Das neue Album Kreuzfeuer von Subway to Sally

Subway to Sally: Kreuzfeuer – Review und Kritik

Das neue Album Kreuzfeuer von Subway to Sally
Subway to Sally - Kreuzfeuer

Nun halte ich es also in der Hand, Kreuzfeuer, das neue Album von Subway to Sally. Es ist das zehnte der 1992 gegründeten Band, die mit Folk Musik begann, dann überraschend in Richtung Mittelalter schwenkte, 2003 so manchen Fan bei Engelskrieger mit fast Rammstein-rockigen Tönen schockierte, 2005 auf Nord Nord Ost mit sehr viel ruhigerem Sound, sehr tiefgründigen, teils fast märchenhaften Lyrics aufwartete, 2006 auf der Akustik-Tour Nackt bewies, dass sie auch ohne Strom überzeugen kann, zuletzt 2007 das Album Bastard herausbrachte und mit dem darin enthaltenen Auf Kiel 2008 bei Stefan Raab den Bundesvision Song Contest gewann. Eine steile Karriere also, die aber auch bei jeder neuen Veröffentlichung die Erwartungen höher schraubt …

Optisch zumindest ist das Album schon einmal ein recht aufwändig gestaltetes Schmuckstück. Das brennende Fadenkreuz auf der Titelseite ist in Prägedruck hervorgehoben. Auf der Innenseite prangt ein Schwarz-Weiß-Foto, das teilweise rot eingefärbt wurde: Simon und Bodenski kreuzen kämpferisch zwei Stangen, an denen oben Feuer züngelt. Dann die Überraschung: Da muss man ja noch zwei Teile aufklappen! Es ergibt sich das Bild eines Kreuzes aus Feuer, in dessen Mitte sich die CD mit rotem Fadenkreuz auf schwarzem Grund befindet. Dazu gibt es dann noch ein Booklet mit den Lyrics und stark stilisierten Fotos der Band sowie ihrer einzelnen Mitglieder, bei denen leider unangenehm auffällt, dass alle den gleichen grimmen Blick drauf haben, der so gar nicht zu den meisten Subway-to-Sally-Songs passen will. Außerdem sind die Fotos stark überarbeitet, so dass insbesondere Sänger Eric Fish wirkt wie nach dem zwanzigsten Facelifting. Auch die ihm zugeteilte Pose des dämonischen Rosenkavaliers will, trotz düster geschminkter Augen, nicht so recht passen. Rein künstlerisch gesehen ist sicher das Porträt von Simon am besten, der in den auf den Betrachter zu gestreckten Händen zwei rauchende Colts … Verzeihung, Pistolen hält.

Doch wenden wir uns der CD zu, die außer der Musik noch diverse Extras enthält. Schnell mal durchgeschaut  … Es gibt zwei Videos, einmal zu Besser du rennst und dann noch eine Live-Aufnahme von Eisblumen. Störend ist, dass man diese Filmchen nicht auf Bildschirmgröße vergrößern kann. Durch die schlechten Lichtverhältnisse bei der Live-Aufnahme ist die Gesamtansicht der Bühne von viel Schwarz eingerahmt und man sieht eigentlich fast nichts. Bei den angepriesenen Wallpapers handelt es sich um das Titelmotiv des Albums und Fotos der Band, die offensichtlich aus derselben Fotosession stammen wie die für das Booklet. Auch die beiden Screensaver sind nichts anderes als eine Diashow aus demselben Material. Und die Fotogalerie … da hab ich schon wie der so ein Déjà-vu.

Dieses Material hätte man meines Erachtens auch einfach zum Download auf die Homepage stellen können. Als „Extras“ überzeugt das nun wirklich nicht. Da wären ein „Making of …“ oder ein Band-Interview sehr viel interessanter gewesen.

Na, egal. Ich hab mir die CD ja nicht wegen der Extras gekauft.

Ich bin schon sehr gespannt auf die Musik, denn bis Bastard habe ich Subway to Sally immer als meine Lieblingsband angesehen. Das letzte Album  allerdings hat mich ziemlich enttäuscht, und ich hatte auch den Eindruck, dass das teilweise große Lob dafür eher aus der Ecke der neuen Fans kam als aus der der alt-eingeschworenen.

Im Vorfeld der Veröffentlichung von Kreuzfeuer hatte die Band Samples aller Stücke bereitgestellt, die von Frontmann Eric Fish kommentiert wurden. Die haben mich nicht wirklich überzeugen können. Aber ich habe mich damit getröstet, dass man sich von einem Song, von dem man nur das Intro und eine einzelne Strophe oder den Refrain hört, nicht wirklich ein Bild machen kann. Nun aber ist für mich die „Stunde der Wahrheit“ gekommen.

Der erste, fetzig-rockige Song, Aufstieg, ist laut Eric ein „Gleichnis unserer Gesellschaft, die sich nur über Wachstum definiert“. Es gehe darum, dass die Menschheit immer schneller, immer höher aufsteige, bis zur Sonne, um dann wie Ikarus wieder zurück auf die Erde zu stürzen. Der beschriebene mühevolle Aufstieg wird musikalisch hervorragend umgesetzt, allerdings gibt es auch leichte Anklänge an S.O.S. von Nord Nord Ost. Textlich ist das Stück nicht schlecht, insbesondere da der von Fish beschriebene Ikarus-Absturz ausbleibt und es stattdessen nur heißt:

Wir steigen immer weiter auf
Bis zur Sonne!

Der darauf folgende Judaskuss beginnt mit arabischen Elementen, die sich aber im Weiteren fast vollständig verlieren. Die Band hat im Laufe der Jahre immer mal wieder religiöse Themen aufgegriffen. Insofern darf es nicht verwundern, dass es inhaltlich tatsächlich um den Kuss geht, durch den Judas Jesus an die Häscher verraten hat. Sowohl Theologen als auch Schriftsteller haben sich schon oft damit auseinandergesetzt, ob Judas wirklich durch seine Tat zu DEM Bösewicht überhaupt geworden ist. Ohne ihn hätte schließlich die ganze Passion Christi gar nicht stattgefunden. Und wie steht es damit, dass Jesus wusste, was geschehen würde, aber nicht versucht hat, es zu verhindern? MUSSTE Judas Jesus verraten, und wenn ja, wie sieht es dann noch mit dem viel beschworenen freien Willen des Menschen aus? Viele spannende bis quälende Fragen, denen Bodenskis „Antwort“ leider in keiner Weise gerecht wird:

Sage dieses Trostwort allen,
hier ist, was sie retten kann,
denn wie tief auch Menschen fallen:
Gott nimmt auch die Sünder an!

Weiah!

Inhaltlich enttäuschend geht es mit dem fetzigen Besser du rennst weiter, das, vom Text mal abgesehen, durchaus Ohrwurmcharakter hat. Doch wie passt es zusammen, auf der einen Seite zu empfehlen: „Sag Lebewohl zu allen … mach endlich reinen Tisch … es ist Zeit neu anzufangen …“, also alles Dinge, die Zeit brauchen, und auf der anderen Seite zu sagen:

Besser du gehst, besser du läufst,
besser du rennst so schnell du kannst
und so weit, wie dich dein Atem tragen kann!

dreh dich nicht um, vielleicht entkommst
du irgendwann!

Subway to Sally live (Foto: Tom Plum)
Subway to Sally live (Foto: Tom Plum)

Doch es geht auch anders, wie die getragene Ballade So fern, so nah zeigt. Zeilen wie die folgenden demonstrieren Bodenskis literarische Qualität, die von vielen Fans so geschätzt wird:

Unsere Zeit wird schon verloren sein,
bevor du und ich es wissen
und kein Mond, kein Sternenregen
kann die Bitternis versüßen.

Zwischen unsere Lippenpaare
Passt kaum mehr ein Stück Papier,
alles, was wir tun können,
ist verlieren.

Eric Fish verrät, dass Simon Michael das Stück unter dem Eindruck des Selbstmordes seines besten Freundes komponierte und selbst den Text von Bodenski dazu aussuchte. Vielleicht erklärt das auch die besondere Eindringlichkeit des Songs, der für mich zum Besten gehört, was das Album zu bieten hat.

Die Jagd beginnt hat diesen ganz typischen STS-Sound, bei dem man sich unweigerlich fragt: „Hab ich das nicht schon mal gehört?“, und knüpft auch mit dem Motiv der Jagd an die eher mittelalterlich beeinflussten Alben an. Wobei sehr schnell deutlich wird, dass diese Jagd hier durchaus allegorisch verstanden werden darf und es sich bei dem zu erhaschenden „Wild“ wohl eher um eine Frau handeln dürfte.

Einsam ist eine Hymne auf den Einzelkämpfer, die live sicher besonders gut ankommen wird, denn der eingängige Refrain eignet sich hervorragend zum Mitgrölen … äh, -singen. Übrigens hat der Sänger hier, wie noch bei einem weiteren Stück, nicht nur musikalisch sondern auch inhaltlich selbst mit Hand angelegt.

An Komm in meinen Schlaf werden sich unweigerlich die Geister scheiden. Inhaltlich geht es um ein Mädchen, das sich gewissermaßen seinen Märchenprinzen in seine Träume wünscht, der ihr die Tränen trocknen soll. Doch der, welcher dann kommt, ist sehr viel realistischer als ein Märchenprinz und bringt nur neue Tränen. Bei einem solchen Song bietet es sich natürlich an, dass man ein Duett für Mann und Frau daraus macht. Klar, dass der Mann Eric Fish ist, der seinen Part auch sehr gut, fast schon dämonisch herüberbringt. Das Mädchen ist Eisblume Ria, deren (Eisblume-Fans mögen mir verzeihen) dünnes, kraftloses Piepsstimmchen gegenüber Erics starkem Gesang deutlich abfällt. Eine Cover-Version von Eisblumen ist die eine Sache. Schließlich zwingt mich ja niemand dazu, mir das anzuhören. Die gleiche Sängerin, über die sich viele Fans aber da schon aufgeregt haben, nun mit aufs Album zu holen – für mich ein absolutes „geht gar nicht“! Schade um das ansonsten eigentlich schöne Stück.

Angelus ist ein weiteres tragisches Liebeslied, diesmal mit leichten Folk-Anklängen. In ihm begegnet der Erzähler seinem „Engel“, doch weil er „dem Bild nicht traut“, tötet er ihn. Eine leicht verständliche Metapher dafür, dass jemand, der der Liebe nicht traut, sie zerstört. Warum Bodenski nun aber noch eine zweite Metapher einfügen muss, ist mir ein Rätsel:

Ich bin der Bach, der talwärts fließt,
du aber bist das Meer.

Wenn „du“ also der Engel bist, den ich erschieße, was passiert denn dann mit dem Meer, das „du“ ja auch bist? Gemischte Metaphern können unter Umständen peinlich werden …

Der Krähenkönig ist ein textlich eher anspruchsvoller Song über die Verzweiflung, den ich wieder zu den wirklich guten Bodenski-Lyrics zähle. Aber warum musste man den ausgerechnet mit einer orientalischen Melodie unterlegen? Eric Fish sagt dazu nur: „Das fanden wir einfach absolut passend zur Textthematik.“ Da bin ich nun leider ganz anderer Ansicht. Die Krähe ist ein einheimischer Vogel mit heiserem Krächzen. Gerade bei diesem Stück hätten härtere Klänge sehr viel besser gepasst. Auffällig ist auch, dass Erics Gesang eher gelangweilt klingt, obwohl er gerade hier volle Power hätte geben und die Verzweiflung herausschreien können, etwas, wozu sich seine Stimme hervorragend eignet.

Niemals ist eines der vielen Lieder zum Thema Selbstachtung und Stolz mit dem Refrain:

Doch niemals werd ich vor dir kriechen!
Ich werd mich jeder Prüfung unterziehn!
Doch niemals werd ich bettelnd vor dir kriechen,
denn niemand sah mich jemals auf den Knien!

Auch das ein Stück, das live sicherlich gut aufgenommen werden wird. Mir persönlich allerdings macht es Bauchschmerzen, denn es erinnert mich gleich an zwei Songs von In Extremo, einer Band, von der manche wissen, dass sie mit Subway to Sally eine langjährige, zumindest unterschwellige Feindschaft „verbindet“, die sogar so weit geht, dass Simon Michael in einem Thread zum Bundesvision Song Contest, wo die Rede auf „die anderen“ kam, äußerte:

ich möchte nie wieder eine frage gestellt bekommen, die mit dieser band zu tun hat! und ich möchte eigentlich auch nie wieder diesen namen hier lesen! aber das liegt nicht an mir!

In Macht und Dummheit von In Extremo wird, ähnlich wie bei STS, das Wort „niemals“ mehrfach besonders betont:

Niemals
Ich werde nie ewig sein
Niemals
Dummheit wird mein Henker sein

Niemals, Niemals
Ich werde nie unsterblich sein

Und im Sängerkrieg heißt es:

Ein In Extremo, der wird niemals knien!

Können die aber böse gucken!
Können die aber böse gucken!

Nun mag man das als Zufall ansehen. Das habe ich auch, als beide Bands relativ kurz hintereinander den Erdbeermund von Villon vertonten. Oder als die eine Band ein Album namens 7 veröffentlichte und die andere einen Song mit dem gleichen Titel. Und natürlich kann man Sängerkrieg, auch wenn In Extremo das abstreiten, durchaus auf die Querelen miteinander ummünzen. Aber irgendwann sollte dieser Kinderkram doch mal ein Ende finden. Und dazu hatten In Extremo eigentlich schon das passende Schlusswort formuliert:

Nur bescheiden ist ein Sieger edel.
Dann strahlt er von der Sonne beschienen.

Sei es, wie es sei – für mich bleibt bei Niemals jedenfalls ein fader Nachgeschmack.

Dafür entschädigt dann aber Versteckt, ein rätselhaft-verträumtes und eingängiges Lied, nur minimalistisch von akustischer Gitarre begleitet, dem auch der Sänger selbst „Lagerfeuerpotenzial“ bescheinigt.

Den Abschluss bildet das musikalisch recht bombastische Vater, textlich wieder eine Gemeinschaftsarbeit von Fish und Bodenski und, wie Judaskuss, mit einem religiösen Thema, das hier allerdings eher ironisch aufgearbeitet wird. Es geht darum, um was wir Gott so bitten, und ich denke, diese drei Zeilen sagen alles:

Vater, Vater, nimm mich an als deinen Sohn.
Mach mich reich und mach mich glücklich,
dann bin ich ein Mann für dich.

Fazit:

Musikalisch bietet Kreuzfeuer keine Überraschungen. Es ist typischer Subway-to-Sally-Sound, mal fetzig, mal ruhig, immer aber gekonnt. Oft fühlt man sich an ältere Stücke erinnert. Andererseits ist auffällig, dass die akustischen Instrumente wie Geige, Dudelsack, Flöte und Drehleier gegenüber früheren Produktionen immer mehr in den Hintergrund treten, wodurch das „Mittelalter-Feeling“ weitgehend verloren geht. Allerdings war Subway to Sally auch nie eine „echte“ Mittelalter-Band, obwohl sie oft so eingeordnet wird.

Bei Erics Gesang hat man manchmal das Gefühl, dass ihm der Elan und die Begeisterung, welche man sonst hören konnte, etwas abhanden gekommen sind.

Bodenskis Lyrics sind durchwachsen. Während So fern, so nah, Krähenkönig und Versteckt wirklich gelungen sind, hat man bei anderen Texten das Gefühl, er hätte sie aus der Hand gegeben, noch ehe sie richtig ausgereift waren, was sehr schade ist.

Insgesamt finde ich Kreuzfeuer geringfügig besser als Bastard. Von einer Qualität und Experimentierfreudigkeit, wie man sie bei Bannkreis, Engelskrieger oder Nord Nord Ost finden konnte, ist das Album jedoch weit entfernt und so letztendlich doch enttäuschend.

Ich weiß, nicht jedes Album kann innovativ und ein Geniestreich sein. Trotzdem stellt sich mir so langsam die Frage, ob die Band sich nicht lieber mal eine Verschnaufpause von zwei, drei Jahren gönnen sollte, um dann mit neuer Kraft wieder zu alter Größe finden zu können. Wenn man bedenkt, dass von 2005 bis 2009 vier neue Alben produziert wurden, obwohl einige Bandmitglieder ja auch noch an anderen Projekten arbeiten, ist das schon ein ziemlicher Marathon, der eine solche künstlerische Pause absolut rechtfertigen würde.

Für neue Fans, die erst durch Bastard bzw. den Bundesvision Song Contest auf Subway to Sally gestoßen sind, lohnt sich das neue Album mit Sicherheit. Allen anderen würde ich empfehlen: Erstmal reinhören und eigene Meinung bilden.

6,5
6,5

Erscheinungsdatum (Info): 27.03.2009
Label: Nuclear Blast

Links:

Subway to Sally
Bodenski
Eric Fish


Anspieltipps:
Besser du rennst
So fern, so nah
Einsam
Versteckt

Tracklist:
01.    Aufstieg
02.    Judaskuss
03.    Besser du rennst
04.    So fern, so nah
05.    Die Jagd beginnt
06.    Einsam
07.    Komm in meinen Schlaf
08.    Angelus
09.    Krähenkönig
10.    Niemals
11.    Versteckt
12.    Vater

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