Jawoll, es herrschte Krieg im Ruhrcongresszentrum. Meeeeeehr Kriiiiieg. Das Blut floss knöchelhoch durch die Straßen (bzw. über den Boden), der eine besiegte den anderen (beim Pogen) und wir bekommen (bekamen) niemals genug davon. Wer für dieses martialische Szenario verantwortlich war? Man glaubt es kaum. Farin Urlaub und sein Racing Team. Doch wie konnte das dauergrinsende Aushängeschild von Die Ärzte (auuus Berlin!), das man sonst eher als recht lustigen Menschen kennt, zu so einer Gräueltat fähig sein? Farin Urlaub, der Mörder? Der Kriegstreiber? Der… Der… Der… Antichrist? Oder vielleicht doch Marylin Manson?
Nun, Marylin Manson ist er nicht. Schließlich verlor er den Marylin Manson-Ähnlichkeitswettbewerb ja haushoch, was unter anderem daran gelegen haben könnte, dass er nicht mal Bochum auf den Penis tätowiert hat. Wie kann er nur, gerade in Bochum ist es obligatorisch, sich den Namen der Stadt auf den Penis zu tätowieren. Kleine Anekdote am Rande: Ruhrpöttler mit einem ganz besonders langen Schwanz tätowieren sich gleich „Ruhrpott“ (alternativ „Blackpott“) auf den Schwanz – Vielleicht hat es bei ihm einfach nicht mehr draufgepasst und/oder der kleine Farin war mit „Berlin“ schon vollgestochen. Aber von Anfang an: Das Massaker begann, verdammt früh für Konzertverhältnisse, um 20 Uhr, und das ohne Vorband. Aber wenn man schon so früh spielt, dann richtig: Nach einem pompösen Intro mit einem fallenden Vorhang usw. erschien dann der Großmeister auf der Bühne und mit
ihm seine Band, das Racing Team, bestehend aus einer Drummerin, einer Bassistin und einer wild über die Bühne fegenden rothaarigen Gitarristin sowie Bläsern, die jedoch erst nach dem zweiten Song auf die Bühne gingen. Los ging die akustische Schlacht jedenfalls mit „Unscharf“, einem der absoluten Highlights des letzten Albums „Die Wahrheit übers Lügen“. Der melodische Punkrocksong war jedenfalls schon enorm bekannt und wurde aus vielen Kehlen mitgesungen, ähnlich wie der „Marylin Manson-Ähnlichkeitswettbewerb“, den übrigens ich gewann – Hin und wieder lohnt es sich doch, auf einem Konzert der Quotengrufti zu sein.
Doch genug von mir. Was war nun mit dem alten Herrn: Wenn man von den andauernden Problemen mit der PA absieht, war das Konzert mehr als gelungen. Farin und Band waren in Geberlaune und rockten sich durch ein Programm, das selbst den unrockbarsten rockbar machte, sofern man dies auch auf Farin Urlaub solo anwenden kann. Aber scheiß drauf: Er hat gerockt. Er erklärte uns den „Krieg“, wie man nicht an einem „Marylin Manson-Ähnlichkeitswettbewerb“ teilnimmt, dass wer sein Leben „Nichimgriff“ hat oder wie man eine „Petze“ zu behandeln hat. Ob man darüber so „Glücklich“ sein sollte (ich war es definitiv), ist ne andere Sache, aber der Abend sprach für sich. Dass man sich übrigens über keine Petze aufzuregen brauchte, lag auch daran, dass es verdammt leise war. Das schmälerte das Vergnügen ein wenig.
Zur Urlaub-approved Rockshow mit all ihren Skurillitäten, Musik zwischen den Ansagen und Punkrock gehören aber auch kleine stilistische Ausflüge in lustige Bereiche wie Reggae – Hier machte sich Farin, sehr zur Freude der Zuschauer, sich über die kleinen Seltsamheiten der Hiphopper (oder auch „Därrrr Ärrrbfeind“) lustig und erntete großen Applaus. Da man ihm seine ironische Ansage „Ich lebe für Hiphop“ nicht ganz abnahm, änderte er diese auch schnell in eine andere, mit viel mehr Jubel aufgenommene Ansage: „Ich lebe für Reggae!“ ließ er verlauten, und läutete damit den Reggae-Song „I.F.D.G.“ ein, zu dem ein Mädel auf die Bühne, die wohl bald mit Farin auf Tour gehen wird: „Ey Chef, das sieht voll super aus, wie die sich hier bewegt. – Und wieder eine von euch aus der Band gesägt – Ich find das gut.“
Während mein Fotobase inklusive Moshbehinderung (vulgo: Kamera) wieder aus dem Fotograben zurückkam, wurden bereits schon größere Hits abgefeuert, die ähnlich einschlagend wirkten wie ein Furz eines verschwitzten Musikers nach einem Konzert mitten ins Diktiergerät (das ist mir wirklich schon passiert – Es war eklig. Es verschafft aber eine innere Befriedigung und ein wenig Schadenfreude, wenn da ein anderer Musiker jetzt nah drangeht). Ein nettes Aufgebot an Hits:
„Am Strand“ (gut, da wäre ich jetzt auch gerne), „Zehn“, ein Lied, bei dem sich Bases Moshbehinderung noch viel härter auswirkte als sonst, da er nicht springen konnte, „Gobi Todic“ – Verdammt, wer zum Teufel ist das?, „Augenblick“, die Hitsingle „Porzellan“, das makaber-morbide „Die Leiche“, „Sonne“, „Unsichtbar“, „Monster“, „Alle Dassselbe“, der Uralt-Hit „OK“, aber auch einige unbekanntere Songs und B-Seiten wurden gespielt: Die tolle „Xenokratie“, „Der ziemlich okaye Popsong“ und „Worte Fehlen“, ehe man sich mit „Unter Wasser“ in die Pause verabschiedete und die Fans nach mehr schreien ließ.
Da Mao, nein, Marylin Manson, nein, auch nicht… Urin Farlaub ein guter Militärdiktator ist, ließ er sich natürlich auch schnell wieder blicken und stellte zu Ehren und Beruhigung des tobenden Pöbels Volkes ein Kerzenmeer auf und verkaufte ihnen, versiert wie George W. Bush seine letzte Steuersenkung für die 0,1 Prozent der Amerikaner, die nen ganzen Haufen Kohle haben, dass der Pöbel das Volk ihm „Phänomenal egal“ sei. Wunderbar! Doch auch ohne eine andauernd durch den Bericht schimmernde Ironie: Auch die Zugaben haben es in sich. „Karten“ und „Zu Heiss“, beide vom aktuellen Album „Die Wahrheit übers Lügen“, werden euphorisch betanzt und mitgesungen, bis sich Farin Urlaub (so hiess er!) wieder hinter die Bühne verdrückte, aber dem Drängen des Pöbels Volkes schnell wieder nachgab und den letzten Teil des Konzertes einläutete mit dem Reggaesong „Insel“: Das
komplette Bühnenaufgebot stand in der Mitte an aufgestellten Trommeln und trommelte synchron auf den Trommeln herum, die trommelnde Geräusche von sich gaben. Eigentlich waren es ja Pauken, aber naja. Jedenfalls war die Stimmung einfach bombig. Farin verabschiedete sich dann standesgemäß mit dem Abschiedslied und dem Lächeln eines Diktators auf den Lippen, der weiß, wie man den Pöbel das Volk zu verführen hat… Und wer weiß, vielleicht sprang Backstage tatsächlich Marylin Manson aus dem Farin-Kostüm. Heil dir, General Urlaub!
Bericht: Alexander „Fenriz“ Schatten
Bilder: Björn “ Base4ever“ Werner
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