The Vyllies - Sacred Games

The Vyllies – Sacred Games (Review und Kritik)

The Vyllies - Sacred Games
The Vyllies - Sacred Games

Es wird Zeit für eine kleine Geschichtsstunde, denn im nachfolgenden möchte ich Euch von den Vyllies erzählen: das Gründungsjahr wird auf das Jahr 1983 datiert und somit waren die drei Künstlerinnen aus dem französischsprachigen Teil der Schweiz wohl weltweit die erste „Heavenly Voices“ Band, wenn man diesen (gerade in den 90ern) überstrapazierten Begriff verwenden möchte. 1987 erschien nach diversen Vinyl-EPs die zweite LP „Sacred Games“ – ein Album, welches seiner Zeit weit voraus war und, in der damals noch jungen Gothic-Szene, für Aufsehen sorgen sollte. Heute ist dieser Klassiker der Gothic-Musik weitgehend vergessen und für mich erst recht ein Grund an die Vyllies im folgenden Review zu erinnern.

Ich kann mich noch so gut erinnern, als ob es gestern gewesen wäre. Mitte der 90er bin ich durch Sanguis et Cinis, Goethes Erben und natürlich Lacrimosa zur Gothic-Musik gekommen. Das Internet steckte noch in den Kinderschuhen und die neuen Zeitschriften wie „Orkus“ und „Sonic Seducer“ erschienen komplett in schwarz-weiß und hatten nur selten eine CD als Beilage. Die „Zillo“ gab es natürlich schon eine Weile, aber auch dort gehörte eine Heft-CD noch lange nicht zum Standard. Nebenbei bemerkt war die „Zillo“ damals noch eine sehr gute Zeitschrift mit vielen Informationen und sehr umfangreichen sowie abwechslungsreichen Bandvorstellungen. Aber das ist jetzt nicht das Thema. Worauf ich hinaus möchte: um sich einen Überblick über die verschiedenen Bands zu machen kam man an diversen Sampler nicht vorbei. Meiner Meinung nach kamen die besten Sampler von den Betreibern der legendären Zwischenfall-Disco in Bochum (ich selbst war in meinem Leben nur drei mal dort): Doppel-CDs mit Songs aus den 80ern auf der einen den 90ern auf der anderen Scheibe. Und auf einem dieser Sampler wurde ich das erste Mal auf die Vyllies aufmerksam. Das muss, glaube ich, um 1997 gewesen sein. Damals, zehn Jahre nach Veröffentlichung von „Sacred Games“, war das Album aber schon nicht mehr aufzutreiben. Die Gothic-Musik war alles andere als kommerziell und im Gegensatz zu heute waren Gothics wirklich noch eine eingeschworene Außenseitergruppierung. Schön waren die Zeiten – auch wenn man die wirklich guten Alben nur per Szene-Katalog ordern konnte. Na, auf jeden Fall war das Album lange nicht mehr zu haben und ich entdeckte das Album erst im Jahre 2002 auf einem Flohmarkt. Der Euro wurde gerade in Deutschland eingeführt und ich erstand nun mit 10 Einheiten der neuen Währung das vorliegende Prachtstück der frühen Gothic-Musik.

Ilona Prism, Manu Moan, Ursula Nun
Ilona Prism, Manu Moan, Ursula Nun

Und nach dem Ausflug in meine Jugendzeit  möchte ich endlich auf die Musik zu sprechen kommen. Legt man die CD in den Player (wer von Euch jungen Burschen besitzt überhaupt noch so etwas?) und drückt erwartungsvoll die „Play“-Taste wird man sogleich von treibenden Wave-Rhythmen begrüßt. „Now We Fall“ ist tanzbar und melodisch. Doch schon mit dem nachfolgenden Song („Playing In The Sand“) wird die Stimmung ruhiger, verspielter und düsterer. Die Xylophon-ähnlichen Töne sowie der orchestrale Hintergrund verstärken diese Traumvision, die der Song im Kopfkino des Hörers hervorrufen kann. „Silver Promises“, der dritte Song, ist dagegen fast schon eine kleine Liebeserklärung an Dead Can Dance, wenn auch mit elektronischen Mitteln. Und so abwechslungsreich geht das Album weiter. Mal mystisch, mal treibend und dann wieder tanzbar. Fünfzehn Songs zwischen drei und vier Minuten gibt es insgesamt zu entdecken. Die musikalische Untermalung ist durch und durch elektronisch. Doch gerade diese Wave-Musik der 80er strahlte eine Wärme und Geborgenheit aus und bewies eindrucksvoll, dass man auch mit elektronischen Instrumenten Gefühle beim Hörer erwecken kann. Die Vyllies hoben sich aber nicht nur durch den betörenden und hypnotischen Gesang von anderen Acts ab. Die Künstlerinnen umschifften mit der experimentellen Melodieführung jeder erdenklichen Gesetzmäßigkeit der damaligen Wave-Musik. Die älteren Semester unter Euch werden mit meinen Ausführungen sicher etwas anfangen können. Den Jüngeren unter Euch wird dies wohl schon schwerer fallen. Aber das liegt ganz in der Natur der Sache. Musik kann man nicht in Worte fassen, Musik muss man hören (ein paar Hörbeispiele findet Ihr bei YouTube zu genüge sowie auf der unten verlinkten MySpace Site). Natürlich dürfen auf der LP auch die zwei Klassiker der Vyllies nicht fehlen: „Whispers In The Shadow“ sowie „Ahia“. Beide Songs wurden bis in die 90er hinein sehr gern für die verschiedenen Sampler benutzt, auch wenn sich die Vyllies selbst schon 1988 getrennt haben. Diese beiden Songs waren damals absolute Tanzflächenkracher, wie man heutzutage sagen würde. Außerdem ebneten die Videoclips den Weg dazu, dass die Tonträger auch in Großbritannien, Amerika und in vielen anderen Ländern veröffentlicht wurden. Ein Wort sei vielleicht noch zur Produktion gesagt: gegenüber zu den Vorgänger-EPs ist diese nämlich phänomenal und glasklar. Auch heute brauchen sich die Songs nicht zu verstecken.

Avatar-AnchantiaFazit:

The Vyllies gehören neben Echo & The Bunnymen, Lords Of The New Church, Paul Roland und Skeletal Family zu meinen Lieblingsbands was Gothic-Musik der 80er betrifft. Das soll nicht die ganzen anderen Bands herabsetzen, denn im Großen und Ganzen war die Gothic-Musik der 80er und frühen 90er um ein vielfaches kreativer und abwechslungsreicher als heute. Solltet Ihr „Sacred Games“ irgendwann einmal sehen, dann denkt an meine wohlgemeinten Worte: kauft es Euch! Das Album stellt im meiner Musiksammlung fast schon ein Heiligtum dar und bei geschätzten 900 original gekauften CDs in meinen fünf Regalen heißt das schon was…

Tracklist:

1. Now We Fall
2. Playing In The Sand
3. Silver Promises
4. The Amazon Archer
5. The Souls With Doors
6. Mary’s Room
7. Can You Hear The Witches Laugh
8. Is It?
9. Spiral House
10. Whispers In The Shadow
11. Seventh Heaven
12. Bad Trip
13. The Food Prayer
14. Beautiful Disease
15. Ahia

 

( 8,5 / 10 )
( 8,5 / 10 )

Erscheinungsjahr:
1987

Anspieltipps:
The Amazon Archer
Spiral House
Whispers In The Shadow
Ahia


The Vyllies bei MySpace

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