Und hier geht es weiter mit dem zweiten Teil des Interviews mit Ghostfog in unserer Reihe Dark Solitary:
Ghostfog ist ein Underground-Künstler, der in Essen seine Basis hat und seit vielen Jahren als Illustrator, Designer und Musiker in der Szene aktiv ist. Nachdem er eine ganze Zeit lang abgetaucht war, gelang es Nihil, ihn an die Tastatur zu bekommen. In einem direkten und nicht ganz Jugendfreien Interview spricht Ghostfog über Inspiration, Rockstar-Gehabe, Image, Drogen und faule Musiklabels.
Im Internet fliegen auch noch obskure alte Demos und Releases von Ghostfog herum. Sollen wir die hier nennen und wie stehst du heute zu deinen ersten musikalischen Schritten?
Die Alben von damals geistern in der Tat noch irgendwo durch’s Netz aber selbst für meine Verhältnisse war mir der Sound zu abgefuckt und ich habe sie offiziell wieder rausgenommen auch wenn das einige nicht so geil fanden. Die Dinger sind auch damals einfach total zugedröhnt mit so einer „I don’t give a fuck“ – Einstellung entstanden. Das würde ich heute so nicht mehr machen. Musik ist zwar immernoch ein reines Hobby aber auf dem Level der Single möchte ich es schon gerne haben. Ist natürlich auch kein übertrieben dicker Sound, aber ich mag’s ja rough…
Was war oder ist Thornfields? Bislang kam The Desert (2011) heraus.
Thornfields habe ich damals mit Liquid Grey als Industrial-Rock-Projekt gestartet. Rückblickend waren wir mit den Songs auf The Desert nicht sehr zufrieden und kamen dann bei den Arbeiten zum Nachfolger auch arbeitstechnisch rein gar nicht zusammen. Er ist eben ein richtiger Berufsmusiker und in diesem Gebiet ein ganz anderer Schlag Mensch. Im Moment ist er auch zu sehr mit seinem Solo-Ding eingebunden. Vielleicht werden wir eines Tages nochmal was machen, aber im Augenblick gibt es da keine Basis für. Er ist ein guter Freund, aber wir fahren unterschiedliche musikalische Filme.
Ist euer Bandname von dem Song Towards The Thornfields von Darkthrone inspiriert?
Nein. Wir haben auch hier einfach nur ein prägnantes Wort gesucht.
Was war oder ist Frightnights? Hier gab es bislang zwei Alben namens Under Haunted Stars I (2010) und Under Haunted Stars II (2012).
Mit Frightnights wollte ich damals gern eine Trilogie mit einer Sängerin machen. Ich habe Seetha Rao (die Sängerin – Anm. der Red.) beim stöbern im Netz gefunden und das hat auf zwei Alben auch super geklappt.
Dann ist sie wie vom Erdboden verschwunden. An dieser Stelle mache ich dann mal einen Aufruf, sich bei mir zu melden falls sie oder jemand anderes mehr weiß… die Songs zu Teil III waren in der Mache und plötzlich verabschiedete sie sich bei Facebook und war komplett vom Schirm. Ich bin aber auch nicht bereit sie zu ersetzen. Erstens hat sie das Projekt mit ihrer Stimme zu sehr geprägt, zum anderen natürlich einfach aus Respekt. Dazu müsste ich schon ein Gespräch mit ihr führen können…aber wie gesagt: Ohne ihren prägnanten Stil würde ich dieses Ding nicht weitermachen wollen.
Hin und wieder machst du auch Remixe, wie zum Beispiel für Fragile Child, Aeon Sable, Deied oder Dusk to Dawn. Was für einen Ansatz verfolgst du beim remixen? Willst du dabei alles schöne „zerficken“?
Kommt auf den Track an. Eigentlich bin ich da noch am konstruktivsten unterwegs und versuche, dem Song eine neue Farbe zu geben ohne den Kern zu zerlegen. Meistens schreibe ich die Musik unter den Vocals komplett neu. Für mich hat das jedenfalls mehr mit einem Remix zu tun, als irgendwas zu samplen und dann stumpf über einen Techno-Beat zu legen.
Kürzlich hast du offiziell deine jahrelange Zusammenarbeit mit dem Independent-Label afmusic aufgelöst. In einem ziemlich eindeutigen Beitrag hast du dich auch negativ über Labelpolitik im allgemeinen geäussert. Was geht dir denn so sehr auf den Senkel?
Ähnlich wie bei diesem Aeon Sable– oder Echozone-Ding, will ich da gar nicht mehr groß drauf eingehen. Diese Leute haben sich in den letzten Jahren nicht gerade nur Freunde gemacht – was soll ich jetzt noch unbedingt darauf einprügeln? Letztenendes hab ich ja auch soviel an negativem Material gegen die in petto, auch persönliches aus derem damaligen Umfeld, dass man die richtig mies darstehen lassen könnte. Aber das Gefühl, deren Leben wirklich übel gefickt zu haben, bleibt länger als die Genugtuung. Scheiß drauf, Mann. Die erledigen sich irgendwann doch eh alle selbst. Wichtiger ist, daraus zu lernen und es besser zu machen. Karma, Junge. Irgendwann kommt alles wieder zurück also vergiss besser diese „Ich ficke dein Leben“–Masche. Es bringt dir nichts und du verschwendest Zeit an Personen, die im Grunde ja auch völlig irrelevant für den Sektor sind.
Hast du Pläne, deine musikalischen Releases zukünftig alleine auf Bandcamp oder Soundcloud zu veröffentlichen? Werden deine bisherigen Sachen irgendwann wieder online zu hören sein?
Mal sehen. Der alte Kram bleibt in der Tonne, Hear Them Whisper ist ja zumindest als Video online und alles weitere würde ich natürlich auch raushauen. Aber nicht mehr unter einem Label. Dieser ganze Sektor geht mir so krass auf den Sack, dass ich mich in Zukunft von sowas fernhalte. Ich muss nicht ständig für mein Ego Rockstar spielen und überall ’n fuckin‘ Labellogo draufklatschen können. Oder ich erfinde einfach eines: „Your label sucks dick – Records“ oder so…
Ab 2014 wurde es viel ruhiger auf deiner Facebook-Seite. Schaut man sich die wenigen Beiträge an, so bist du letztes Jahr scheinbar komplett abgetaucht. Hast du das „Underground“ zu wörtlich genommen und bist in deinem „Alter Ego“ aufgegangen?
Scheiße – das wäre eine prima Begründung für Facebook gewesen: „Ich bin SO Underground, ich betreib‘ nicht mal mehr meine Seite“. Leider hat es tatsächlich viel mit technischen Problemen und privatem Hickhack zu tun gehabt. Das ändert sich dieses Jahr. Und das ist eine ernstzunehmende Drohung!
Was steht für die Zukunft bei dir an? Wird 2015 so ein Comeback-Jahr?
Comeback-Jahr…war die Frage eigentlich für Fler gedacht? Mann, ich mache den Kram, weil er mir Spaß macht, nicht weil ich irgendwo hin will. Comeback wohin? Comeback zum „Ey ich mach‘ wieder 10 Postings in 3 Wochen“? Angedacht ist so einiges aber nichts Spruchreifes. Ich will jetzt nicht 100 krasse Sachen ansagen, wenn dann doch vielleicht nur die Hälfte zu packen ist. Ich habe Bock, das zu machen, was ich immer mache und dann klappt das auch schon irgendwie.
Du bist jetzt seit mindestens 7 Jahren als Ghostfog in der Subkukltur, dem Underground oder der Szene unterwegs. Gerade „hinter den Kulissen“ wirst du also genügend Erfahrungen gesammelt haben. Was war dabei die abgefuckteste Erfahrung im Business?
Das war was persönliches. Ein langjähriger „Freund“, der mehrfach beim Zusammentreffen so sehr in seinem „Ich mach Mucke“-Film unterwegs war, dass er nicht einmal mehr gefragt hat, wie es mir so geht. Rückwirkend wurde mir klar, dass der eigentlich immer schon so war, aber das war wirklich prägend. Da wusste ich : „Halte dich von solchen Menschen fern und sieh‘ bloß zu, dass du nicht irgendwan genauso endest“. Traurige Geschichte, wenn Menschen der Sinn dafür, was im Leben wirklich wichtig ist, abhanden kommt.
Was waren dabei deine besten Erfahrungen im Business?
Die Freundschaften, die ich geschlossen habe. Das überwiegt den wesentlich größeren Teil der Abfucks, die man so kennenlernt. Dafür bin ich extrem dankbar.
Hast du eigentlich Bock, auch mal Live mit deiner Kunst oder Musik aufzutreten? Man munkelt, die Groupiequote für Live-Musiker wäre nach wie vor konstant…
Ich bin nicht so der Bühnenmensch. Hinter der Kamera fühle ich mich viel wohler. Vielleicht besiege ich das nochmal, aber wenn überhaupt, würde ich das nur mit so einem Masken-Ding machen. Ich steh‘ ja ohnehin total auf diesen Kostüm-Quatsch und kann darin durchaus auch aufgehen. Aber dafür muss halt erstmal das Projekt her.
Apropos Party und Lifestyle: gibt es in Essen und NRW irgendwelche besonderen Locations, die du uns empfehlen würdest? Wie sieht eine richtige Party für so aus?
Auf jeden Fall. In Essen-Steele gibt es die Freak Show. Ein kleiner, intimer Laden in dem es auf Konzerten aber trotzdem abgeht wie Sau. Meistens ist die Hütte dann brechend voll mit den unterschiedlichsten Leuten. Der Laden ist mir sofort ans Herz gewachsen. Die großen Clubs feier´ ich eigentlich nicht mehr so. Das Thema ist etwas durch für mich. Im Partymodus bin ich immernoch etwas selbst-gefährdet. Im Idealfall kann ich am Ende noch halbwegs geradeaus sprechen, hatte aber trotzdem meinen Spaß. Ich häng´ auf Partys eigentlich ganz gern gechillt in irgendeiner Ecke und ziehe mir die Welt auf Gin Tonic rein.
Hast du als kreative Person schon einmal so etwas wie Skulpturen, Modelle oder Bühnen-Installationen im Kopf gehabt? Wäre das etwas für dich?
Auf jeden Fall – das wäre total mein Film. Vor allem mal in der Größenordnung eine völlig neue Aufgabe. Vielleicht vertraut sich mir ja wirklich mal jemand an. Das wäre höllisch gut!
Von einigen Quellen höre ich immer wieder, die Stadt Essen sei DIE neue Absteige für gescheiterte möchtegern-Rockstars. Beziehst du als Künstler, der auf düsteres und rohes steht, daraus auch Inspiration? Hast du denn gar keine Hemmungen?
Hahaha.. Deine Quellen interessieren mich so langsam. Ist das so? Ich habe ja bewusst keinen Kontakt zu solchen Knalltüten. Das ist mir einfach zu anstrengend. Ich weiß auch nicht, wo mich das insperieren sollte. Menschlich vielleicht als so eine Art Warnschild, aber ansonsten… nö. Ist mir egal.
Mal im ernst: Wo ist bei dir die (moralische) Grenze, was deine eigene Kunst oder Auftragsarbeiten angeht?
Wenn ich jemanden aus für mich guten Gründen als keinen guten Menschen bezeichnen würde, weil er vielleicht miese Dinge abgezogen hat oder schlichtweg ein Arschloch ist. Linksradikal, Rechtsradikal… diese Dinge. Auch wer solche Leute und sei es nur aus einem Nutzen heraus, in seinem Umkreis duldet – das fuckt mich tierisch ab. Die Grenze liegt wirklich ziemlich tief. Ich will so eine Scheiße nicht haben. Das ist mir keinen noch so großen Erfolg wert, mir da die Hände dreckig zu machen.
Wie gehst du mit Konflikten zwischen deinen eigenen Ansprüchen und den Ansprüchen deiner Klienten um?
Meistens bin ich wesentlich kritischer, als die anderen. Ich versuche auch eigentlich immer Lösungen für Probleme zu finden, die nachher keinem irgendwie ein Dorn im Auge sind und das hat bislang fast immer bestens geklappt.
Bist du cool damit, dass deine visuelle Kunst durch ihren manchmal verstörenden Charakter, alles andere als Mainstreamtauglich ist? Besonders wenn man das auf potentielle Klienten oder Auftragsarbeiten aus dem Sektor bezieht?
Na, ich will doch hoffen, dass das so ist. Klar bin ich cool damit. Und wenn es nur 5 Leuten gefällt und es mir nicht einen Klick bringt.. scheiß doch drauf. Wenn ich sehe, was für Unmengen an Geld ausgegeben werden, um das 100.000ste, langweilige Performance-Video zu machen, kann ich eigentlich nur lachen. Das ist doch Fastfood, nix anderes. Mit sowas konkuriere ich gar nicht. Kann ich nicht und will ich nicht.
Wichtigste Frage zum Schluss: Wie kommen interessierte Klienten an dich heran und was sollten sie dabei beachten?
Am sinnvollsten ist wohl der Weg über ghostfog.mail (at) web.de oder ganz platt über meine Seite auf Facebook. Ich hab’s gern persönlich. Ich will zu Gesprächen cool ´n Bier trinken können und einfach mal über Dinge gechillt sprechen können. Ich will gerne wissen, mit wem ich es zu tun habe.
Das wäre es dann. Hau rein und alles gute für die Zukunft, Junge!
Dir auch. Und vielen Dank. Hat zur Abwechslung mal wieder Spaß gemacht!
Schaut euch zum Schluss mal sein aufwendiges Musikvideo für Chord of Souls an und folgt Ghostfog über die Links unten:
Links:
https://www.facebook.com/ghostfogART
https://www.youtube.com/user/ghostfogweb/videos