REZENSION: Enslaved – In Times

Am 06.03.2015 haben ENSLAVED mit “In Times” ihr 13. Album in voller Länge veröffentlicht. Die enthaltenen sechs Songs schaffen eine mitreißende Atmosphäre, die kraftvolle Progressive Blackmetal-Töne mit ruhigen, nachdenklichen Passagen verbindet.

Enslaved - In Times - Artwork

Enslaved sind wohl eine der wenigen Bands im Bereich Blackmetal, die seit den Anfängen 1991 dabei sind und konstant mit neuen Veröffentlichungen aufwarten können, ohne lange schöpferische Pausen durchlaufen zu müssen. Die stilistische Ausrichtung zwischen Progressive Black- und Vikingmetal ist so erfolgreich, dass sie dafür schon mehrfach mit dem norwegischen Grammy ausgezeichnet wurden. Das aktuelle Werk „In Times“ ist weniger Viking als sein Vorgänger „RIITIIR“, überzeugt aber auf ganz eigene Art und Weise.

In gewohnter Härte beginnt „Thurisaz Dreaming“. Gitarren und Bass schmieden markante Melodien auf der kraftvoll rhythmischen Basis, die vom Schlagwerk im Hintergrund erschaffen wird. Die kratzig-kehligen Verse hallen wütend durch den Raum, während absolut geil klingende, langegezogene Leads den Hörer in Sphären voller Tiefe ziehen. Dann verlaufen sich die Töne plötzlich im Nichts, und eine ganz neue Facette des Songs beginnt. Die treibend betonte Bass-Line bildet die Grundlage für ruhige ausklingende Riffs, begleitende Drums und gedankenschwere Clear-Vocals. Es wirkt wie eine Wanderung durch das Bewusstsein – eine Traumreise durch die Existenz. Die geschaffene Atmosphäre bricht entlang ruhiger, kehliger Verse und facettenreicher Lead-Riffs immer mal wieder ein wenig auf, bis chorale Elemente schließlich einen Wechsel zu heftigeren Blackmetal-Parts einleiten. Der Abschluss ist absolut stimmig und führt zum musikalischen Thema vom Anfang zurück.

Building with Fire“ ist der zweite Song und beginnt mit atmosphärischen Synthi-Klängen. Der sehr präsente Bass und die Gitarren bilden eine rhythmische Einheit, zu welcher der klare Gesang mit melodisch, gefühlvollen Versen vom ewigen Sein und Vergehen berichtet. Dabei wechselt der Gesang passend zum zerstörerischen Thema zu typischem Blackmetal-Gekeife. Die Clear-Parts entfesseln melancholische Melodien, die durch den Einsatz choraler Gesangspassagen noch verstärkt werden. Das Schlagzeug bleibt größtenteils begleitend – Vocals sind eindeutig im Vordergrund. Etwa zur Hälfte des Songs erklingt ein längerer Instrumentalpart, aus welchem treibende Metal-Rhythmen mit wütenden Growls herausführen, ehe das Lied ausklingt wie es begann.

Der dritte Track trägt den Namen „One Thousand Years of Rain“ und startet passend dazu mit tropfenden Lead-Riffs, die wie Regen im musikalischen Raum erschallen. Die gedrückte Atmosphäre wird durch hoffnungsvolle Melodien durchbrochen. Der kratzig-kehlige Gesang berichtet vom ewigen Krieg der Menschen – vom ewigen Kämpfen und Sterben. Ruhige Passagen schaffen durch betonte, satte Riffs und einen gefühlvoll dazu passenden Klargesang eine absolut geile und epische Tiefe. Mit nahtlosen Wechseln zu treibenden Metalparts wird dann wieder Härte ins Werk gebracht, und das Schlagzeug kommt mehr zur Geltung.

Nauthir Bleeding“ beginnt ruhig mit Clear-Vocals, dezenten Drums und wenigen Einzeltönen. Die folgenden Übergänge zwischen hämmerndem Blackmetal und eher gefassten, harmonischen Parts sind durch kurze Pausen und Bridges facettenreich gestaltet und gehen nahtlos ineinander über. Eine sehr gelungene Fusion, an der besonders die Leads und der abwechslungsreiche Gesang überzeugen. Die ruhigen Clear-Parts erschaffen eine betonte rhythmische Basis, aus der fiese Blackmetal-Passagen immer wieder kraftvoll ausbrechen können. Müsst ihr gehört haben!

Der fünfte Song ist zugleich Namensgeber des Albums und trägt den Titel „In Times“. Zu einer prägnanten Bass-Line und begleitenden Drums erschallen malerische Leads, ehe mit kurzen betonten Riffs und kratzigen Vocals Blackmetal ins Spiel kommt. Die Reise durch die Unendlichkeit von Zeit und Raum wird immer wieder entlang von Wechseln von harmonischen zu kraftvollen Stellen vollzogen, so dass sich ein stetiger musikalischer Kontrast auf die vollen fast 11 Minuten entwickelt. Manch Gitarren- und Gesangsmelodie klingt ein wenig zu positiv-optimistisch, was dem Gesamteindruck allerdings nicht schadet. Viele Stellen wirken entkräftend und verkörpern damit das musikalische Thema der Bedeutungslosigkeit im Angesicht des Universums auf passende Weise.

Der letzte Track „Daylight“ beginnt mit harmonischem Chorgesang, zu dem sich nur wenig später kratzig-kehlige Verse gesellen. Gitarren, Bass und Schlagzeug bleiben eher im Hintergrund. Der Song nimmt sich genug Zeit für ganz leise Momente voller Tiefe und Schönheit, aus denen sich wiederum ruhige rhythmische Clear-Parts und heftige Metalpassagen bilden.

 

Fazit:

Mit „In Times“ haben Enslaved ein Werk geschaffen, das an vielen Stellen unter die Haut geht. Besonders die vielen atmosphärischen Wechsel, die tollen Gesangsparts und die klangvollen Leads begeistern hoffnungslos. Ein weiteres Beispiel, dass Clear-Vocals und Blackmetal harmonieren können. „In Times“ überzeugt durch Ideen- und Facettenreichtum, durch professionelle Riffs, durch epische Lyrics und einen insgesamt mitreißenden Klang. Solltet ihr unbedingt einmal anhören!

 

Tracklist:

  1. Thurisaz Dreaming 8:13
  2. Building With Fire 8:49
  3. One Thousand Years of Rain 8:13
  4. Nauthir Bleeding 8:10
  5. In Times 10:44
  6. Daylight 8:56

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Musik ist eine der schöpferischten Dinge die es gibt. Sie kann verborgene Kräfte freisetzen und ungeahnte Tiefen aufdecken. Ein und derselbe Moment kann durch die "richtige" Musik unvergleichlich werden. Musik ist der Versuch ein Gefühl in wenigen Minuten Spielzeit einzufangen. So viele unterschiedliche Facetten es von menschlichen Emotionen gibt, so unterschiedlich kann auch die Musik sein. Und so erschlossen auch schon das Feld der Interpretationen von musikalischen Themen scheint, so überraschter ist man doch, wenn hier und da neue Werke entstehen, die noch tiefer unter die Haut gehen als jemals für möglich gehalten. Lasst uns schwache Momente haben in Sphären voller Traurigkeit, lasst uns von Zerstörung träumen in Zeiten der Wut und lasst uns mit einem Lächeln die Augen schließen wenn der Klang der Melodien die Hoffnung nährt. Musik ist lebendig. Also lasst uns gemeinsam die richtige Musik suchen für den richtigen Augenblick.

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