklist
- Avalanche 04:50
- Appât 05:18
- Mélas | Kh?lé 03:54
- Naufrage 05:14
- Houle 06:53
- Klarträumer 09:29
- Vide 06:09
- Hypoxie 07:14
- Bruine 06:32