Die Schwarze Szene ist nur noch ein Schatten seiner selbst?
Eine kommerzielle Werbeplattform für den geldspuckenden Rezipienten, der sich sein neustes Outfit bei EMP und Konsorten zusammengestellt hat? Sicherlich, die Szene hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt, zwar nicht nur im negativen Sinne, aber dennoch zu einem anderen, undefinierbaren Etwas.
Der Gitarrist von fetisch:mensch fasst dieses Gefühl passend in Worte: „Der Ton war uns
Überzeugungs-Gothics immer etwas ganz Besonderes. Wir haben unter der Oberfläche der
Gesellschaft nach den Nischen gesucht, nach der Individualität. Haben zugehört. Zugelassen. Selbst
Schmerz und Hass. Haben hinter alle Dinge geblickt. Aber irgendwann haben wir dabei Toleranz
und Kritiklosigkeit verwechselt. Meinungsfreiheit war uns ein hohes Gut, dass Irgendwann der
Inhalt einer Meinung egal war. Der. Inhalt.“
Ich bin selbst noch nicht sehr lange in der Szene unterwegs, mögen es vielleicht sieben Jahre sein,
ich weiß es nicht – auf jeden Fall noch nicht solange wie Tim Hofmann, Oswald Henke und Co..
Hinreißen lassen von der Musik, seine eigenen Gefühle darin wiederfindend, und als gebrochene
unzufriedene Jugendliche einen Platz in der Gesellschaft findend – Identifikation. Das war damals,
ein Lebensgefühl für sich entdecken, und verdammt nochmal dabei zu bleiben, auch wenn man sich
nicht zu jeder Gelegenheit einen Liter Patchouli auf die Haut kippt und seine Springerstiefel
schnürt. Es geht um den Inhalt – den Grund wieso wir das alles machen, wieso wir keine
HipHopper oder Lipgloss-Tussis geworden sind, sondern uns in unserem tiefsten Inneren mit
unserer Umwelt, unseren Gedanken und der Melancholie hingezogen fühlen, uns für Geschichte
und Kultur interessieren, und einen ganz besonderen, auch morbiden, Geschmack haben, den nicht
jeder teilen kann.
„Wir haben es immer gut ausgehalten, wenn The Cure zu kommerziell war oder Kaschte zu durchgeknallt oder Illuminate zu sehr Schlager.“
((tim)) – fetisch:Mensch
Hofmann bezieht sich in seinem Text über den Verfall der Schwarzen Szene auch auf etwa Bands
wie Schandmaul, Unheilig oder Mono Inc. die nun auch in den deutschen Album-Charts seit einiger
Zeit weit oben anzutreffen sind – Bands, die möglicherweise früher ein viel stärkeres,
überzeugenderes Bild von sich gegeben haben, nun aber Stino-Hausfrauen in den 40ern ansprechen.
Ist das wirklich das Ende?
Ich sage ganz klar nein. Wichtig ist es zu wissen, wieso man das alles macht. Modegruftis kommen
und gehen, der, der dabei bleibt und auch weiß aus welchem Grund er all dies tut, und zwar nicht
nur, weil die Musik so schön ist, erhält die Szene am Leben. Ganz gleich, ob er sich die neue Musik
der Chartstürmer weiterhin anhört, oder einfach gerne schwarze Literatur liest und Gedichte
schreibt. Es geht nicht um das „sein wollen“, sondern um das fortbestehende und begründete
„Sein“. Dabei muss einem ganz bestimmt nicht am Aussehen abzulesen sein, ob man denn ein
„Gothic“ ist, oder nicht…der Glaube kann einen da, wenn man die ganzen neuen Modetrends bei
H&M und so mal genauer betrachtet, nämlich ganz schön in die Irre führen.
„Der. Inhalt.“, das Innere, der Grund. Das Wegkratzen von Oberflächlichkeiten, die Hinwendung zu
dem was zählt – der Sinn.
Mehr zum Beitrag Hofmanns und seiner Meinung findet sich hier.
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