„Das ist nicht tot, was ewig liegt,
bis das die Zeit den Tod besiegt!“
Dem Autor H.P.Lovecraft haben wir eine ganze Reihe Figuren und Sprüche zu verdanken, die inzwischen zu Ikonen der Horror-Literatur mutiert sind: Cthulhu, der tentakelköpfige Priester der großen alten Götter, der auf dem Meeresboden vor sich hin dämmert, bis die Zeit reif ist, seine Schreckensherrschaft über die Erde zu errichten; Abdul Alhrazed, der verrückte Araber, Autor des schrecklichen „Necronomicon“, dessen Lektüre unausweichlich zu Panik und Wahnsinn führt;……Yog-Sothoth, Azathot, Nyarlathotep…….. und, und, und……..
Lovecraft war zu Lebzeiten (1890-1937) das, was man heutzutage als Nerd bezeichnen würde. Er verwob seine abseitig fantasievollen Geschichten mit den zeitaktuellen Erkenntnissen aus der Mathemathik, Physik (Relativitätstheorie und Quantenmechanik), Paläontologie und anderen Naturwissenschaften. Und dies auf erzählerisch so geschickte Weise, dass man dieses morbide fiktive Universum gar nicht mehr verlassen möchte (Ungeachtet der ihm innewohnenden Schrecken). Lovecraft war auf seine Art genial, doch etwas kaputt war er auch….. ein verschrobener Einzelgänger mit Hang zum Rassismus und literarischer Selbstüberschätzung. Man ist sicher gut beraten, den Mann mit etwas kritischem Abstand zu betrachten, doch ist es meine feste Überzeugung, dass man die Menschen nach dem beurteilen soll, was sie gut gemacht habe und nicht nach ihren persönlichen Entgleisungen. So kann man an Lovecrafts Geschichten viel Spaß haben.
„Träume im Hexenhaus“ ist eine von Lovecrafts herausragenden Stories. In der Zeit der Hexenprozesse von Salem gelingt es einer der Angeklagten, der zweifelhaften Gerichtsbarkeit zu entkommen, indem sie mit Hilfe von „Kurven, Winkeln, Linien“ und mathematischen Formeln in ein fremdes Universum flieht, dort ihr Unwesen weitertreibt und mit Hilfe Ihres Herrn (dem „Schwarzen Mann“ ) und einer rattenähnlichen Widerwärtigkeit namens „Brown Jenkin“ , das Leben des Hauptprotagonisten, einem okkultismusbegeisterten Mathematikstudenten, schwer macht.
Eine großartige Geschichte. Lovecraft führt einen durch fremde Dimensionen, albtraumhafte Welten und psychologische Verirrungen. Er bleibt dabei einem seiner wichtigsten Stilmittel treu, nämlich dem der „Andeutungen“. Selten werden plumpe Fakten präsentiert. Stattdessen bleibt es dem Leser überlassen, aus einer Summe unheimlicher Puzzlesteinchen das grausige Gesamtbild des Plots zusammenzusetzen.
Viele Bearbeitungen von Lovecraft-Geschichten scheitern genau daran. In Comics oder Filmen sieht man (mal mehr und mal weniger gelungen) ein „reales“ Bild dessen, was der Autor eigentlich der Fantasie des Lesers überlassen wollte und es braucht ein enormes künstlerisches Einfühlungsvermögen, um die typische „Lovecraft-Stimmung“ in werkfremden Medien zu erhalten.
Kommen wir zum vorliegenden Hörspiel: Es ist toll gemacht. Die Inszenierung wird dem Geist des Autors in jeglicher Hinsicht gerecht. Kleine Unterschiede zur Vorlage sind unvermeidlich, denn die Geschichte wird im Hörspiel in Dialogform plus Erzähler präsentiert, während die geschriebene Version die Ereignisse aus Sicht des Studenten beschreibt. Diese Übertragung ist gut gelungen und man merkt, wieviel Mühe sich der Bearbeiter gegeben hat, auch kleine Details zu erhalten. Ein Sprecherteam, das keine Wünsche offen lässt und der geschickte Umgang mit eingespielten Geräuschen und Sounds lassen den Hörer wirklich abtauchen in die gruselige Welt des Autors.
Der Ganze ist so werkgetreu, wie es nur sein kann und lässt nur kleinere Szenen der Vorlage aus, die sich nur schwer oder gar nicht vertonen lassen.
Durch das stimmungsvoll gestaltete Cover präsentiert sich die Hörbuchversion der „Träume im Hexenhaus“ in einem angemessenen Gewand. Wenn auch der Illustrator gut daran getan hätte, die Story etwas genauer zu lesen, denn auf dem Cover wird der Braune Jenkin als überdimensionale Ratte dargestellt und nicht, als rattenartiges Wesen mit menschlichem Gesicht und menschlichen Händen, wie in der Vorlage.
Die preisgekrönte Produktionsgesellschaft Titania-Medien stellt mit vorliegender Produktion die Nummer 100 aus der Reihe „Gruselkabinett“ vor. Ein Jubiläum, dass die Betreiber feiern, indem sie der CD eine Art „Making of“-DVD beilegen, die sehr kurzweilig die Macher bei der Arbeit zeigt.
Wer jetzt Blut geleckt hat, was Lovecraft und die Hörspielbearbeitungen von Titania Medien angeht, dem sei darüber hinaus noch wärmstens die Inszenierung von „Der Fall Charles Dexter Ward“ anempfohlen, die mindestens ebenso überzeugend ist, wie die „Träume im Hexenhaus“ . Titania Medien setzt mit ihren Produktionen Maßstäbe, die nur schwer zu toppen sind.
Unter folgendem Link findet man eine Hörprobe und weitere Infos der Hersteller:
Spielmann Michel