Seit 1993 findet das Rockharz mittlerweile statt. Es gab zwar Locationänderungen, aber eine Sache ist über die gesamte Zeit konstant geblieben: Hier wird Metal in all seinen Facetten geliebt und gelebt. Das Billing ist jedes Jahr hochkarätig besetzt und da machten die Organisatoren im Jahr 1 nach dem C-Debakel natürlich keine Ausnahme. Dieser Neustart wurde von Crew, Bands und natürlich den Fans sehnlichst herbeigesehnt, daher blieb der unausweichliche Anreisestau am Dienstag leider nicht aus. Moment…Dienstag? Ja, denn die 2022er Auflage dieses Festivals begann schon am Mittwoch mit einem opulenten Programm. Satte vier Tage, die wir euch hier noch einmal in der Rückschau präsentieren.
Tag 1
Nach der vergangenen Nacht hatten sich schon die ersten Allianzen auf den Campgrounds gebildet, noch ehe überhaupt eine einzige Band die Bühne betreten hatte. Eine der ersten Bands, die die Rückkehr des Festivals feiern durften, waren TWILLIGHT FORCE. Die True-Metaler haben einen beeindruckenden Bandstart hingelegt und werden als eine der heißesten Newcomer der letzten Jahre gehandelt. Irgendwo zwischen Manowardesken und melodischen Arrangements konnten die Herren die Fans ziemlich schnell in ihren Bann ziehen. AGNOSTIC FRONT bedienten dann eher die Hardcore-Fraktion, die die Altmeister auch standesgemäß abfeierten, ehe mit GRAVE DIGGER eine Metalinstitution die Stage enterten und sowohl „Excalibur“ als auch „Rebellion“ ablieferten. Eine solche Geschichtsstunde benötigt natürlich erstmal eine kleine Pause und so durften die Finnen von BEAST IN BLACK ihre mitsingbaren Happy-Metal-Tracks den begeisterten Zuhörer darbieten. Deutlich düsterer wurde es im Anschluss mit KATAKLYSM. Ebenfalls gern gesehene Gäste auf jedem Metalkonzert und immer ein Garant für eine mitreißende Show, die an Härte kaum zu überbieten ist, aber auch die melodische Seite nie zu vernachlässigen weiß. An der nächsten Künstlerin scheiden sich die Geister. Für die einen wird TARJA immer die ehemalige Sängerin von Nightwish bleiben, für die anderen hat sie sich emanzipiert und ist ihren eigenen Weg gegangen. Die Zuschauerreaktion hingegen war eindeutig: Bei „Over The Hills And Far Away“ schaffte es Tarja das Stimmungsbarometer deutlich nach oben zu schrauben. Für den ersten Tag konnte sich dieses Programm schon sehen lassen, aber jetzt kamen noch die Headliner. SEPULTURA seit Menschengedenken stets eine Bank, wenn es um kraftvolle Gigs geht und auch auf dem Rockharz enttäuschten die Mannen um Derrick Green nicht. Die altbekannten Hymen dürften selbst die Teufelsmauer zum ehrfürchtigen Erzittern gebracht haben. Der Schlussslot des Tages gebührte IN EXTREMO, die sich derzeit auf Tour zu ihrem Album „Kompass zur Sonne“ befinden und es sich nicht nehmen lassen haben dem idyllischen Ballenstedt einen Besuch abzustatten. Bewährter Mittelalterrock, der auch hier funktionierte und einen gelungenen Festivalauftakt perfekt abrundete.
Tag 2
War man es in den vergangenen Jahren gewohnt, dass die Temperaturen stets an den 30 Grad Celsius kratzen, bot das Rockharz eine unerfreuliche Neuerung. Der Regen setzte bereits in der Nacht ein und sollte die Fans fast den gesamten Tag begleiten und für einen hohen Verbrauch an den allseits beliebten Regencapes sorgen. ENEMY INSIDE nahmen diese Challenge dennoch an und schafften es eine beachtliche Menge wasserfester Metaler vor der legendären Doppelbühne zu versammeln. Hier wurde wirklich das Best-Of Programm dieser Band den Fans dargeboten. GERNOTSHAGEN und ASENBLUT wurde derweil eher von überdachten Unterständen bejubelt, da sich Petrus unbarmherzig zeigte und den Regen mit einem steifen Wind über das Gelände ziehen ließ. Nichtsdestotrotz gaben Band und Zuschauer*innen alles und so flachten die Wetterphänome zu SCAR SYMETRY langsam ab. Die Basis für ein trockenes UNZUCHT Konzert hätten besser kaum sein können, doch gegen die Pandemie sind leider auch Musiker nicht immun. Frontmann Daniel Schulz machte aus dem Ausfall eine Tugend und trat kurzerhand unter dem Banner DER SCHULZ & Band auf und sorgte mit seinem unplugged Auftritt für einen denkwürdigen Gig, der wohl den anwesenden Metalheads noch lange im Gedächtnis bleiben sollte. Bei DARK FUNERAL lief es dagegen wie geschmiert, satter Black Metal wurde auf dem Flugplatz zelebriert und dürfte auch den letzten Pentagramm-Träger wieder versöhnt haben. Ein weiteres Highlight waren THUNDERMOTHER. Die Schwedinnen, die mit ihrem typischen Rocksongs in den letzten Jahren bereits eine beeindruckende Karriere hinlegten, durften sich über viel Fanzuspruch freuen, den sie direkt in eine unbändige Bühnenenergie umsetzen und dem Rockharz einen der besten Auftritte des Festivals bescherten. Etwas langsamer ging es im Anschluss mit DARK TRANQUILITY weiter, die aus ähnlichen Breitengraden wie die eben genannte Band stammt, allerdings völlig andere Klänge auf die Stage zauberten. Die Abwechslung der verschiedenen Genres ist ein Trademark des Festivals und so war es kaum überraschend, dass im Anschluss die Pioniere des Mittelalterrocks SUBWAY TO SALLY die Regie übernahmen und mit einem Mix aus neuen und älteren Stücken die Menge zum Beben brachten. Erinnerungen an die Anfangstage der Band aus Potsdam wurden wach und man muss einfach konstatieren, dass dieses Bühnenprogramm zu einer Sternstunde einer ganzen Generation gehören dürfte. Der Headliner des Abends waren die Werwölfe aus Armenien. POWERWOLF zelebrierten ihre Heilige Metal Messe in gewohnter Manier und sorgten für ein beeindruckende Bilder im Auditorium. Ein würdiger Abschluss eines wechselhaften Tages, der kaum Zeit lies, eine Wanderung zur Teufelsmauer zu unternehmen.
Tag 3
Der Regen trocknete und man konnte sich wieder auf die essenziellen Dinge des Lebens konzentrieren. Der dritte Tag begann mit PADDY AND THE RATS und ihren Celtic Folk Klängen, die trotz der frühen Uhrzeit ihre dankbaren Zuhörer*innen fand und für einen beschwingten Start in den Tag sorgten. Die NDW’ler von OST+FRONT übernahmen im Anschluss den brachialen Part und sorgten mit ihrer Mischung aus satten Industrial-Melodien und ungewöhnlichen Texten für einen Kick-Start im Auditorium. Etwas düsterer wurde im Anschluss mit MOONSORROW. Kaum eine Band liefert derart beständig Tracks vor, die irgendwo zwischen Weltschmerz und Verzweiflung pendeln. Die Überraschung des Festivals waren wohl DESERTED FEAR, die mit neuer Platte und unglaublicher Spielfreue an den Start gingen, ehe JINJER das Heft des Handelns in die Hände nahm. Sängerin Tatiana meisterte auch bei diesem Auftritt den Spagat zwischen Clear Vocals und heftigen Growls. Ein denkwürdiger Auftritt für die ukrainische Band, die einfach alles auffuhren, was die Band-Diskographie zu bieten hat. Aus dem hohen Norden besuchten FINNTROLL das Festival und sorgten mit ihren altbekannten Texten für lange Schlangen an den Bierbuden. Ein feucht-fröhlicher Auftritt, dem jedoch das legendäre „Trollhammaren“ fehlte. Die nächste Band dürfte wohl jedem Fan von 80er Jahre Metal ein Begriff sein: Die Herren von STEEL PANTHER verstehen es einfach sich selbst und das Auditorium zu unterhalten. Keine andere Band persifliert so gekonnt das Hair-Metal Genre, wie die Band aus Kalifornien. Der Abend schritt nun unaufhaltbar fort und damit kam die Zeit für ASP. Die Frankfurter Gothic Novel Institution enttäuschte auch nach zwei Jahren Pause nicht. Tracks wie „Denn ich bin der Meister“ oder das unsterbliche „Ich Will Brennen“ werden auch in hundert Jahren immer noch die gleiche schwarzglänzende Anziehungskraft haben. RUNNING WILD durften sich dann am Headlinerslot gütig tun und stellten einmal mehr unter Beweis, dass Rolf und seine Mannen zu Recht als Erfinder des Piraten-Metals gelten. Keine Hymne der Hamburger Band blieb ungespielt und so verwandelte sich das Infield in ein Feld williger Piraten, die an diesem Abend jede Taverne für RUNNING WILD geplündert hätten. Den Abschluss fand der Abend dann mit den Helsinki Vampires von „The 69 Eyes“. Obwohl der Chronograph bereits weit nach Mitternacht zeigte, war der Raum vor der Bühne gut gefüllt und die Fans bekamen ein Best-Of Programm serviert, dass viel mehr als ein Mitternachtssnack war und zufriedene Gesichter zurückließ.
Tag 4
Es immer wieder verwunderlich, wie schnell ein Festival vergeht, wenn man mit Freunden und guter Musik die Zeit verbringt. Der letzte Tag war angebrochen und versprach ein interessanter Festivalabschluss zu werden. STORM SEEKER aus Neuss übernahmen den Auftakt und konnten mit ihrem Piraten-Folk jede Menge neue Fanherzen für sich gewinnen. Direkt nach dem Frühstück auf ein Piratenschiff entführt zu werden, bekommt man auch nur auf dem Rockharz geboten. AD INFINITUM zeigten mit ihrer Frontfrau Melissa Bonny, wie sich Symphonic Metal im Jahr 2022 anhören muss. Die Sängerin, die unter anderem durch Kollaborationen mit Saltatio Mortis einem größeren Publikum bekannt wurde, stellte hier unter Beweis, dass ihre eigene Band genug Power besitzt, um in den kommenden Jahren einen späteren Slot auf einem Festival zu übernehmen. Etwas Spaß gehört auf so einem Happening einfach dazu und wer würde sich da besser eignen als die Frankfurter Legenden von TANKARD? Die bierselige Stimmung, die von der Bühne transportiert wurde, dürfte für explosionsartige Umsätze an den Bierständen gesorgt haben. Etwas exotischer ging es im Anschluss mit BETONTOD weiter. Als einzige Punkband schafften es die Jungs die Menge zu begeistern und dürften auch die Auszeichnung „Aufsehenerregendste Crowdsuferin“ für sich beanspruchen. „Viva Punk“ und „Wir müssen aufhören, weniger zu trinken“ passen einfach zu einem Festival. Dementsprechend laut war auch der Fanchor, der die Band auch nach Verlassen der Bühne noch feierte. Echte Urgesteine des Trash-Metals sind TESTAMENT ohne Frage. Die hypnotischen Riffs dürften einige Metal-Generation geprägt haben und so feuerte die Band Hymne nach Hymne ab und zeigte, dass man auch im Jahr 39 nach Bandgründung immer noch weiß, wie sich guter Metal anhört. Aus der Hauptstadt kommen immer die ungewöhnlichsten Musiker und im Falle von KNORKATOR bestätigt sich dieses Klischee einmal mehr. Irgendwo zwischen philosophischen Ansichten und groben Unfug kann man die Texte dieser unverwechselbaren Band einsortieren. Der diesjährige Gig entpuppte sich als Familienfest, als die Tochter des Sängers Stumpen das Mikrophon übernahm und zwei Songs dem geneigten Auditorium darbot. Ein amüsanter Nachmittag mit „Deutschlands meister Band“ neigte sich dem Ende zu. Mit den Pionieren von EISBRECHER übernahm ein weiteres Schwergewicht der deutschsprachigen Metalmusik die Regie. Frontmann Alexx versteht es die Masse in seinen Bann zu ziehen und spätestens bei „Miststück“ fielen alle Hemmungen und der Abend verwandelte sich in eine rauschende Orgie. Ehe nun der Headliner ACCEPT die letzten Akkorde des Festes anstimmen durften, nahm der Veranstalter die Gelegenheit wahr, um sich bei Crews, Bands und vor allem den Fans für den Support zu bedanken. Danach war aber endgültig die Zeit gekommen, um eine der Dienstältesten Metalbands aus Deutschland würdig zu feiern. Die Tracklist bot einen guten Querschnitt durch sämtliche Schaffensphasen dieser lebenden Legenden. ELUVEITIE durften dann den Deckel auf dieses Festival draufmachen und sorgten mit ihrem Schweizer- Folkmetal für eine magische Festivalabschlussstimmung.
Fazit: Das Rockharz ist ein großartiges Festival. Die Bezeichnung „Kleines Wacken“ trifft es ganz gut. Das Billing ist jedes Jahr hochkarätig besetzt und schafft es fast jedes Subgenre abzudecken. Mehrere Vorteile kann das Rockharz für sich verbuchen. So kann man wirklich jede Band sehen, da die Doppelbühne abwechselnd bespielt wird und auch der Eintrittspreis ist mehr als fair. Für 2023 sollte man ca. 150 Euro bereithalten und ist dann beim 30. Jubiläum dabei. Mit rund 20.000 Besuchern ist der Campground übersichtlich und ermöglicht auch spätanreisenden Metalfans kurze Wege zu Bühnen und Sanitäteinrichtungen. Ein großes Lob an dieser Stelle an die Versorgung von Toiletten und Duschen auf dem Campingplatz. Saubere Spültoiletten sieht man selten bei Festivitäten dieser Größenordnung. Also sichert euch schnell die Tickets fürs nächste Jahr und genießt die unvergleichliche Stimmung unterhalb der Teufelsmauer.
Bilder: Lena Behlmer
Text: Fabian Bernhardt