Sara Noxx – Interview

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Sara Noxx

Sara Noxx ist eine in der Szene sehr bekannte Lyrikerin und nebenbei auch eine fähige Musikerin und Sängerin. In diesem uns dankenswerterweise von Prussia Records zur Verfügung gestellten Interview redet sie über ihr neues Album „Into(x)xication“. Viel Spaß beim Lesen!

Dass die aktuelle Sara Noxx Single Superior Love für sich genommen absolut tragfähig ist, steht ausser Frage. Auch sonst beinhaltet das neue Album, der Musikerin und Lyrikerin, unzählige weitere prägnante Songs wie zum Beispiel: Prepossessing, Berlin at Night, So much more oder Deeper. Nähere Informationen gab Sara uns in diesem Gespräch.
Schwarze-News: In(t)oxxication wirkt auf mich absolut eingängig und stimmig. Wie gehst du bei den Songs vor, wenn du sie schreibst?

Sara Noxx: Zuerst entsteht bei meinen Titeln in aller Regel die Melodie. Während des Komponierens, manchmal auch erst nach Vollendung, werden Bilder, Erlebnisse, Gefühle in meinem Denken präsent. In Worte gefasst, komplettieren sie den Song. Sowohl die Musik als auch der Texxt entstehen intuitiv.

SN: Ich habe noch nie einen schöneren Opener eines Albums gehört wie „Flight 257“. Ein fantastisch einsetzender Beat – Aber warum die Bezeichnung eines Unglücksfluges in Indien? Ein Zufall?

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In(t)oxxication

Sara Noxx: Die Zahl ist nicht zufällig gewählt, aber der Hintergrund ist ein anderer: der 25.7. ist der Todestag meines Vaters…

SN: Beim ersten Hören fiel mir „Berlin at Night“ direkt ins Ohr – was verbindest du mit Berlin bei Nacht?

Sara Noxx: Nun, die Verbidnung zwischen Mister President und der deutschen Hauptstadt dürfte nicht nur Geschichtsinteressierten bekannt sein, war für mich aber nicht ausschlaggebend für die Idee zu „Berlin At Night“.
Ich liebe Berlin und dennoch ist diese zauberhafte Stadt, umgeben von einer unvergleichlich charmant-pulsierenden Aura, für mich ein zweischneidiges Schwert.
In Hauptstadtnähe aufgewachsen, gelingt es mir noch heute schwer, die Narben der Teilung zu übersehen. Als Kind habe ich oft am Brandenburger Tor gestanden, unifomierte, bewaffnete Männer stets präsent, die am Weitergehen hinderten. Ich erinner` mich meiner Tränen und der Unfähigkeit, zu verstehen … Dieser Schmerz ist niemals ganz von mir gewichen und noch heute bin ich tief berührt, wenn ich mit dem Auto nach Berlin fahre, die ehemalige Transitstrecke nutzend, die Avus entlang … Diese wundervolle Stadt hat soviel Leid erlebt … Bei Spaziergängen über den Potsdamer Platz, am Reichstag, bleibe ich oft vor den Kreuzen stehen, die von den Mauertoten zeugen … Junge Leben derart sinnlos ausgelöscht … 
Mein Vater starb in Berlin.
Dies alles Gedanken, die mich bewegten zu „Berlin At Night“. Keine Anti-Hymne – Ein Liebeslied voller Schmerz, Trauer und Respekt …

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Sara Noxx

SN: In „Your Song“ dankst du einem Gegenüber, als stünde eine reale Person dahinter.

Sara Noxx: Ja, es handelt sich einem realen Dank. Your Song ist dass Ergebnis zwischenzeitlichen Erkennens und ein Bekenntnis.

SN: „So much more“ ist einer der besten ruhigen Noxx Tracks den ich je gehört habe. In „Russian Dream“ verarbeitest du ebenfalls fremdsprachige Komponenten.

Sara Noxx: Mein Faible für die verschiedenen Kulturkreise habe ich bereits bei „XX-Ray“ ansatzweise ausgelebt.
Mit der russischen Kunst und Kultur, dem russischen Volk verbindet mich dabei eine ganz besondere Liebe, und der Zolle ich in „Russian Dream“ Tribut.

SN: „Russian Dream“ finde ich musikalisch faszinierend. Es erinnert mich ein wenig an Philip Glass. Interessierst du dich für Musik ausserhalb des Pop-Kontexts?

Sara Noxx: Ich höre sehr gern klassische Musik und bin immer wieder neu beeindruckt von den unglaublichen Arrangements der Komponisten oder dem Stimmvolumen der Vokalisten. Gleichzeitig begleiten mich die elektronischen Sounds der Achtziger wie ein lieb gewonnener Freund. Auch in der Musik weiß ich also die Farbvielfalt, den Facettenreichtum durchaus zu schätzen.

SN: War die Arbeit am Album von irgendwelchen Umständen geprägt die du uns mitteilen möchtest?

Sara Noxx: „In(t)oxxication“ entstand in einer für mich sehr schwierigen Zeit, die leider nicht einmal latent von Frohsinn geprägt war …

SN: Wie sehen deine kommenden die Konzerte aus? Was erwartet uns wenn Sara Noxx auf der Bühne steht – und: wird Limahl auch zu Gast sein und singen? Oder die Herren von 18 Summers?

Sara Noxx: Unterstützt werde ich live von Sven Wolff (Essexx, Patenbrigade:Wolff) an Bass oder / und Keybord, einem Gitarristen und einer Videoanimation, zuweilen von weiteren Gastmusikern. Möglich ist stets alles ! 😉

SN: Zusammenarbeiten wie mit Limahl, 18 Summers, Project Pitchfork inspirieren Dich doch sicher immer wieder aufs neue?

Sara Noxx: Vor allem ehren mich diese Zusammenarbeiten sehr. Mit Künstlern, die ich seit vielen Jahren schätze, die mich in den unterschiedlichsten Perioden meines Lebens begleitet haben, eigene Titel umsetzen zu dürfen, erfüllt mich mit Dankbarkeit und Stolz.

SN: Du arbeitest ja mit vielen verschiedenen Künstlern zusammen. Bist Du mit einigen auch privat befreundet und unternimmst ab und zu mit ihnen was?

Sara Noxx: Die Kooperationen sind zuweilen Ergebnis einer langjährigen Freundschaft, in anderen Fällen entwickelte sich aus der Zusammenarbeit heraus eine Sympathie. In jedem Fall schätze ich die musikalischen Kreationen derjenigen, die mich auf meinen Alben / Singles unterstützen.
Leider erschwert die räumliche Entfernung regelmäßige Unternehmungen oftmals, dank modernster Technik ist es heutzutage glücklicherweise dennoch problemlos möglich, den Kontakt zu denjenigen Menschen, die auch das Leben abseits der Musik bereichern, zu pflegen.

SN: Hast Du eine geheime Liste von zukünftigen Duettpartnern?

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Sara Noxx

Sara Noxx: … Die bleibt besser geheim … 😉

SN: Nun hast du ja doch schon dein sechstes Album – was kannst du uns aus deiner Schaffensperiode heraus erzählen? Ein kurzes Resumee?

Sara Noxx: Vor allem macht mir die Tatsache, daß es sich bereits um mein 6. Album handelt, die Vergänglichkeit des Daseins bewußt. Mit jedem dieser Alben halte ich einen Teil meines Lebens in der Hand – Ein lächerlich verzweifelter Versuch, Erinnerungen für die Ewigkeit zu bewahren … 

SN: Kommen wir kurz auf deine Texte zu sprechen, denn du giltst in der Szene nicht umsonst als Lyrikerin – was möchtest du ausdrücken? Und wann schreibst du deine Texte am liebsten?

Sara Noxx: Meine Texxte entstehen immer und überall, Inspirationen finde ich täglich in unendlicher Fülle. In meinen Liedern verabeite ich Ereignisse aus meinem Leben, setze mich mit meinen Ängsten, Träumen, Hoffnungen, mit Schmerz , Enttäuschung und Trauer auseinander. Ich bezeichne seit jeher meine Lieder als mein musikalisches Tagebuch, Zeugnis meines Lebens. 

SN: Es gibt viele Künstler, die gerade aus einem Protestpotential heraus ihre Texte erarbeiten. Andere hingegen setzen sich eher mit verinnerlichten Dingen auseinander. Wie würdest Du Dich selbst beschreiben?

Sara Noxx: In den Momenten, von denen meine Lieder erzählen, bin ich für Protest zu schwach …

SN: Vor einigen Jahren hast du ja mit „Lyrixx“ einen Bildband mit Gedichten herausgebracht – ist so etwas mal wieder in Planung?

Sara Noxx: Ich möchte nicht ausschließen, daß irgendwann auch ein „Lyrixx ll“ erscheinen wird, allerdinxx xxistiert dafür noch kein konkreter Zeitplan.

SN: „Lyrixx“ war ein sehr persönliches Buch. War es schwer für Dich den Lesern einen solch tiefen Blick in Deine Seele zu erlauben?

Sara Noxx: Nein, in Anbetracht der Tatsache, dass ich mich meist hinter Ambivalenzen zu verstecken suche und dies sowohl den Lesern als auch mir selbst einen weiten Raum an spekulativer Interpretation eröffnet und gewährt, fühle ich mich trotz Offenbarungen niemals wirklich nackt …

SN: Wie auch schon in all Deinen anderen Veröffentlichungen spielt auch bei dem neuen Titel das XX eine bedeutende Rolle… glaubst Du, dass solche liebevollen Details auch gebührenden Respekt einfordern können?

Sara Noxx: Hm, darüber mache ich mir, ehrlich gesagt, keine Gedanken. Für mich ist das XX liebgewonnenes Buchstabenspiel und wiedererkennbares Markenzeichen geworden, an dem ich auch zukünftig festzuhalten gedenke – Es sei denn, mir gehen irgendwann die Assoziationen aus, nur erscheint mir dies eher unwahrscheinlich. 😉

SN: Schon die letzten Fotos zu Essexx, Sara Noxx und nun auch die Videos zeigen, dass sich im Hause Noxx auch einiges an visuellem tut. Gründe dafür sind sicherlich beim Label zu suchen, denn was der dort verantwortliche Guido Müller an Arbeit leistet ist grandios. Dass das nicht selbstverständlich ist zeigt die stetig anwachsende Stagnation der Szene. Bist Du stolz dazu zugehören?

Sara Noxx: Definitiv bin ich stolz, daß Guido sich für Sara Noxx und seine Bands nahezu aufopfert. Sein Engagement und Ideenreichtum haben mir viel ermöglicht und ich bin froh, ihm auf diesem Wege endlich einmal für all das danken zu können. Ich habe bei ihm / Prussia endlich ein musikalisches Zuhause gefunden, in dem ich mich wohl und geborgen fühle. ?

SN: Was ist sonst so in der Zukunft geplant im Hause Noxx?

Sara Noxx: Ich bin nicht strebsam genug, Vorhaben oder Ziele konsequent zu verfolgen, zumal mich das Leben selbst nahezu täglich lehrt, dass sich nichts planen lässt. Viel mehr genieße ich es, vom Leben überrascht zu werden, arrangiere mich mit den Umständen und stelle mich spontan den Herausforderungen, die es für mich bereithält …

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Interview: Prussia Records

Bearbeitung & Kontakt: Alexander „Fenriz“ Schatten

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