Hier gibt es einen Abriss über die Bands die ich zum diesjährigen Wave-Gotik-Treffen genießen durfte.
Freitag
Der eigentliche Beginn des großen Spektakels. Intelligenterweise habe ich mein Bändchen am Tage zuvor auf der Agra abgeholt, was dafür sorgt, dass mich in diesem Moment nichts stresst. Mein erster Punkt auf der Liste sind The 69 Eyes.
The 69 Eyes
Punkt 21 Uhr kommen die fünf Mann aus Finnland auf die Bühne und legen los wie man sie liebt: Fetzig, dunkel und mit einer Setlist wie gegossen. „Gothic Girl“ jagt „Wasting the Dawn“, „Framed in Blood“ folgt „Feel Berlin” und die Stimmung ist mehr als nur ein bisschen bombastisch. Und meiner Meinung nach hätten sie stundenlang noch so weiter machen können. Doch (Hier einen demonstrativen Seufzer gen Himmel einfügen) wie Festivals nunmal sind, müssen sie sich am Ende der Setlist, welches sie mit den Bandklassikern „The Chair“, „Brandon Lee“ und dem abschließenden „Lost Boys“ garnieren, leider zurückziehen.
Abney Park
Es gibt so Bands, die machen das, was sie tun, enorm gut und werden trotzdem nicht bekannt, obwohl sie es verdient hätten. Wie anders kann man bitte Abney Park beschreiben? Seit 1998 werfen sie in bestechender Regelmäßigkeit enorm gute Alben auf den Markt und werden immer noch viel besser! Nach einer erfrischend kurzen Umbaupause laufen Abney Park auf die Bühne und präsentieren in ihrer Gewandung und ihren „Versteampunkten“ Instrumenten bereits einen ausreichend ungewöhnlichen Anblick. Ich meine mit welchen Worten sonst als:“Perfekt inszeniert“ kann man bitte ein Keyboard mit Bronzeverzierung und Teslaspule und eine für Heavy Metal geschaffene E-Gitarre die so modifiziert wurde, als würde sie in der Viktorianischen Ära hergestellt wprden sein, nennen? Aber nicht nur das Aussehen stimmt, die Instrumentierung war ebenso ungewöhnlich und die Leute die sie bedienen, verstehen ihr Handwerk. Zum ersten Mal – endlich – auch auf deutschen Bühnen unterwegs, legen die Mannen um Captain Robert eine Show hin, die die Zuschauer in andere Welten entführen, mal arabesk („Sleep Isabella“, „Stigmata Matyr“), mal düster-traurig („Dear Ophelia“), optimistisch („The Wrong Side“), mal durchaus feierbar („Throw them over Board“, „Untill the Day you die“) und mal aggressiv – bombastisch („Building Steam“ und der Programm-Übersong „Airship Pirates“). Jeder Song eine Welt, jeder unterschiedlich aber so stimmig wie die Musiker. Kurz vor Mitternacht ist nach „Steampunk Revolution“ leider Schluss. Diese Band flattert von der Bühne und hinterlässt ein begeistertes Publikum.
Samstag
The Vision Bleak
Eigentlich hätte ich mir ein paar Dinge merken können. 1. Die Akustik im Kohlrabizirkus ist mit Hinblick auf die Kuppel mitunter niederschmetternd verhallt wenn man nicht direkt vor den Boxeb steht. 2. Im Direkten Vergleich zum WGT 2010 fällt auf: Gras wächst, Vögel fliegen, Wasser fließt und manche Bands legen nur geile Gigs hin. Und dieses Mal haben sie ihr neues Album „Witching Hour“ zwar noch nicht auf dem Markt aber zumindest fast fertig aufgenommen, von dem sie ordentlich loslegen, wobei jedoch von den Bandklassikern auch nicht weniger gespielt wird. Ohne „Carpathia“, „The Deathship has a new Captain“ und „Kthulhu!“ geht es nunmal nicht. Auch wieder ein kleiner Aufreger: entweder man müsste so treue Gäste wie The Vision Bleak auf eine andere Bühne legen oder etwas mehr an der Akustik im Kohlrabizirkus tun. Oder beide Dinge. Egal, guter Gig, kein böses Wort über die Band!
Paradise Lost
25 Jahre unterwegs, 13 Studioalben draußen, die Mitbegründer des Gothic Metals – wie anders als mit Vorsicht und Respekt sollte man über diese Band schreiben? Ich weiß es nicht. Sie haben einen kurzen Abriss über den gewaltigen Schaffenszeitraum in eine Setlist geblockt die sich gewaschen hat, jedoch wird viel des Sounds (siehe oben) enorm kaputtgemacht. Aber das stört die Mannen um Mastermind Gregor Macintosh nicht. Nach dem Opener „Widow“ folgen „Honesty in Death“, „Erased“ und „Forever Failure“. Insgesamt bleibt die Band während dieses Gigs bis zum abschließenden „Just Say Words“ die Herren und Besitzer ihres Publikums, das mal stehend in der Atmosphäre badet und mal die wuchtigen Ausbrüche durch exzessives Moshen herauslässt. Als die Band um Mitternacht die Bretter verlässt, fühlt man sich etwas verhallt aber glücklich darüber, dass diese Leute immer noch unterwegs sind.
Sonntag
Lord of the Lost
Als sich die fünf Senkrechtstarter aus Hamburg an diesem späten Nachmittag aus dem Trockeneisnebel schälen und losballern hat man das Gefühl, die ganze Agra-Halle wäre in Bewegung geraten. Da wummert die Party aus den Boxen und findet ihren Weg ins Blut, als Songs wie „Shut up when you’re talking to me“, „Sex on Legs“ und „Do you wanna Die Without a Scar?“ aus den Instrumenten geprügelt werden, die ebenso schnell wieder verschwinden als Songs a la „Dry the Rain“ angeschlagen werden. Nach viel zu kurzen 40 Minuten verschwinden die Jungs um Chris Harms schon wieder nach einem enorm stimmungsreichen Gig und dem Song „Die Tomorrow“ und hinterlässt die Masse hungrig, aber deutlich überzeugt.
Unzucht
Im Grunde könnte ich das Review vom Vorgänger so stehen lassen, bezugnehmend auf den Eindruck. Auch Unzucht haben den Wumms und die Präsenz die eine gute Live-Band braucht. „Unzucht“ wird vorgelegt, dann „Todsünde 8“ und „Auf Sturm“. Für „Kleine Geile Nonne“ kam Lord Of The Lost- Fronter Chris Harms mit einer Nonnenhaube auf die Bühne, was einen irritierend-unterhaltsamen Effekt hat und für enorm gute Laune dorgt. Nach „Engel der Vernichtung“ und „Deine Zeit läuft ab“ räumen sie die Bühne um End of Green Platz zu machen und sie die angeheizte Menge genießen zu lassen.
End of Green
Gerade frisch aus dem Studio zurückgekehrt und von heftigen Problemen geplagt, kommen die Doomer mit den drei Gitarristen aus Stuttgart auf die Bühne. Und es ist als ob die Sonne ,die durch die Fenster ins Innere der Halle scheint, verblassen und sich die Dunkelheit in diesem Raum zusammenziehen würde, so intensiv spielen End of Green ihre Musik. Als einzige Band ohne Intro angesagt und mit einer Lobeshymne auf schöne Gitarren anmoderiert, weiß der Fünfer auf zu trumpfen. „Dead City Lights“ öffnet ein beunruhigend intensives Set, aus dessen Düsterkeit „Demons“ und „She’s Wild“ hevorpreschen, ehe es sich zum finalen „Bury me Down“ steigert und verdichtet. Jedoch wissen End of Green gut genug, wie man die Stimmung wieder auflockert, was Frontmann Michael Huber beim Rauchen einer Zigarrette unter Beweis stellt. Er erzählt von der gebrochenen Rippe eines der beiden anderen Gitarristen und setzt schmunzelnd ein „Raucher“ hinterher. Gerade an diesem Tage ärgert mich die Tatsache, dass keiner der Bands mehr Zeit als vorgegeben war, zugestanden wurde.
Montag
Negura Bunget
Heiliges Kanonenrohr! Dass es tatsächlich doch noch eine Band gibt deren Akustik durch den Hall des Kohlrabizirkus intensiver wird, hätte ich mir niemals träumen lassen. Aber es ist einfach so. Insbesondere die perkussiven Instrumentalstücke die diese Band präsentiert, werden präsent und hypnotisch,verursacht durch den Mangel an Licht und den starken Hall. Etwas mehr als eine Stunde wird der geneigte Hörer mitgenommen auf eine mal schwarzmetallische, mal perkussiv-instrumentale Reise durch die rumänischen Wälder. Bedauerlicherweise kann ich die meisten ihrer Songs nicht einmal aussprechen, obwohl sie sich dieses Privileg verdient hätten. Egal. Guter Gig!
Aethernaeum
Ganz groß als Weltpremiere angekündigt stellt sich automatisch die Frage „Wer zum Teufel ist das, dass er seine Premiere ausgerechnet auf dem WGT feiert?“, welche mit „Alexander Paul Blake“ beantwortet werden möchte. Dieser Mensch ist bereits für Eden Weint im Grabe zuständig gewesen. Mit einem fast identischen Line-Up dieses Nebenprojekt auf die Bühne zu bringen, gewinnt definitiv meinen Preis für kreative Personalführung. Soviel zur Vorgeschichte. Irgendwie werde ich den Vergleich zu Dornenreich – welche vor zwei Jahren an ähnlicher Stelle gespielt haben – nicht wirklich los, denn eines fällt mir auf: Obwohl bei Dornenreich eine Menge vom Band kommt, unter anderem der Bass, sind sie immer noch präsenter als diese Zeitgenossen, was mir mit Hinsicht auf oben genannten Aspekt in Sachen Band zu denken gibt. Und irgendwie fehlt mir von dieser Band mehr als nur die Kommunikation (Die einzige Äußerung der Gruppe ist ein „Dankeschön“ und eine Ansage des letzten Songs). Als der Gig zuende ist bin ich jedenfalls nicht überzeugt, umso mehr jedoch von den Nachfolgenden Wolfchant.
Wolfchant
Auch bei diesen Jungs muss ich irgendwie daran denken, dass sie ein deutlich bekannteres Vorbild haben: Equilibrium. Doch hat es die Pagan-Metal-Band mit den zwei Sängern geschafft eine Eigenschaft aufzunehmen die ich bisher bei keiner Band dieser Art aus dem Pagan-Sektor gehört habe: Twin-Lead-Gitarren. Aber nicht nur das ist ein großer Punkt: der Sound ist fett, die Stimmung gut und das Songwriting wasserdicht. Mit Songs wie „Element“ und „Naturgewalt“ , „Pagan Storm“, „Eremit“ und einem augenzwinkernd angekündigten „Never Too drunk“ und weiteren Höhepunkten (Verdammt, wäre diese Band etwas bekannter, sie wäre Kult!) beschwören die Metal-Heiden aus Bayern einen „Pagan Storm“ ehe sie verschwinden.
Korpiklaani
Ich habe zuvor etwas mit mir gerungen,ob ich diese Band erneut sehen sollte und mich dafür entschieden – alles in allem ist es etwas problematisch wenn man sie lange nicht mehr gesehen und lange nichts mehr von ihnen gehört hat. Und da stürzten direkt mehrere Dinge mit der Wucht des Halls in der Kohlrabizirkuskuppel auf mich herab: Sie klingen etwas dünner – was im Wesentlichen daran liegt, dass Korpiklaani kürzlich von ihrem Akkordeonspieler verlassen wurden und Sänger Jonne Järvelä die Gitarre aus der Hand gelegt hat. In Ordnung, entschuldigt. Auch ist mit ihrem neuen Album „Manala“ der Sound etwas düsterer geworden als er zuvor mit „Karkelo“ und „Ukon Wacka“ gewesen ist. Aber keine Angst, Korpiklaani sind immernoch Korpiklaani – ihre Sets bestehen immernoch zu 50% aus finnischen Songs und ganz ohne Stimmungskanonen à la „Beer Beer“, „Vodka“ und „Wooden Pints“ geht es nicht. Und noch eine Sache hat sich nicht geändert: wo auch immer diese Leute aus der Tiefe des Finnischen Waldes hinkommen säumt gute Laune ihren Weg! Korpiklaani sorgen für massive Circlepits und enorm viel Bewegung im Publikum und mehr als nur ein bisschen Grinsen und Lachen mit der Aussage „Its Saturday! No Discussion! Everyday we play it’s Saturday!“. Eine Band zum Liebhaben und Party machen die auch viel mehr als das ist.
The Other
„Ein WGT ohne Horrorpunk ist kein WGT!“ Dieser Maxime folgend zieht es mich kurz vor Schluss dieses dunkelbunten Zusammenkommens doch noch einmal ins Werk II und – Oh Wunder – nach Agrahalle, Kohlrabizurkus und Sixtina gibt es dieses Jahr tatsächlich auch eine Location, in der der Sound akzeptabel ist! Und es sind The Other! Auch hier muss ich den Klischeespruch über The Vision Bleak wiederholen: Gras Wächst, Vögel fliegen, Wasser fließt und manche Bands legen nur geile Gigs hin! Konkret heißt das pausenlosen Pogo und eine Setlist, die nicht ohne die Bandklassiker „Howling at the Moon“, „The end of our Time“, „Augen“ und „Der Tod steht dir gut“ auskommen kann. Punkt Mitternacht ist Schluss mit diesem fröhlichen Familienfest.
Irgendwie habe ich dieses WGT das Gefühl, dass ich im Vergleich zum letzten Mal einmal Sparflamme und sehr einseitig gefahren bin. Das lag teilweise daran, dass sich die Bands auf meiner Liste gnadenlos überschnitten haben und das zu mehrfachen in einem Zeitslot – der Zahnschmerz für jeden Festivalgänger. So viel zu den Fakten. Ebenfalls Fakt ist, dass ich trotz allem diesem dunkelbunten Treiben nicht ohne Seufzen fortbleiben kann und mich bereits auf das nächste Jahr mit hoffentlich ähnlich geilem Line-up und nutzerfreundlicheren Spielplänen freue.