Was ist Black Metal eigentlich, wer darf Black Metal sein und vor allem wer bestimmt darüber? Seit in unserem Land Der Weg einer Freiheit unfreiwillig eine große und unnötige Diskussion angestoßen haben erhitzen sich die Gemüter an diesen Fragen. Zumindest konnte man den Franken nicht vorwerfen sie würden musikalisch völlig aus der Art schlagen. Anders sieht die Sache da bei den Amerikanern Liturgy aus, die weit über dem üblichen „Post-Stempel“ hinaus drauf los musizieren und dabei wie ein verrückter Derwisch aus Wolves in the throne room und irrem Mathcore anmuten. Das ganze würde sicherlich weit weniger diskutiert werden, wenn die Herren aussähen wie die üblichen Corpsepaint-Waldschrate, aber nein, da kommen plötzlich ein Haufen bunt (!) gekleiderter „Hipster“ daher und hauen mit Renihilation einen intensiven Trip aufs Parkett, dass einem die Ohren nur so qualmen.
Musikalisch drückt sich das so aus: Flirrende, teilweise in schwindelerregenden Höhen operierende Gitarren frickeln sich durch teilweise wahnwitzige Melodien, die zwischen ekligen Dissonanzen und perfekter Elegie wandeln. Dazu trümmert ein Schlagzeug in zig verschiedenen Blastrhythmen durch die Gegend, bei dem man nur selten das Gefühl hat, dass das tatsächlich zusammenpassen kann. Währenddessen schreit jemand unverständlichen Kram wie am Spieß in ein ordentlich Hall produzierendes Mikrophon, Urlaute wie im Irrenhaus mag man vermuten.
Und doch ergibt sich auch aus dieser Fülle an Eindrücken mit viel, wirklich sehr viel Geduld ein großes Ganzes, welches zum einen durch seine archaische Intensität beeindruckt, zum anderen auch durch eine verquehrte Form von Schönheit zu überzeugen weiß. Ein Song wie Mysterium, der scheinbar rhythmisch ohne Sinn und Verstand die Landschaft zerpflückt, entpuppt sich als fordernder Hort nahezu perfekter Wehmut, dank einer unhemilich einnehmenden Melodie. Und gerade dieses sich stetig wandelnde Schlagzeug vollbringt eine viel intensivere Steigerung, macht es aber auch dementsprechend schwer der Musik wirklich hundert Prozent folgen zu können. Wer die Landsleute Krallice kennt, kann in etwa nachvollziehen, welchen Charme die Riffs versprühen, denn da machen es einem die Amerikaner nicht viel einfacher alles nachvollziehbar zu machen.
Der Merkwürdigkeit wird durch Einschübe von recht seltsamen Chören und kaputten Interludien noch mehr genüge getan. Aber auch das passt irgendwie dazu, es verstärkt das Bild dieser seltsamen Platte, die wie das Cover zeigt durch intensives Hören immer mehr Licht preisgibt. Künstlerisch jedenfalls ein beeindruckendes Konzept, welches sicherlich nicht allzu viele Freunde finden wird.
Selten tat ich mir mit einer Platte so schwer, doch selten hat mich etwas so abstoßendes auch so in den Bann geschlagen. Ich musste begreifen, was hinter dem Ganzen steckt, was die musikalische Absicht dahinter sein soll. Und tatsächlich eröffnete sich einem mit der Zeit ein Kosmos aus Chaos und Ordnung, in steter Abwechslung eben wie die Schön- und die Ekelhaftigkeit der Musik selbst. Renihilation kann einem eigentlich nicht gefallen, es soll erschrecken, es will sperrig sein. Eine abschließende Wertung zu finden erscheint daher auch unmöglich zu sein. Jeder sollte sich selbst einen Eindruck dazu machen und in die Scheibe reinhören!
Trackliste:
- Untitled 1
- Pagan dawn
- Mysterium
- Untitled 2
- Ecstatic rite
- Arctica
- Untitled 3
- Beyond the magic forest
- Untitled 4
- Behind the woid
- Renihilation
Erscheinungstermin:
24. August 2009