Review: VII. E-Only Festival 2017

Wir starten unser Festivaljahr im Herzen Leipzigs. Dort fand am 18. Februar 2017 zum siebten Mal das E-Only Festival statt.

Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an. Als das alte Leipziger Stadtbad vor über einhundert Jahren in der Eutritzscher Straße erbaut wurde, feierte man gerade die Erfindung der Wolframglühlampe und für einen Konzertabend ging man wohl eher in die Oper. Heute ist das Wasser zwar schon lange abgelassen, doch einmal im Jahr wird die Männerschwimmhalle mit moderner Bühnenbeleuchtung und harten elektronischen Klängen geflutet. Dann heißt es E-Only Festival. Und in diesem Jahr war es noch größer als zuvor.

Vomito Negro
Vomito Negro

Electronic Body Music war ein großes Thema und bereits der Opener Amnistia stimmte das bereits gut vorhandene Publikum vor der großen Bühne darauf ein. Die Leipziger Band nennt ihren Stil zwar selbst Bodywave doch die Synthie-Melodien, die den düsteren Gesang begleiten, sind offensichtlich EBM-inspiriert. Der zweite Act Vomito Negro aus Belgien pendelte zwischen EBM-Stücken und dunklem Elektro aus einem auffällig am Bühnenrand platzierten Analogue Solutions Synthesizer.

Im Anschluss wurde es Zeit für die Premiere der zweiten Bühne. Der Raum zwischen Eingangsbereich und Garderobe wurde in den vergangenen Jahren lediglich für die Aftershow Party genutzt. In diesem Jahr warteten hier fünf knallharte EBM-Bands auf bewegungswilliges Publikum.

Les Berrtas
Les Berrtas

Los ging es mit zwei echten Live-Raritäten. Einen scheissnormalen schwedischen Sturm Café gibt es nicht an jeder Ecke und auf eine Live-Darbietung des Kettensägenelektros von Les Berrtas muss man jahrelang warten. So ist es kein Wunder, dass der EBM-Floor von Anfang an gut angenommen wurde. Und spätestens beim Old-School-EBM des dritten Streichs NZ war auf der Tanzfläche kein halten mehr.

Parallel schwenkte das Programm in der Schwimmhalle in eine synthie-melodischere Richtung. Sowohl Beborn Beton als auch NamNamBulu sind bekannt für ihre eingängigen Electro-/Synthpop-Hymnen und diese zelebrierten sie in gewohnt guter Qualität, bevor Faderhead wieder ein paar Gänge härter schaltete und mit seinen Club-Krachern nochmal für richtig Bewegung sorgte.

Beborn Beton
Beborn Beton

Für die nicht-musikalischen Bedürfnisse war natürlich auch gesorgt. Den kleinen oder großen Hunger zwischendurch konnte man an zwei Ständen mit fleischlosen und fleischhaltigen Dingen im Außenbereich stillen. Festival- und Bandmerchandiseartikel konnte man in der Männerschwimmhalle erwerben.

Ein anderes natürliches Bedürfnis führte zu einem Negativpunkt, denn der Abfluss der Toiletten schien „etwas“ überfordert. Der Füllstand der Pissoirs ließ einen mehrfach überlegen, ob man noch seinen Beitrag dazutun sollte. Aber was muss, muss. Glücklicherweise lief trotzdem nichts über.

Auf dem EBM-Floor war nun die Spitze des Old-School erreicht, denn hinter dem – für einige unbekannten – Namen Underviewer verbirgt sich ein Projekt der Front 242 Mitglieder Patrick Codenys und Jean Luc de Meyer, welches sogar noch zwei Jahre älter ist als diese wohl bekannteste EBM-Band. Quasi ein Ausflug in die Urzeiten des Genres.

Und das anschließende EBM-Finale übernahmen die Hannoveraner Pogostimmungsgaranten Orange Sector. Nach dem Festival hieß es in ihrem Statement auf Facebook: „[…] Den Fotografen war es zu voll und sie hatten Angst um ihre Ausrüstung (kein Scherz). Also ihr Pogomaschinen…keine Fotos, aber Hauptsache ihr hattet Spaß. […]“ – und ich muss sagen: Das stimmt!

Nun, den neuen EBM-Floor könnte man jetzt sicher auch kritisieren. Der Raum ist relativ klein und schmal. Wer mal schnell zur Garderobe wollte, musste auf die Pause warten. Die niedrige Bühne und der durch die Absperrung Richtung Bühne hin enger werdende Bereich ließ nur wenigen einen guten Blick auf die Musiker. Und das Heizkonzept ging auch nicht ganz auf, denn die Warmluftgebläse mussten wegen Verbrennungsgefahr irgendwann abgestellt werden. ABER ein kleiner und vielleicht noch etwas provisorischer zweiter Floor ist besser als kein zweiter Floor. Immerhin wird hier versucht aus einer historischen Location, die sicher nie für Konzerte konzipiert wurde, immer noch ein bisschen mehr herauszukitzeln.

Diorama
Diorama

Zurück zum Main Floor – hier wurde zum Finale noch etwas mehr für die Abwechslung getan. Quizfrage: Wer geht auf ein E-Only Festival und bringt eine Gitarre mit? Diorama natürlich, die Band, die sich in kein Genre stecken kann und will. Gefühlvoll, kraftvoll, elektronisch, rockig – Bei ihrer Vielseitigkeit ist das Schubladenstecken auch wirklich nicht leicht.

Und man glaubt es kaum, am Ende eines klar männerdominierten Abends wagten sich zum Abschluss des Liveprogramms sogar gleich zwei Damen auf die Bühne, die teilweise rotierend einen Teil des einzigartigen Liveradiothemensenders für Musik aus 8-Bit-Heimcomputer verkörpern. Denn es spielte für sie Welle:Erdball. Selbst wer die Musik nicht mag, der sollte sich mal diese spezielle Liveperformance anschauen.

Welle:Erdball
Welle:Erdball

Fazit: Das E-Only Festival ist ein schönes, kleines und elektronisches Indoor-Festival, das eine ausgewogene Mischung aus bekannt Gutem bis hin zu seltenen und historischen Perlen bietet und dabei noch Mut zum Experimentieren beweist. Stimmung top, Preise fair, Crew/Security entspannt und alle Bands waren alle durchaus hörens- und sehenswert.

Und die zwei Kritikpunkte – schlechter Abfluss der Toiletten sowie Kälte in EBM-Floor und Eingangsbereich – wurden direkt vom Veranstalter erkannt und werden sicher zum VIII. E-Only Festival am 17. Februar 2018 behoben sein.

Wir freuen uns jetzt schon auf die Fortsetzung für die es mit Der Prager Frühling schon die erste EBM-Ankündigung gibt  und natürlich auch auf das nächste Event der Crew: das Kasemattenfestival am 21. und 22. April 2017 in der Sandsteinhöhle Langenstein bei Halberstadt.

Unsere Fotogalerie vom VII. E-Only Festival 2017 gibt es hier: http://dark-n.de/LwHb8

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