Von zeltgebackenen Brötchen, sonnengebrannten Hamstern und dem M’Era Luna 2010
Mit einem Besucherrekord von 24.000 Besuchern ging am 08.08.2010 das 10. M’Era Luna Festival auf dem Flughafen Hildesheim-Drispenstedt zu Ende. Aus Sicht des Veranstalters natürlich eine angenehme Überraschung. Mit einem Line-Up, das sich wie ein Who-is-Who der Szene liest, punktete FKP Scorpio bei den Festivalgängern.
Eigentlich war es ein M’era Luna, wie all die Jahre zuvor. Nach einer strapaziösen Anreise und einer beachtlichen Schlange wartender Festivalbesucher hieß es Freitagmittag für uns Zeltplatz suchen. Gar nicht so einfach, wie wir gedacht hatten, aber die Reservierung für mehr als 20 Zelte ignorierten wir dann gekonnt, und schlugen unser Lager neben den beiden Dieselaggregaten auf. Unterkühlung sollte somit nicht unser Problem werden.
Nachdem auch unsere Nachbarn eingetroffen waren, wurde erstmal die Umgebung erkundschaftet und Pläne geschmiedet, insbesondere was Outfits und den kommenden Abend anginge. Wer allerdings erst am Freitagabend ankam hatte Glück; man konnte bequem durch die Kartenkontrolle und Bändchenausgabe gehen und sich danach immer noch einen ausreichend großen Zeltplatz aussuchen.
Bald darauf folgten Samsas Traum auf der Main Stage. Nicht zum ersten Mal traten die Österreicher in Hildesheim auf. Vor einigen Jahren brach Herr Kaschte den Auftritt vorzeitig ab, da man ihn mit zu wenig Publikum beleidigte. Dieses Jahr war von einem Publikumsdefizit nicht die Spur zu vernehmen. Die Menge war begeistert von der Kugel im Gesicht , Ein Foetus wie du aber auch von den neueren Werken wie beispielsweise Heiliges Herz. Die Band rockte im Vergleich zum vorangegangenen Auftritt natürlich um einiges mehr. Kam das Schlagzeug nun auch nichtmehr aus der Dose, und ließen die Gitarristen keinen Zweifel an ihrem Können. Trotzdem klangen Samsas Traum wie immer unverwechselbar – die Band rockte, das Publikum rockte, alles schien super.Wäre da nicht dieser plumpe Versuch von Ansagen aus Alex‘ Mund: „Wer von euch kam mit dem Zug? – Endstation Eden“ . So sahen in etwa alle Ansagen aus. Machte die Stimmung ein wenig kaputt, aber war lange kein Makel, der wirklich störte. Bereiteten sich die vordersten Reihen doch sogar auf eine Wall of Death vor. Alles in allem ein guter solider Auftritt der selbsternannten Black-Metaller, der sogar die Kritiker mit großartiger Stimmung im Publikum und musikalischer Qualität überzeugen konnte.
Eluveitie waren selbst etwas überrascht über den riesigen Ansturm und die Begeisterung in allen Reihen. Trotzdem tat sich Sänger Chrigel etwas zaghaft bei der Frage nach einem Circlepit. Auch wenn wohl einige Damen in den ersten Reihen keine Begeisterung austrahlten über solch eine Bitte, die Menge tobte und erfüllte der Band den Wunsch, gefolgt von einer Wall of Death. Die Poger kamen also vollends auf ihre Kosten. Und die Band ebenso – sogar mehr als erwartet.
Dafür versprachen die heranströmenden Fans und die Running Order als nächstes einen gewaltigen Kracher als Entschädigung: Nitzer Ebb, die Großmeister des Oldschool-EBM kamen auf die Bühne und schon nach den ersten Takten war die Stimmung auf der Bühne, aber noch mehr im Publikum grandios. Sänger Douglas McCarthy überzeugte im schwarzen Anzug durch Vocals und Performance und auch Bon Harris war sichtlich gut gelaunt, als er im Verlauf des Konzerts das Mikrofon ergriff und zusammen mit McCarthy das Publikum immer mehr anheizte. Die Stimmung war in der Menge eh so super wie bei keinem anderen Konzert, das ich bisher gesehen hatte.
Nach einer Stunde durchstompen, wildem Moshpit in der Mitte und einer großartigen Show gingen die meisten EBM-Fans befriedigt ihrer Wege.
Auch Sonntag begann der Tag mit den mitgebrachten, und mittlerweile steinhart gebackenen Brötchen, ehe das Kommando zum Ankleiden der edlen, einfallsreichen und außergewöhnlichen Festgewänder erschallte, ziemlich früh.
All die vielen Vorsätze lösten sich schnell in Wohlgefallen auf, sodass wir uns nach einer erfrischenden Dusche und einem guten (verspäteten) Frühstück zu Amduscia in den Hangar bewegten. Die Aggro-Tech-Combo aus Mexiko war nicht allen unbekannt, dennoch konnte man bequem bis vorne durchgehen. Schnell füllte sich die Halle und viele, wie auch wir, waren schon früh gekommen, um nachher bei Agonoize wenigstens in den Hangar hineinzukommen. Aber das frühe Erscheinen sollte zumindest musikalisch kein Reinfall werden. Frontmann Polo, Keyboarder Raul und eine hübsche Tänzerin im blau-silbernen Cyber-Outfit enterten die Bühne und legten sogleich mit ihrer aggressiven Show mit Licht- und Nebeleffekten los. Eine Stunde lang wurde das Publikum durch wummernde Beats und durch den Verzerrer kreischend wirkende Vocals fast zum Tanzen gezwungen, bis dann nach dem letzten Song sowohl Band als auch Publikum schweißgebadet nach einer Pause lechzten.
Da es schon fast unmenschlich früh begann, starteten auch die Schmuserocker Zeraphine zu recht früher Stunde am Mittag.Besonders bei solch einer angenehmer musikalischer Untermalung setzt man sich gern auf die umliegenden Flächen, genießt sein Mittag oder lauscht einfach nur der Musik. Mit einer Ausnahme spielten die Dark-Rocker um Frontmann Sven Friedrich nur ihr englisches Repertoir aus. Der Hit Still durfte natürlich keinesfalls fehlen, troztdem hätte man sich schon zwei bis drei weitere deutschsprachige Titel gewünscht. So zog das Konzert im Nachhinein doch nur einem einem vorbei ohne großes Potential zum zurück denken.
Die 69 Eyes rockten das Mera Luna.
Und auch im Hangar kam niemand auf die Idee, aufzugeben, als Feindflug mit Bundeswehr-Bühnendeko und Tarnnetzen auf die Bühne kamen und mit Trommeln und Paukenschlägen die verstörende Videoshow im Hintergrund betonten. Die Band ist dadurch bekannt, in ihren Songs kein Wort selber zu sagen sondern sich an Samples aus Filmen, Dokumentationen und Reportagen zu bedienen und so sollte es auch auf der Bühne sein. Grandiose Show, die aber teilweise dazu zwang, die Augen zuzumachen, da die Lichteffekte echt heftig waren. Der Bass war ebenso gewöhnungsbedürftig, aber super, wenn man im Takt bleiben wollte beim Tanzen. Diese Show hat sich, für Fans allemale, trotz überdimensionaler Lichtorgel, gelohnt.
Und wieder folgte eine Show, die ich mir nur angesehen habe, um bei Combichrist im Hangar zu sein und nicht wie 2008 vor lauter Überfüllung nicht in den Hangar zu kommen. Skinny Puppy bauten Unmengen von Leinwänden und Projektionsflächen inklusive Beamern auf. Diesmal sollte sich die Stunde Warten auf Combichrist nicht wirklich lohnen. Sänger Nivek Ogre kam im weißen Kostüm mit Ku-Klux-ähnlichem Hut, einer zerfetzten Zwangsjacke und einer Maske komplett in weiß inklusive Gehhilfe auf die Bühne und legte sofort kraftvoll los. Musikalisch war an der ganzen Chose nichts auszusetzen, nur die LSD-ähnlichen Bilder auf den vielen Leinwände gepaart mit dem ständigen Kostümwandel und Rumgehopse des Sängers waren einfach zu viel. Man wusste einfach nicht mehr wohin man schauen sollte was irgendwann dem Gesamteindruck schadete. Sehr experimentell und elektronisch gehalten ist die Musik aber immerhin ein Anreiz für mich, mir die Band auf CD anzuhören, auch wenn ich sie live nicht überzeugend fand.
Einmal mehr performten Andy LaPlegua (Panzer AG, DJ Scandy) und die anderen Jungs von Combichrist überzeugend und druckvoll. Eine überraschend unpopuläre Mischung erwartete das Publikum, das die Nachricht des kommenden Albums sehr positiv begrüßte. Man merkte schon, dass die Band durch ihre Supporttour für Rammstein ziemlich bekannt und beliebt geworden war, denn voller hatte man den Hangar noch nie gesehen als zu diesem Auftritt. Schon vorher drängte sich vielen die Frage auf, warum man Combichrist nicht auf die Main Stage verlegt hatte, denn wie man merkte, war die Halle nicht nur überfüllt, nein auch die Band wirkte auf der kleinen Bühne irgendwie deplatziert. Hatte man mit Rammstein ja riesige Hallen bespielt. Die Show hat aber trotzdem auch der Band sichtlich Spaß gemacht uns so verflog bei einem wilden Moshpit, brüllender Hitze und einem ebenso brüllenden Andy und den besten Liedern der Band die Zeit wie im Flug.
Mit Combichrist auf der Hangar Stage und Placebo auf der Main Stage ging das zehnte M’Era Luna Festival recht grandios zu Ende.
Fazit:
Auch wenn das Wetter uns mit seinen Launen alle Mühe gab, das Festival zu stören, den wenigsten wird das Wetter wohl zugesetzt haben. Einige Sonnenbrände, hartgebackene Brötchen (wohlgemerkt im Zelt) und gelangweilte Johanniter sind neben den Erinnerungen an die Leute und die Konzerte das Bild, das mir von meinem ersten M’Era Luna in Erinnerung bleiben wird.
„Die ganze Zeit am Zelt hats geregnet. Da geht man mal zu nem Konzert und schon kommt die doofe Sonne raus“ – das war mein Lieblingsspruch, den ich auf einem der Konzerte aufgreifen durfte. Grufties und Sonne, das geht mal garnicht.
Auch für mich war es das erste M’era Luna, aber sicherlich nicht das letzte. Eine wirklich gelungene Abwechslung des Line-Ups, und jede Menge netter – teils wunderschon herausgeputzter – Leute.
Für mich war es das vierte M’Era Luna, weswegen einige Sachen wie der heillos überfüllte Hangar oder die Tradition der Trommler am letzten Abend nichts Neues waren. Auch einige Besucher und ihre typischen M’Era Luna- Outfits kannte ich schon und habe mich teilweise tierisch gefreut, sie wieder zu sehen. Aber das alles machte das Festival nicht uninteressanter oder gar langweilig für mich. In diesem Jahr war das Line-Up perfekt für mich und ich habe zum ersten Mal so viele Bands gesehen wie ich geplant hatte, was auch daran lag, dass dieses M’Era Luna bei mir zum ersten Mal recht nüchtern verlief. Einige Konzerte hätte ich mir im Nachhinein sparen können, wobei ich bei anderen wiederum sagen muss, dass es sich wirklich gelohnt hat. Wieder einmal war die Stimmung bei den Besuchern freundlich, irgendwie vertraut und typisch M’era Luna, sodass ich mit Sicherheit sagen kann: M’Era Luna 2011 – ich komme!