Urgesteine & Ahnen des Gothic Rock- Teil 2 : Dark Wave von Clan of Xymox

Nachdem Eule euch letztes Mal Joy Division, die die Fundamente für den Gothic Rock gelegt haben, vorgestellt hat, schreiten wir nun weiter. Heute möchte ich euch Clan of Xymox, eine der wichtigsten Bands aus der Richtung Dark Wave, vorstellen, die bis heute noch aktiv Musik machen und nächsten Februar ihr neues Album “ Matters of Mind, Body and Soul“ veröffentlichen werden.

Aber nun mal langsam.

Dark Wave ist am Anfang der 1980er-Jahre aus dem Post Punk und dem New Wave hervorgegangen. Konventionelle Instrumente wurden allmählich von elektronischen Synthesizern oder Drumulators abgelöst. Es entstand eine einzigartige Mischung und wie der Name schon anmuten lässt, klingt der Dark Wave vor allem düster, trist und ist zudem von Sehnsüchten und einer gewissen Romantik geschwängert. Wichtigste Vertreter des Genres sind Bauhaus, Dead Can Dance, Clan of Xymox und noch einige mehr.

 

Die berühmt-berüchtigten Waver

Ich finde eine grobe Sensibilität für die historischen Gegebenheiten ist wichtig, um eine Musikrichtung richtig verstehen zu können. Am Anfang der 1980er-Jahre war der 2. Weltkrieg nun seit mehr als 30 Jahren vergangen, Europa hatte es mittlerweile geschafft nach der brutalen Zerstörung des Krieges sich wieder aufzuraffen, wirtschaftliche Aufschwünge waren zu vermerken, der Wohlstand war wieder hergestellt. Im Westen hatten man sich weitestgehendst versöhnt, dennoch befinden wir uns in Zeiten des Kalten Krieges, die Angst regiert, denn es herrscht der atomare Wettstreit zwischen den USA und Russland und Europa ist durch den “eisernen Vorhang“ in zwei Lager verschiedener Ideologien gespalten.

Die Art der Problematik veränderte sich. Zwar waren die Grausamkeiten des Dritten Reichs überstanden, doch noch immer herrschte kein Frieden auf der Welt und die Menschheit war natürlich immer noch mit Imperfektionen übersäht und die Gräuel der Vergangenheit waren natürlich auch nicht komplett aufgearbeitet.
Die Omnipräsenz der grauen, tristen Plattenbäue erinnert mich persönlich immer wieder daran, in was für einer traurigen Gesellschaft wir leben – diese Gebäude waren im Laufe der 1970er aufgrund des Bevölkerungszuwachses in den Städten entstanden. Die Politik war überfordert und hielt es für richtig, Menschen aus sozial schwächeren Verhältnissen wie Massenwaren in Plattenbauten abzuschieben. Zudem folgte nach dem Wirtschaftsboom eine erneute Depression – Massenarbeitslosigkeit war zur Folge. Die Generation X, die Jungerwachsenen der 1980er-Jahre, fand sich in einer Welt der Zwänge wieder und musste zudem noch für die Fauxpas der Generation davor grade stehen. Aus solchen Gründen wurde man dann entweder politisch aktiv oder künstlerisch tätig, um die Realität zu verarbeiten. Na ja, oder man machte halts nichts.

Wie mochte sich diese “X-Generation“ damals gefühlt haben? Gefühle der Bedrängnis, aber auch der Abschiebung gepaart mit Zukunftsängsten bis hin zur Sinnfrage sind typisch für die Zeit. Gesellschaftlich herrschte immer noch das Ordnungs – und Anpassungsprinzip.
Doch wie bereits angeschnitten, gab es natürlich eine kritische Gegenbewegung – und da kommen auch endlich Clan of Xymox ins Spiel, denn Clan of Xymox sind 1983 aus der Hausbesetzerszene in den Niederlanden hervorgegangen. Begründet wurde die Formation von Ronny Moorings, der bis heute Mastermind und Sänger der Band ist, und Anke Wolbert. Man wollte seiner Individualität Ausdruck verleihen und fühlte sich im Dark Wave-Genre mit seinen Ideen am besten aufgehoben.

Ronny Moorings und Anke Wolbert Anfang der 1980er

 

1983 erschien die auf 500 Exemplare limitierte EP “Subsequent Pleasures“, damals noch unter dem Namen Xymox. Dead Can Dance wurden auf die neue Formation aus den Niederlanden aufmerksam und luden diese prompt als Support für ihre Konzerte ein. 1984 wurden sie dann von dem Indielabel 4AD gesignt, wo dann 1985 das Debütalbum “Clan of Xymox“ erschien. Auf diesem Album finden sich dann auch bereits Hits wie “A Day“ oder “Stranger“ wieder, welche man heute immernoch auf sämtlichen Tanzflächen zu hören bekommt und die das aufweisen, was die Band so außerordentlich macht: gefühlvolle Texte, die von Ronnys melancholischer Stimme getragen und von elegischen Melodien unterstrichen werden, werden jedoch immer wieder von treibenden, erheiternden Sequenzen aufgebrochen. Eine kleine Anekdote: Ich fing mit 13 an, Clan of Xymox zu hören und spielte irgendwann einmal das Album meiner Mutter vor. Lustigerweise kannte meine Mutter (Jahrgang 1968) “A Day“ und erzählte mir Geschichten aus ihrer Zeit als Punk und seitdem legt sie mir immer wieder Bands wie z.B. Sisters of Mercy nahe.

Nach einem weiteren Album bei 4AD wechselten Clan of Xymox zu dem größeren Label Polygram und veröffentlichten 1989 “A Twist of Shadows“, ihr bis dato erfolgreichtes Album – rückblickend kritisiert jedoch Ronny Moorings den Wechsel zum Majorlabel, denn wie das nunmal so ist, ersticken große Labels die Kreativität und Individualität der Künstler, um massenkompatibel zu bleiben. Zu “Obsession“ und “Imagination“ wurden zudem Videoclips produziert.

Nach dem letzten Album bei Polygram “Phoenix“ (1991) verließen Anke Wolbert und Pieter Nooten, der kurz nach Bandbegründung hinzugestoßen war, die Band wegen musikalischen Unstimmigkeiten. Als neues Mitglied wurde Mojca Zugna engagiert, die bis heute Bass bei Clan of Xymox spielt und zudem die Albumartworks konzepiert und Ronnys Lebensgefährtin ist.

Die 1990er bedeuteten eine Wende in musikalischer sowie politischer Hinsicht. Die 1980er waren vorbei; Techniken, vor allem im elektronischen Bereich, verbesserten sich und entwickelten sich weiter. Der Kalte Krieg war beendet, man durfte aufatmen in Europa und ein neues Freiheitsgefühl machte sich breit.
Musikalisch war der Eurodance im Kommen. Auch Clan of Xymox, nun wieder in Xymox umbenannt, sprangen auf den Zug auf und veröffentlichten 2 Alben (“Metamorphosis“ und “Headclouds“), die in die Dance-Richtung gingen. Man besinnte sich jedoch schnell wieder auf alte Werte zurück und 1997 erschien dann wieder unter dem Namen Clan of Xymox “Hidden Faces“, auf welchem “Jasmine and Rose“, aber auch eins meiner Lieblingslieder, “This World“, zu finden ist.

Es würde zu viel Zeit nehmen, die ganze Diskografie der Band auseinanderzunehmen, doch Clan of Xymox produzieren in jährlichen Abständen immer wieder Alben, in denen sie sich zwar weiterentwickeln, aber immer ihrer Linie treu bleiben: eine bittersüße Mischung aus kühlen, panoramischen, wavelastigen Musiklandschaften mit bezaubernden Harmonien, die durch Ronnys wohlklingende, abwechslungsreiche Stimme ergänzt werden. Denn obwohl vor allem Problematiken des menschlichen Da- und Zusammenseins thematisiert werden, steckt immer ein Funken Hoffnung in der Musik drin – ein Trostpflaster gegen die manchmal doch grausam erscheinende Realität.

Wo viele Künstler aus dem Dark Wave-Genre heute keine Musik mehr machen oder ihren Stil geändert haben, sind Clan of Xymox sich selbst und dem Dark Wave weitestgehend treu gebleiben. Bis heute wird die Formation um den sympathischen Holländer Ronny Moorings in der Szene geschätzt, Clan of Xymox geben regelmäßig Konzerte auf der ganzen Welt und treten auch auf den wichtigsten Festivals der Szene wie dem Mera Luna, WGT oder dem Amphi auf.

Aktuelle Besetzung (von links nach rechts) : Sean Göbel, Ronny Moorings, Mojca Zugna, Mario Usai

 

Hier nochmal die Diskografie zum Nachschauen:

  • 1984: Subsequent Pleasures
  • 1985: A Day / Stranger (EP)
  • 1985: Clan of Xymox
  • 1986: Medusa
  • 1989: Twist of Shadows (Wing)
  • 1991: Phoenix (Wing)
  • 1992: Metamorphosis
  • 1993: Headclouds
  • 1994: Remix (Limited Edition)
  • 1997: Hidden Faces
  • 1999: Creatures
  • 2000: Live
  • 2001: Notes from the Underground
  • 2002: Remixes from the Underground
  • 2003: Farewell
  • 2004: The Best of
  • 2006: Breaking Point
  • 2007: Heroes (EP)
  • 2008: DVD Visible
  • 2009: In Love We Trust
  • 2011: Darkest Hour
  • 2011: Castle Party (CD+DVD, live)
  • 2012: Kindred Spirits (Cover-Album)

Wie bereits erwähnt, bin ich im zarten Alter von 13 Jahren auf Clan of Xymox gestoßen, als “Breaking Point“ neu auf dem Markt war und ich noch ein ziemlicher Neuling in der ganzen Szene war – ich suchte in der Zeit verhäuft nach neuen Künstlern, um meinen Horizont zu erweitern. Die sogenannten Klassiker übten einen besonderen Reiz auf mich aus, da diese ja bereits von vielen anerkannt worden waren. Irgendwann geriet das Gothic III-Buch in meine Hände, in welchem auch Ronny einen Beitrag verfasst hatte. Er war mir sofort sympathisch und daher kaufte ich mir kurze Zeit später das neue Album. Seitdem sind Clan of Xymox eine der Künstler, die ich am meisten schätze, denn ihre Musik war für mich oft, vor allem in den stürmischen und unsicheren Zeiten der Jugend, eine wohltuende Kompensation gegen die Realität, die ich immer als sehr heimtückisch und falsch empfand; mit all ihren Lügen, Konventionen und Masken.

About Alex Ultra-Riot

Anstrebende Bachelorette in English Studies und Politik&Gesellschaft. Verirre mich gerne auf gedanklichen Pfaden und bin immer auf dem Weg zu etwas Größerem, Besserem, Schönerem.

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