Stealing The Bride - Roommates

Stealing The Bride – Roommates (Review und Kritik)

Stealing The Bride - Roommates
Stealing The Bride - Roommates

„Roommates“, diesen Titel trägt das Debut-Album der Mainzer Rockband Stealing The Bride, die dieses Album im Eigenvertrieb am 26.03.2009 veröffentlichten. Die Band selbst war mir bisher unbekannt, obwohl sie seit Ende 2005 im Raum Frankfurt/Mainz mehrere Auftritte hatte. Doch wie heißt es: „Gut Ding will Weile haben“, und so überrascht „Roommates“ mit 10 Songs von so hervorragender Qualität, wie sie nur selten bei Erstlingen regionaler Bands zu finden ist.

Die vierköpfige Newcomer-Band mit Frontsängerin Patricia ordnet sich selbst unter Alternative/Rock ein und überzeugt mit starker Lyrik und hochwertiger musikalischer Umsetzung.

 

Stealing The Bride
Stealing The Bride

Rockbands mit Frontsängerinnen leiden heutzutage stark unter Vorurteilen: „female-fronted“ enthält einen gewissen bitteren Beigeschmack und ist für viele eine Art Warnsignal, sich mit solchen Bands nicht weiter zu beschäftigen. Man denke beispielsweise an das Gejaule der zahlreichen Nightwish-Nachahmer… Stealing The Bride jedoch fällt in eine andere Kategorie: Rockband. Sängerin Patricia erzeugt mit  energiegeladener und rockiger Stimme stets eine passende Atmosphäre, die sich in die musikalische Interpretation einfügt anstatt schrill davon abhebt.

 

Stealing the Bride - Newcomer des Monats
Stealing The Bride - Newcomer des Monats

Musikalisch beweist Stealing The Bride eine breite Vielfalt, aber alle Songs haben eins gemeinsam: Bewusst kryptische, durchdachte Lyriks, die aus dem Leben gegriffen sind und menschliche Probleme und Verhalten thematisieren. So beginnt die Scheibe mit dem Song „The Desert Inside“, der die Verwahrlosung und Sinnleere internetsüchtiger Personen durch teilweise psychedelisch anmutenden Gesang und passender musikalischer Untermalung durch Bass und E-Gitarre wunderbar in Szene setzt. Diese Opfer der heutigen mediendominierten Gesellschaft verspüren eine innere Leere, eine seelische Wüste, die sie verzweifeln lässt und im „digital suicide“, einem digitalen Selbstmord als Flucht in die Realität gipfelt.

 

Stealing The Bride
Stealing The Bride

Nun folgt ein Kontrast, die zuvor relativ ruhige Stimmung wird durch das aggressive E-Gitarren-Intro von „Agravic Grooves“ gebrochen, die treibende Atmosphäre wird allein durch den zwar energiegeladenen, aber ruhigeren Gesang gebremst. Dies mindert jedoch keinesfalls die Intensität des Songs, der von der Musik als individuelle Kraftquelle berichtet, in die man sich angesichts schwieriger Situationen flüchten kann. „Going to Extremes“, der folgende Track, beinhaltet nicht nur inhaltlich Extremsituationen wie ständige Party und Drogenkonsum, sondern vereint auch musikalische Extreme: ruhigen Passagen, die abrupt durch harten Rocksound abgelöst werden und stakkato-geprägten Passagen, diese krasse Vielfalt unterstützt das lyrische Thema: Wie extrem darf es werden? Wo ist die Grenze, an der Körper und Seele einfach schlappmachen, da die Belastung zu groß wird?

Auf diese philosophisch angehauchten Songs folgt nun ein waschechter Rocksong, ein persönliches Highlight von „Roommates“. „Cry Wolf“ bietet im Vergleich zu den vorangegangenen Songs einfach einen von Anfang bis Ende rockigen, treibenden Sound, in dem nun endlich auch Patricias Gesang ohne Ausnahme die treibende Atmosphäre stützt. „Cry Wolf“ – das bedeutet im Deutschen etwa „falschen Alarm schlagen“. Dieses Fehlverhalten zu vieler Menschen prangern Stealing The Bride an, die Glaubwürdigkeit nimmt bei mehrfachen „falschen Alarm“ drastisch ab, sodass in der Konsequenz damit zu rechnen ist, dass in einer ernsten Situation keiner auf die Worte solcher Menschen reagieren wird.

„La Mala Vida“ ist dagegen wieder bewusst ruhig und rhythmisch. Im 3/4-Takt beginnt der Song mit ruhigem Gesang, steigert sich aber im Verlauf bis hin zur Konfrontation mit dem zweiten, „bösen“ Ich, dem Wunsch-Ich der Protagonistin. Die Passagen des zweiten Ich sind in Spanisch gesungen, das südländische Temperament und die Begierde kommt dadurch zum Ausdruck. Auch die jazzartigen Bassklänge unterstützen die Stimmung des Songs, der durch die vielen Details praktisch als Filmszene vor dem geistigen Auge abläuft.

 

Stealing The Bride
Stealing The Bride

Mit „Invaders“ liefert die Band einen weiteren grundsoliden Song mit einem wichtigen thematischen Hintergrund: Die Mächtigen der Gesellschaft glauben, sich alles kaufen zu können doch mit „Strike back the Invaders of our minds“ liefert Stealing The Bride eine Kampfansage. Widerstand ist angesagt, Verhalten und Absichten sind zu hinterfragen – der eigene Geist ist die letzte Bastion des Individuums, die es zu verteidigen gilt.

Darauf folgen jedoch die meiner Meinung nach musikalisch besten Songs des Albums: „November Heat“ und „Contagious“, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten und in direkter Folge einen fabelhaften Kontrast darstellen. „November Heat“ ist wieder original rockig, stakkatohafte Gesangsfetzen unterstützt von schnellen E-Gitarrenriffs erzeugen eine treibende, fieberhafte Atmosphäre, die mitreisst und fesselt. „November Heat“, ein Phänomen unerklärlich warmen Wetters trotz Winter, dass die Menschen verunsichert – oder spielt Stealing the bride mit diesem Song auf etwas anderes an?
„Contagious“ kontrastiert dies mit einer melancholischen, ruhigen Stimmung, die wunderbar besonders durch die energiegeladene, charismatische Stimme von Patricia erzeugt wird. Der angedeutete Selbstmord bietet eine Möglichkeit zur Flucht vor den Lasten und Schmerzen des Lebens. Übersetzt bedeutet der Titel „Ansteckend“ – diese Stimmung ist in der Tat ansteckend und mitreißend, gefährlich für jeden, ein Sumpf, aus dem man sich schwer befreien kann.

Mit „Train Song“ schließt sich ein wieder rhythmischer Song an, der Stakkato-Gesang charakterisiert das durch „Still on the run“ beschriebene Leben. Ein Ortswechsel bringt ein neues Leben, eine neue Party mit neuen Freunden. Ein bindungsloses Leben, dem Spaß hinterherrennend, aber erfüllt es und macht es auch glücklich?

Zu guter letzt findet sich der titelgebende Song des Albums „Roommates“. Der rätselhaft gestaltete Songtext, der von den mysteriösen Mitbewohnern erzählt, wird duch experimentelle Klänge untermalt. Ein vielleicht episches Stück von künstlerischem Wert, weniger jedoch für eine Party geeignet.

gussi

Fazit: Eine durch und durch gelungene Scheibe! Besonders die lyrische Qualität, aber auch die musikalische Vielfalt, die die Themen gekonnt passend in Szene setzt, wissen dem Rockmusik-Fan zu gefallen. Daneben finden sich der ein oder andere härtere Klang, der durchaus nach einer Live-Show schreit, anstatt im heimischen CD-Player zu verweilen.

Stealing The Bride haben mit diesem Debut-Album bewiesen, dass in dieser Konstellation ein hohes Potential steckt und haben den Status Newcomer des Monats redlich verdient!


Tracklist:

  1. The Desert Inside
  2. Agravic Grooves
  3. Going To Extremes
  4. Cry Wolf
  5. La Mala Vida
  6. Invaders
  7. November Heat
  8. Contagious
  9. Train Song
  10. Roommates


( 8 / 10 )
( 8 / 10 )


Veröffentlichung:

26.03.2009

Anspieltipps:

– Cry Wolf
– November Heat
– Train Song


http://www.stealingthebride.de/
http://www.myspace.com/stealingthebride

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